OGH 12Ns15/22k

OGH12Ns15/22k30.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in der Disziplinarsache gegen Rechtsanwältin Dr. * D* wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt, AZ D 1/19, D 12/19, D 13/19, D 14/19, D 13/20 des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit des Anwaltsrichters Dr. * gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120NS00015.22K.0330.000

 

Spruch:

Anwaltsrichter Dr. * ist von der Entscheidung über den Einspruch und die Berufung wegen Schuld und Strafe der Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 8. Juni 2021, AZ D 1/19, D 12/19, D 13/19, D 14/19, D 13/20, ausgeschlossen.

An seine Stelle tritt Anwaltsrichter Dr. *.

 

Gründe:

[1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 24 Ds 6/21y, 24 Ds 7/21w über den im Spruch genannten Einspruch und die dort genannte Berufung zu entscheiden.

[2] Anwaltsrichter Dr. * ist Mitglied des zuständigen 24. Senats.

[3] Am 17. März 2022 zeigte der Genannte seine Befangenheit mit der Begründung an, die Disziplinarbeschuldigte hätte ihn in einem Zivilprozess „in den Streit gezogen“, indem sie behauptete, er hätte „das Gericht in rechtswidriger Weise dazu bestimmt“, einen von ihr gestellten Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Streitverhandlung im Wege einer Videokonferenz abzuweisen. Dabei hätte sie auch auf seine Tätigkeit als Anwaltsrichter beim Obersten Gerichtshof Bezug genommen und der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer „Disziplinarverfahrensterrorismus“ vorgeworfen. Diesen Sachverhalt habe er der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer zur Kenntnis gebracht, welche schließlich gegen die Disziplinarbeschuldigte auch wegen dieses Sachverhalts ein Disziplinarverfahren einleitete. Mit Eingabe vom 22. März 2022 wies auch die Disziplinarbeschuldigte auf diesen Sachverhalt hin.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gemäß § 64 DSt iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher auch unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0097086 [T5]; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 10 f mwN).

[5] Dies ist bei dem dargestellten Sachverhalt zu bejahen.

[6] Anstelle des Ausgeschlossenen tritt aufgrund der laufenden Vertretungsregelung des Obersten Gerichtshofs der im Spruch genannte Anwaltsrichter (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 45 Abs 2 StPO).

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