Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung "wegen Schuld" werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die gegen die Strafaussprüche gerichteten Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten Herbert J***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Herbert J***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB schuldig erkannt (B/1. und 2.a, b, c; C/1.a, b, 2.). Danach hat er, soweit im Rechtsmittelverfahren hier von Relevanz, C/2. am 5. September 2002 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem rechtskräftig mitverurteilten Christian M***** gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigten der Firma B***** vier Schlösser im Gesamtwert von ca 160 EUR wegzunehmen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Der allein gegen dieses Schuldspruchfaktum aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Herbert J***** kommt keine Berechtigung zu.
Nach den den Schuldspruch tragenden Feststellungen entnahm der Angeklagte J***** am 5. September 2002 in der Filiale Stromstraße der Firma B***** einer Hängevorrichtung vier Schlösser und legte sie auf eine neben dem Regal befindliche Palette, um - dem gemeinsamen Tatplan entsprechend - dem wegen einer Querschnittlähmung an den Rollstuhl gefesselten Angeklagten M***** das Einstecken der Schlösser zu ermöglichen. Da sich M***** von Angestellten der Firma beobachtet fühlte und keinen geeigneten Moment zum Einstecken der Schlösser fand, verließ er schließlich - wie der Angeklagte J***** zuvor - das Geschäft (US 6 f).
Zutreffend verweist die Rechtsrüge zunächst auf die insoweit gefestigte Judikatur zur rechtlichen Gleichwertigkeit der einzelnen Täterschaftsformen des § 12 StGB und zur darauf gegründeten Schlussfolgerung, dass ein Angeklagter durch die Subsumtion unter eine falsche Täterschaftsform nicht benachteiligt ist (Fabrizy WK2 § 12 Rz 16).
Soweit sie allerdings aus der Behauptung, der Mittäter Christian M***** habe "die erforderliche Hemmschwelle noch nicht überwunden, weil dies erst mit dem Einstecken der Schlösser geschehen wäre", weshalb "der unmittelbare Täter" (gemeint: der Angeklagte M*****) "hier die Tat nicht einmal versucht hat", die Strafbarkeit des dem dritten Fall des § 12 StGB zu unterstellenden Verhaltens des Angeklagten J***** in Ermangelung der quantitativen Akzessorietät der Beitragstäterschaft verneint, verfehlt sie im zentralen Punkt ihrer Argumentation mangels gebotener Orientierung am Urteilssachverhalt die prozessordnungsgemäße Darstellung:
Abgesehen davon, dass die Überschreitung der sogenannten "entscheidenden Hemmstufe" kein taugliches Abgrenzungskriterium für die Frage der Verwirklichung eines Versuches darstellt (Hager/Massauer WK2 §§ 15, 16 Rz 31), übergeht sie nämlich die wiedergegebenen erstinstanzlichen Feststellungen zum - hier - ausführungsnahen Versuch (Hager/Massauer aaO Rz 40), wonach der am Tatort bereits anwesende Komplize des Angeklagten entschlossen war, sein diebisches Vorhaben sogleich zu realisieren und damit tatplangemäß unmittelbar in die Ausführungsphase - also den Beginn der Tatbildverwirklichung - einzutreten.
Da die Beschwerde die zum Diebstahlsversuch getroffenen Urteilsfeststellungen nicht zu erschüttern vermag, haben nach dem eingangs zur Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen Gesagten die eine Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten nach § 12 dritter Fall StGB anstrebenden Beschwerdeüberlegungen auf sich zu beruhen. Nur der Vollständigkeit halber ist im gegebenen Kontext - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - festzuhalten:
Unmittelbarer Täter nach § 12 erster Fall StGB ist, wer eine dem Wortlaut des Tatbestandes entsprechende Ausführungshandlung setzt, dessen Verhalten also der Schilderung der Tathandlung durch das Tatbild unmittelbar entspricht. Dies gilt nicht nur für den Alleintäter, sondern auch für im bewussten und gewollten Zusammenwirken handelnde Mittäter, von denen jeder eine wortlautkonforme Ausführungshandlung setzen muss (Fabrizy aaO § 12 Rz 18 und 26 ff, je mwN).
Einen Diebstahl begeht, wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen mit dem Vorsatz wegnimmt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (§ 127 StGB). Die Ausführung des Diebstahls besteht somit im Wegnehmen, worunter die Beseitigung des fremden Gewahrsams gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers zu verstehen ist (EvBl 1975/230 = RZ 1975/42).
Nach den bereits wiedergegebenen erstinstanzlichen Feststellungen hat der Angeklagte J***** eine den Gewahrsam der Verfügungsberechtigten lockernde Tätigkeit vorgenommen, die bereits eine Ausführungshandlung zum Diebstahl darstellt. Daran ändert der Umstand nichts, dass für den endgültigen Gewahrsamsbruch und damit für die Vollendung des Deliktes tatplangemäß eine weitere Ausführungshandlung erforderlich gewesen wäre (Wegnahme in Etappen; vgl Kienapfel BT II3 § 127 Rz 129 ff).
Der Beschwerdeführer hat daher - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - den Diebstahlsversuch als unmittelbarer (Mit-)Täter nach § 12 erster Fall StGB zu verantworten.
Da den darüber hinaus erhobenen Einwänden, wonach selbst bei Annahme der unmittelbaren Täterschaft des Angeklagten ein Diebstahlsversuch nicht anzunehmen sei, "weil zwischen der Tätigkeit und der Vollendung (Einstecken der Schlösser durch Christian M*****) zeitliche und sonstige Zwischenakte bzw Zwischenstadien gelegen sind, die die Annahme eines Versuches nicht zulassen", die einzelne, deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs 1 und 285a Z 2 StPO) der tatsächlichen oder gesetzlichen Gegebenheiten, aus denen die Nichtigkeit resultieren soll, nicht entnommen werden kann, war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).
In gleicher Weise war mit der (bloß angemeldeten) gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung zu verfahren.
Daraus resultiert die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die beiderseitigen Berufungen und die Beschwerde des Angeklagten J***** (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter SatzStPO). Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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