Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil, dass auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch betreffend den Mitangeklagten Franz H***** enthält, wurde Oliver R***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I), des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (II 1), des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 zweiter Fall StGB (II 2) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (III) schuldig erkannt. Danach hat er
I. nachgenannten Personen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er eine geladene Pistole auf sie richtete und sie zur Herausgabe von Bargeld aufforderte, und zwar
- 1) am 10. Oktober 2006 in Wien Nina W***** und Karl W***** 5.995 EUR;
- 2) am 16. Oktober 2006 in Graz Rene T***** und Adolf L***** 6.630
EUR;
II. am 16. Oktober 2006 in Graz
1) auf der Flucht die Polizeibeamten BI Günter S***** und RI Georg Z*****, die ihn nach der ausgelösten Alarmfahndung anhalten wollten, zu töten versucht, indem er aus seiner Pistole gezielt fünf Schüsse auf die Polizisten abfeuerte;
2) anlässlich der zu II 1 geschilderten Tathandlungen Patrick S***** unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich einen Durchschuss im Bereich der rechten Scheitel-/Schläfenregion sowie eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte, indem er ihn mit einem der fünf auf die Polizisten abgefeuerten Schüsse in den Kopf traf, und III. im Zeitraum vom 5. September bis 22. Oktober 2006 in Wien, Graz und anderen Orten unbefugt genehmigungspflichtige Schusswaffen, nämlich eine Pistole der Marke „Ceska Zbrojovka", Kal. 9 mm, sowie einen Revolver Kal. 44, Modell Navy, unbefugt besessen und teilweise geführt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 10a und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Die Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert zunächst die vom Oberlandesgericht Graz erfolgte Abweisung (ON 162) eines vor der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf „Ablehnung von Richtern des Landesgerichts für Strafsachen Graz". Da nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO insoweit nur über einen in der Hauptverhandlung gegen den Antrag des Beschwerdeführers gefassten Beschluss zu befinden ist, gehen die diesbezüglichen Einwände von vornherein ins Leere.
Die trotz Widerspruchs der Verteidigerin erfolgte Verlesung der im Vorverfahren getätigten Aussagen des Nichtigkeitswerbers (S 18/V) stützte der Schwurgerichtshof zutreffend auf § 245 Abs 1 StPO aF iVm § 308 Abs 1 StPO aF. Danach kann der Vorsitzende im Fall der Weigerung des Angeklagten, sich zu verantworten, Protokolle über frühere Aussagen ganz oder teilweise vorlesen. Nachdem Oliver R***** trotz mehrfacher Aufforderung durch die Vorsitzende erklärte, keine Angaben machen zu wollen (S 4, S 17/V), erfolgte die Verlesung zurecht.
Auch die Abweisung des inhaltlich auf die Beiziehung eines (dritten) Sachverständigen aus dem Fach der Psychiatrie abzielenden Antrags (S 142 f/V) war entgegen dem Standpunkt der Rüge begründet. Der dazu vorgebrachte Vorwurf, die beiden bisher tätigen Gutachter hätten auf eine Anamnese verzichtet, ist aktenwidrig (vgl S 37/IV und 52/V sowie S 501/IV und 19/V). Dass einer der beiden Gutachter während einer früheren Haftverbüßung des Oliver R***** als Anstaltspsychiater den Nichtigkeitswerber behandelt hatte, stellt keine erhebliche Einwendung im Sinn des § 120 StPO aF dar und vermag daher das Begehren des Rechtsmittelwerbers nicht zu stützen.
