OGH 12Ns14/95

OGH12Ns14/9512.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter in der Strafsache gegen Dr.Karl P***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB, AZ 3 U 300/94 des Bezirksgerichtes Leibnitz, über die Erklärung des Beschuldigten, "sämtliche im Einflußbereich des Präsidenten der Anwaltskammer für Steiermark tätigen Richter, vom Bezirksrichter bis zum Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz" abzulehnen, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Ablehnung des Oberlandesgerichtes Graz ist nicht gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über die Ablehnung weiterer im Sprengel dieses Gerichtshofes zweiter Instanz tätiger Richter werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Dem Strafverfahren AZ 3 U 300/94 des Bezirksgerichtes Leibnitz liegt eine Privatanklage des Rechtsanwaltes Dr.Werner T***** gegen Dr.Karl P***** zugrunde. In diesem Strafverfahren lehnte der Beschuldigte nicht nur die nach der erstgerichtlichen Geschäftsverteilung zur Verhandlung und Entscheidung berufene Richterin, sondern auch "sämtliche im Einflußbereich des Präsidenten der Anwaltskammer für Steiermark tätigen Richter, vom Bezirksrichter bis zum Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz", somit sinngemäß auch das Oberlandesgericht Graz in seiner Gesamtheit im wesentlichen mit der Begründung als befangen ab, daß der Privatankläger die Funktion des Präsidenten der steiermärkischen Rechtsanwaltskammer ausübe, als Rechtsanwalt "vor allem an steirischen Gerichten ständig präsent" sei und solcherart zwangsläufig bei Gesprächen mit Richtern seinen hier verfahrensaktuellen Standpunkt einbringe.

Rechtliche Beurteilung

Allein über die Ablehnung (aller Richter) des (nach dem Gesetz zur Entscheidung über die Ablehnung eines ganzen Gerichtshofes erster Instanz berufenen) Gerichtshofes zweiter Instanz hat der Oberste Gerichtshof zu entscheiden (§ 74 Abs 2 StPO); sie ist nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 72 Abs 1 StPO kann (ua) der Beschuldigte Mitglieder des Gerichtes ablehnen, wenn er außer den in §§ 67 bis 69 StPO bezeichneten Fällen (der Ausschließung) andere Gründe anzugeben und darzutun vermag, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden in Zweifel zu setzen.

Was dazu im konkreten Fall vorgebracht wird, läßt vorweg nicht besorgen, daß sich Richter des Oberlandesgerichtes Graz bei ihrer Entscheidung nur deshalb von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen könnten, weil ihnen der Privatankläger als Präsident der steiermärkischen Rechtsanwaltskammer bekannt ist. Auf die bloße subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann eine Ablehnung nicht mit Erfolg gestützt werden (Mayerhofer/Rieder StPO3 ENr 7 zu § 72).

Die (sinngemäße) Ablehnung des (ganzen) Gerichtshofes zweiter Instanz einschließlich dessen Präsidenten erweist sich somit als nicht hinreichend begründet.

Die Entscheidung über die (sinngemäß ganze Gerichtshöfe erster Instanz einschließende) Ablehnung weiterer Richter fällt in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz (§ 74 Abs 2 StPO).

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