European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00099.17V.1114.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Betreff der Angeklagten Albin K***** und Erzen K***** in der Subsumtion der Taten zu I./A./I./ und 2./ auch nach § 87 Abs 2 erster Fall StGB, demzufolge in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung), überdies der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer die Angeklagten Albin und Erzen K***** betreffenden Berufung sowie der erstgenannte Angeklagte mit seiner Berufung und Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Das Erstgericht wird dem Oberlandesgericht Wien entsprechende Aktenteile zur Erledigung der verbleibenden Berufung der Staatsanwaltschaft zuzuleiten haben.
Dem Angeklagten Albin K***** fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurden der Erstangeklagte Albin K***** und der Zweitangeklagte Erzen K***** der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (I./A./), der Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1, Abs 4 StGB (I./B./, III./ bzw I./B./ und II.B./), Erzen K***** darüber hinaus des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./A./) schuldig erkannt.
Danach haben sie – auf das für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde Wesentliche reduziert wiedergegeben – im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter nach Fassen eines gemeinsamen Tatentschlusses
A./I./ am 1. Jänner 2016 in K***** anderen schwere Körperverletzungen absichtlich zugefügt, und zwar
1./ „Nicole S*****, indem ihr zunächst Albin K***** einen Schlag ins Gesicht versetzte, sodass sie zu Boden stürzte und ihr beide gemeinsam Fußtritte gegen das Gesicht versetzten, wodurch S***** einen Bruch der Augenhöhle und des Augenmuskels, sohin eine an sich schwere Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen in Form von Doppelbildern beim Abblick und einer Taubheit im Bereich des rechten Auges erlitt;
2./ Gabriel Kn*****, indem ihm zunächst Albin K***** einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, sodass er auf die am Boden liegende S***** fiel und sie ihn danach mehrfach ins Gesicht traten, wodurch dieser eine Fraktur des Orbitalbodens am rechten Auge, sohin eine an sich schwere Körperverletzung mit einer länger als 24 Tage dauernder Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt.“
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO stützt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit die Mängelrüge (Z 5) auf eine Passage der Aussage der S*****, wonach sie „nicht sicher“ wäre, wer ihr den Faustschlag ins Gesicht versetzte, hinweist und spekuliert, das Opfer hätte den Erst- mit dem Zweitangeklagten verwechselt und deren Körpergröße und Haarfarbe thematisiert, spricht sie angesichts festgestellter Mittäterschaft und den auf den Faustschlag folgenden Fußtritten ins Gesicht keine entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0106268) an. Dies gilt ebenso für die ins Treffen geführte, als „übergangen“ bezeichnete Aussage eines Zeugen zu einer zeitlich früheren Auseinandersetzung und der Frage, ob der Erstangeklagte „nur geschlagen“, die Opfer aber nicht getreten hätte, zu (s im Übrigen zur Auseinandersetzung des Erstgerichts mit den Angaben dieses Zeugen US 16 bis 18). Mit der Kritik, jemand, der bereits am Boden liege und sein Gesicht mit den Händen schütze, könne nicht wahrnehmen, von wem er attackiert wird, weswegen insgesamt „erhebliche Bedenken an den Feststellungen“ bestünden, wird bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung bekämpft.
Soweit diese Argumente auch im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10) unter Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz vorgebracht werden, entspricht dies nicht prozessordnungsgemäßer Darstellung einer solchen, die das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS-Justiz RS0099810).
Die Subsumtionsrüge zeigt allerdings – ebenso wie die Generalprokuratur – zutreffend auf, dass die tatrichterlichen Feststellungen die rechtliche Annahme der Erfolgsqualifikation in objektiver Hinsicht nicht tragen.
Diese Annahme setzt voraus, dass die Tat den Verlust oder für immer oder für lange Zeit eine schwere Schädigung des Sehvermögens oder eine andere, in § 85 Abs 1 Z 1 bis 3 StGB genannte Beeinträchtigung (vgl dazu Burgstaller/Fabrizy in WK² StGB § 85 Rz 7, 17) zur Folge hat.
Eine den Verlust gleichgestellte schwere Schädigung ist mehr als bloße Beeinträchtigung, etwa eine starke und bleibende Herabsetzung der Sehkraft eines Auges (Fabrizy, StGB12 § 85 Rz 3).
Vorliegend haben die Tatrichter aber nur konstatiert, dass das Opfer S***** unter Doppelbildern beim Abblick und einem Taubheitsgefühl beim rechten Auge leide, wobei sich erstere ohne weitere Operation nicht bessern würden (US 11). In den Urteilsgründen wurde das Opfer Kn***** betreffend lediglich eine Orbitalbodenfraktur am rechten Auge konstatiert (US 11).
Aufgrund der dargelegten Rechtsfehler, die auch den Schuldsprüchen des Zweitangeklagten anhaften, der diese nicht bekämpft hat, war die angefochtene Entscheidung in teilweiser Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde in der rechtlichen Annahme der Qualifikation nach §
87 Abs 2 erster Fall StGB schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO). Ein Eingehen auf das weitere, die Dauerfolge betreffende Vorbringen des Erstangeklagten erübrigt sich damit.
Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer die Angeklagten Albin und Erzen K***** betreffenden Berufung sowie der erstgenannte Angeklagte mit seiner Berufung und Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die auf dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen basierenden Zusprüche von 5.653,54 Euro (beinhaltend auch Krankenhauskosten und andere Barauslagen) an S***** und 2.000 Euro an Kn***** beziehen sich auf die durch die Verletzungen erlittenen Schmerzen der Opfer (US 30) und finden – ebenso wie die weiteren Aussprüche zu den geltend gemachten Ansprüchen der Privatbeteiligten – im nicht aufgehobenen Teil des Schuldspruchs wegen § 87 Abs 1 StGB Deckung, weswegen sie bestehen zu bleiben hatten.
Das Erstgericht wird dem Oberlandesgericht Wien entsprechende Aktenteile zur Erledigung der verbleibenden Berufung der Staatsanwaltschaft zuzuleiten haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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