Durch die Verweigerung der Beiziehung eines weiteren gerichtsmedizinischen Gutachters betreffend die bei Mag. Patrick S***** aufgetretene Schussverletzung wurden Verteidigungsrechte nicht hinangesetzt, zumal Univ.-Prof. Dr. R***** entgegen dem Antragsvorbringen den Bericht über die Operation dieses Tatopfers sehr wohl berücksichtigt hatte (vgl S 122/V). Der Hinweis, dass die Gutachtensausführungen „jeglichem Hausverstand" widersprächen, bringt weder eine Unbestimmtheit oder Widersprüchlichkeit noch eine sonstige Mangelhaftigkeit des Gutachtens iSd § 126 StPO aF zum Ausdruck. Schließlich wies der Schwurgrichtshof den Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins im Bereich des Tatortes zum Beweis dafür, dass „der dort befindliche Radfahrer nicht auf die Polizisten geschossen hat in Mordabsicht bzw mit dem Vorsatz diese zu töten und auch den Zeugen Mag. Patrick S***** nicht verletzt hat" (S 135 ff/V), berechtigt ab.
Dass bei Vernehmung der zum Schusswechsel geführten Zeugen anlässlich einer Tatrekonstruktion an Ort und Stelle im Gegensatz zur „unhaltbaren" Darstellung des Geschehens in der Anklageschrift ein für den Nichtigkeitswerber entlastender Tatablauf als „wahrscheinlichste Variante zutage getreten wäre", wird zunächst damit begründet, dass der von der Polizei im Vorverfahren durchgeführte Lokalaugenschein unvollständig geblieben sei. Die daran anschließende, auf isolierten Aussagepassagen aufbauende, spekulative Darstellung von möglichen Geschehnisabläufen wird in keiner Beziehung zu einem bei einem Ortsaugenschein erzielbaren Beweisergebnis gesetzt. Das Begehren lässt insbesondere offen, wie mit dieser Beweisführung Rückschlüsse auf einen fehlenden Tötungsvorsatz zu ziehen gewesen wären. Auf die in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgeholten Begründungen war nicht weiter einzugehen, denn die Berechtigung eines Antrags ist stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Die Tatsachenrüge (Z 10a) beschränkt sich darauf, die Verfahrensergebnisse in einem für den Angeklagten günstigeren Licht darzustellen und die Angaben der vernommenen Zeugen unter anderem auf der Basis von aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten in Zweifel zu ziehen, ohne damit sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Soweit der Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang fehlende Untersuchungen von Spurenträgern reklamiert, legt er nicht dar, inwiefern er bzw seine Verteidigerin an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert gewesen wäre (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Die Sanktionsrüge (Z 13) bekämpft die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB mit dem Vorbringen, dass die beiden psychiatrischen Sachverständigen nicht während der gesamten Hauptverhandlung anwesend waren, sondern nach Gutachtenserstattung und ihrer Befragung durch Gericht und Parteien entlassen worden waren. Der solcherart inhaltlich geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 4 StPO liegt schon deswegen nicht vor, weil nach § 430 Abs 4 StPO iVm § 439 Abs 2 StPO der Hauptverhandlung bei sonstiger Nichtigkeit ein Sachverständiger beizuziehen ist (Medigovic WK-StPO, § 439 Rz 3). Das Erfordernis der Anwesenheit dieses Gutachters während der gesamten Verhandlung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die beiden Psychiater waren während der am 15. Oktober 2007 stattgefundenen Hauptverhandlung zugegen, als der Angeklagte mehrfach aufgefordert wurde, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, aber jegliche Angaben verweigerte.
Dass aus den Schilderungen des Tatgeschehens durch die am zweiten und dritten Prozesstag vernommenen Zeugen Rückschlüsse auf den Geisteszustand des Beschwerdeführers möglich gewesen wären und daher die fehlende Beachtung dieser Verfahrensergebnisse in den bereits am ersten Prozesstag erstellten Gutachten dieser beiden Experten Eingang hätten finden müssen, ist eine spekulative Behauptung, mit der lediglich versucht wird, entsprechend begründete, indes fehlende Anträge des Nichtigkeitswerbers zu einer Ergänzung der psychiatrischen Expertisen im Rechtsmittelverfahren durch unzulässige Neuerungen nachzuholen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Erledigung der Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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