OGH 12Os101/11m

OGH12Os101/11m9.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Böhm als Schriftführer in der Strafsache gegen Zelimchan M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Zelimchan M***** und Badruddi A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 20. Mai 2011, GZ 5 Hv 41/11p-33, sowie die Beschwerden der Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Zelimchan M***** und Badruddi A***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (richtig:) dritter Fall StGB (A./1./) und mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (A./2./) schuldig erkannt.

Danach haben sie am 20. März 2011 in Graz im bewussten und gewollten Zusammenwirken

1./ mit Gewalt gegen eine Person Sunday G***** eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem sie ihm zahlreiche Faustschläge und Fußtritte gegen das Gesicht und den Körper versetzten und Zelimchan M***** ihm die Geldtasche mit Bargeld und andere Gegenstände wegnahm, wobei Sunday G***** am Körper schwer verletzt wurde (Orbitabogenfraktur links, mehrfragmentäre Nasenbeinfraktur mit angrenzender Weichteilschwellung, Gehirnerschütterung, Prellung im Schulter- und im Ellbogenbereich, Schürfwunden an beiden Knien);

2./ Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit Gebrauchsverhinderungswillen unterdrückt, indem sie Sunday G***** im Zug der unter Punkt 1./ genannten Tat die Asylkarte, den Meldezettel und die ÖBB-Vorteilskarte wegnahmen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten Zelimchan M***** aus Z 5, 5a und 11 und Badruddi A***** aus Z 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zelimchan M*****

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Feststellungen zur inneren Tatseite findet sich auf US 11. Inwiefern sie unzureichend in der Bedeutung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes sein soll, legt die Beschwerde nicht deutlich und bestimmt dar (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Ein Begründungsmangel (Z 5) wird demnach nicht aufgezeigt.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

Mit den vorgebrachten Hinweisen auf seine Verantwortung und jene des Mitangeklagten sowie die Angaben des Zeugen Sunday G***** weckt der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

In der erschwerenden Wertung raschen Rückfalls neben dem Widerruf einer bedingten Strafnachsicht ist kein Rechtsfehler (Z 11) gelegen (vgl § 32 Abs 2 StGB; RIS-Justiz RS0091096 [T3 und T4]).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Badruddi A*****

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist lediglich auf Angaben der Angeklagten sowie der Zeugen Markus H***** und Marlen S*****, die im Sinn der Verantwortung des Rechtsmittelwerbers interpretiert werden. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen werden damit nicht aufgezeigt, sodass die Rüge fehl geht:

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt den nach der Verfahrensordnung gebotenen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf anzuwendenden Gesetz (RIS-Justiz RS0099810). Das gegen die Schuldsprüche erstattete Vorbringen läuft inhaltlich auf eine Bestreitung der von den Tatrichtern getroffenen Konstatierungen hinaus (vgl US 5 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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