OGH 11Os98/94

OGH11Os98/9430.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Friedrich S***** und einen anderen wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 erster Fall SGG sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Friedrich S***** und Edith S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 18.April 1994, GZ 34 b Vr 838/93-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Edith S***** (zu I.) und Friedrich S***** (zu I. und II.) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG, teils als Beteiligte nach § 12 StGB, Edith S***** außerdem allein (zu III.) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 erster Fall SGG sowie (zu IV.) des Vergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Nach den von der Rechtsmittelanfechtung betroffenen Schuldsprüchen haben sie

(I.) in Linz

(1.) vom 29.Jänner bis 31.März 1993 ("als Beitragstäter") gemeinsam dazu beigetragen, mit "dem Haupttäter" Martin Z***** den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift anderen zu überlassen, indem sie dem Martin Z***** ihre Wohnung zum Verkauf und zur Lagerung von ca 15 Gramm Heroin zur Verfügung stellten und Friedrich S***** ihm in Anwesenheit von Edith S***** beim Abpacken von Heroin in Briefchen behilflich war;

(2.) vom 29.Jänner bis 31.Jänner 1993 außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, indem sie mehrmals täglich Heroin konsumierten, das ihnen vom abgesondert verfolgten Martin Z***** kostenlos zur Verfügung gestellt wurde;

(III.) Edith S***** allein gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem sie

(1.) in der Zeit vom 20.Feber bis März 1993 in Linz in mehreren Teillieferungen insgesamt ca 550 Gramm Haschisch von Walter L***** übernahm und dieses Suchtgift teilweise an Renate V*****, ca 9 Gramm in zwei Teilmengen an Peter M***** und weitere Mengen an zahlreiche bisher nicht bekannte Abnehmer verkaufte;

(2.) im Juni und Juli 1993 in mehreren Teillieferungen weitere ca 500 Gramm Haschisch von Walter L***** ankaufte und an Renate V***** sowie zahlreiche andere bisher unbekannte Abnehmer weiterverkaufte;

(IV.) Edith S***** durch die zu III. genannten Handlungen gewerbsmäßig Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden ist, gekauft, an sich gebracht und verhandelt.

Lediglich gegen den Schuldspruch zu Punkt I. richtet sich die auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Friedrich S*****, während die Angeklagte Edith S***** den Schuldspruch zu Punkt III. und IV. mit einer allein auf die Z 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft; beiden Beschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Friedrich S*****:

Entgegen dem Vorbringen in der (undifferenziert ausgeführten) Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) wird zunächst mit dem Einwand, das Erstgericht habe den angefochtenen Schuldspruch ausschließlich auf die Aussagen des Zeugen Peter H***** und die Angaben der Zeugen Martin Z***** und Gerald Sch***** vor der Polizei gestützt, dabei aber die abweichenden Aussagen der letztgenannten vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung nicht berücksichtigt, kein formaler Begründungsmangel (Z 5) aufgezeigt, sondern lediglich versucht, nach Art einer Schuldberufung und damit auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise die beweiswürdigenden Überlegungen der Tatrichter anzugreifen und zu anderen als den von ihnen getroffenen Feststellungen zu gelangen. Tatsächlich hat sich das erkennende Gericht mit sämtlichen Beweisergebnissen, dabei auch mit den darin enthaltenen Widersprüchen, soweit sie entscheidungswesentliche Tatsachen betreffen, auseinandergesetzt. Insoweit hat es - entgegen dem Beschwerdevorbringen - weder die Aussagen des Martin Z***** und des Gerald Sch***** vor dem Untersuchungsrichter noch die Angaben des Martin Z***** in der Hauptverhandlung vernachlässigt, sondern mit dem Hinweis auf Abweichungen von früheren Aussagen dieser Zeugen und anderen Beweisergebnissen dargelegt, weswegen es deren ursprüngliche Angaben für wahr hielt und (gemäß § 258 Abs 2 StPO) seinen Konstatierungen zugrunde legte (396, 397, 398/I). Ebenso hat es die Angaben des Zeugen Manfred R***** in der Hauptverhandlung nicht unerörtert gelassen, sondern mit einer den Denkgesetzen entsprechenden Begründung dargelegt, warum diese Aussage zur Entlastung des (leugnenden) Angeklagten nichts beitragen konnte (397/I). Im Gegensatz zur Beschwerdebehauptung hat sich das angefochtene Urteil ausdrücklich auch damit auseinandergesetzt, daß die Zeugen Z***** und Sch***** ihre Angaben abgeschwächt bzw zurückgenommen haben, wobei es Widersprüche zwischen der Aussage des Zeugen Z***** und der Verantwortung des Angeklagten keineswegs unberücksichtigt ließ, sondern mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, weswegen es zur Überzeugung von der Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Feststellungen gelangte; auch der Umstand, daß der Zeuge Martin Z***** anläßlich seiner Einvernahme vor der Sicherheitsbehörde unter seelischem Druck gestanden sein soll, blieb dabei nicht unbeachtet (395, 396, 397, 398, 399, 401).

