European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120NS00057.19G.1015.000
Spruch:
Für die Durchführung des Verfahrens ist das Landesgericht Innsbruck zuständig.
Gründe:
Mit dem beim Landesgericht Salzburg zu AZ 52 Hv 55/19d eingebrachten Strafantrag vom 19. April 2019 (ON 17) legte die Staatsanwaltschaft Linz Nilüfer D***** als Vergehen der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB und der Urkundenunterdrückung nach §§ 12 zweiter Fall, 229 Abs 1 StGB beurteiltes Handeln zur Last.
Danach habe sie am 23. Mai 2015 in Salzburg als Kandidatin einer beim Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) abzulegenden Sprachprüfung
1./ einer Amtsträgerin für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil gewährt, indem sie der abgesondert verfolgten Döndü C*****, einer mit „Vereinbarungen über eine fallweise Beschäftigung“ tageweise als zertifizierte Prüferin für Sprachprüfungen beim ÖIF, dessen Gebarung der Überprüfung durch den Rechnungshof unterliegt, angestellten Bediensteten, für die entgegen der Prüfungsordnung vorgenommene nachträgliche Berichtigung einer Vielzahl von falschen (Multiple‑Choice‑)Testantworten 400 Euro bezahlte;
2./ Döndü C***** durch die zu 1./ genannte Handlung dazu bestimmt, eine Urkunde, über die diese nicht oder nicht allein verfügen durfte, zu beschädigen, indem sie auf dem vom ÖIF ausgegebenen und von Nilüfer D***** nach Ende der Prüfung abgegebenen Prüfungsbogen nachträglich Berichtigungen falscher (Multiple‑Choice‑)Testantworten der Kandidatin (betreffend Testteile „hören“ und „lesen“) durch Radieren und nachfolgendes Ankreuzen der richtigen Antworten vornahm, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, dass die ursprüngliche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, nämlich beim ÖIF anlässlich der Auswertung der Prüfungsergebnisse zum Nachweis der tatsächlichen, für das in der Sprachprüfung angestrebte Niveau keinesfalls ausreichenden Deutschkenntnisse von Nilüfer D*****.
Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit führte die Staatsanwaltschaft aus, dass aus dem Umstand der langen Anreise der in Innsbruck wohnhaften Angeklagten zur Prüfung nach Salzburg und des Wohnsitzes von Döndü C***** nahe Wels „gegenständlich mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen [sei], dass die Übergabe des Bestechungsgeldes an C***** in Salzburg stattfand“ (ON 17 S 4).
Mit Beschluss vom 28. Mai 2019 (ON 18) erklärte sich das Landesgericht Salzburg zur Entscheidung über den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Linz vom 19. April 2019 örtlich unzuständig. Dazu verwies es auf drei (für den gegenständlichen Fall nicht relevante) Prüflinge, hinsichtlich derer der Kontakt zu Döndü C***** bereits vor den jeweiligen Prüfungen stattgefunden habe, und auf weitere sechs nicht vom Strafantrag umfasste Prüflinge, an deren Wohnort sich C***** begeben oder mit denen ein Treffen an deren Arbeitsort stattgefunden habe. Aus keinem der dokumentierten Fälle habe sich ergeben, dass irgendwelche Zahlungen direkt am Prüfungsort stattgefunden hätten. Darüber hinaus stellte das Landesgericht Salzburg eigene Erwägungen zur Wahrscheinlichkeit der Zahlung des Bestechungsgeldes am Wohnort der Angeklagten an, weshalb das Landesgericht Innsbruck örtlich zuständig sei.
Mit Beschluss vom 2. August 2019 (ON 22) erklärte sich das Landesgericht Innsbruck in der gegenständlichen Strafsache als örtlich unzuständig und verwies darauf, dass es sich bei den Ausführungen des Landesgerichts Salzburg zur örtlichen Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck um reine Mutmaßungen ohne entsprechende Beweisergebnisse handle.
Zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt wurde der Akt vom Landesgericht Innsbruck dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im Fall gleichzeitiger Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist gemäß §
37 Abs 2 erster Satz StPO unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere Gericht zur Führung aller Verfahren zuständig.
Das Vergehen der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB fällt aufgrund der Strafdrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe in die sachliche Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts (§ 31 Abs 4 Z 1 StPO), das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB hingegen angesichts der Androhung einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen in die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts (§ 30 Abs 1 StPO).
Daraus folgt, dass das von der Staatsanwaltschaft als Vergehen der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB beurteilte Verhalten für die örtliche Zuständigkeit ausschlaggebend ist (§ 37 Abs 1 erster Satz, Abs 2 erster Satz StPO).
Gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO ist für das Hauptverfahren primär das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder hätte eintreten sollen. Fehlt es auch an einem solchen, so sind für die Gerichtszuständigkeit der Reihe nach andere Kriterien entscheidend, nämlich der Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Angeklagten, der Ort seiner Betretung oder der Sitz der die Anklage einbringenden Staatsanwaltschaft (§ 36 Abs 3 zweiter und dritter Satz StPO; RIS-Justiz RS0130478).
Aufgrund der Aktenlage kann der Ausführungsort – abgesehen von bloßen Spekulationen – nicht örtlich zugeordnet werden:
Denn Nilüfer D***** zeigte sich anlässlich ihrer Vernehmung vor dem Stadtpolizeikommando Innsbruck am 8. März 2017 (ON 9 S 39 ff) nicht geständig und erklärte, mit Döndü C***** nie persönlichen Kontakt gehabt, ihr nie Geld gegeben und keine Kenntnis darüber gehabt zu haben, dass an ihrem Prüfungsbogen Veränderungen vorgenommen worden seien. Döndü C***** gab bei ihrer Beschuldigtenvernehmung vor dem Stadtpolizeikommando Linz am 14. November 2017 an, der Name „Nilüfer D*****“ sage ihr „gar nichts“ (ON 13 S 47).
Solcherart kommen die subsidiären Anknüpfungspunkte des § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO zum Tragen. Da es sich beim Vergehen der Bestechung nach § 307 StGB um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handelt ( Nordmeyer/Stricker in WK 2 StGB § 307 Rz 10), kommt Erfolgsanknüpfung nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0127317; Nordmeyer , WK-StPO § 25 Rz 2; Oshidari , WK-StPO § 36 Rz 6). Daraus folgt die Kompetenz des Landesgerichts Innsbruck, in dessen Sprengel die Angeklagte ihren Wohnsitz hat (ON 9 S 39).
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