Bei seiner Argumentation verkennt der Angeklagte S***** zudem das Wesen des sogenannten Zweifelsgrundsatzes, dem keineswegs die Bedeutung einer "negativen" Beweisregel zukommt, wonach sich das Gericht bei Verfahrensergebnissen, die mehrere Deutungen oder Schlußfolgerungen zulassen, grundsätzlich die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zueigen machen muß. Das Gericht hat vielmehr darüber, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, stets nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 258 Abs 2 StPO), wobei es sich jede Meinung bilden kann, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht. Insoweit ist es auch nicht erforderlich, daß Schlußfolgerungen aus (zweifelsfrei) festgestellten Prämissen zwingend sind; genug daran, daß sie den Denkgesetzen entsprechen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 258 E 26, 40 ff).

Die Beschwerde gelingt es aber auch nicht, unter dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5 a) erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken, weil sich auch diese Ausführungen darauf beschränken, die erstrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen, ohne derartige Bedenken aus den Akten aufzuzeigen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Edith S*****:

Eine Überschreitung der Anklage (Z 8) behauptet die Beschwerdeführerin bei den Schuldsprüchen zu Punkt III. (hinsichtlich der 100 Gramm Haschisch überschreitenden Suchtgiftmenge) und zu Punkt IV. (zur Gänze), indem sie auf das Anklagefaktum III. der Anklageschrift ON 11, Bezug nimmt und behauptet, die Anklage sei in der Hauptverhandlung am 18.April 1994 lediglich dahin ergänzt bzw modifiziert worden, daß sie zu lauten habe: "... und zwar dadurch, daß sie ca 100 Gramm Haschisch einem Unbekannten aufkaufte ..."; eine weitere Anklageausdehnung habe nicht stattgefunden, sodaß der darüber hinausgehende Schuldspruch zu Punkt III. und IV. durch die Anklage nicht gedeckt sei.

Insoweit genügt der Hinweis, daß der Vorsitzende des Schöffengerichtes im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof gemäß § 285 f StPO angeordneten Aufklärung über den Verlauf der Hauptverhandlung vom 18.April 1994 das Protokoll über diese Hauptverhandlung (ON 39) mit Beschluß vom 25.Juli 1994 (ON 51) im Wege einer Berichtigung dahin ergänzt hat (Foregger-Kodek StPO6 § 271 Erl VIII), daß die in Rede stehende Anklageausdehnung im Sinn des Vorhabensberichtes der Staatsanwaltschaft Linz, mitgeteilt am 25.Oktober 1993 - 3 e AV-Bogen) tatsächlich vorgenommen worden ist. Dieser Beschluß wurde den Verteidigern auch zugestellt (9/II). Damit ist der auf eine Überschreitung der Anklage abzielenden Argumentation der Beschwerdeführerin der Boden entzogen.

Die offenbar unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen der beiden Angeklagten wird demnach das hiefür zuständige Oberlandesgericht Linz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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