OGH 11Os96/79

OGH11Os96/7931.7.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Juli 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. April 1979, GZ 2 a Vr 8987/78-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (Punkt 2. des Urteilssatzes) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Vergehens des (vollendeten) Diebstahls nach dem § 127 Abs 1 StGB (Punkt 1. des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch aufgehoben und im Umfange der Aufhebung gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Walter (Erich) A ist weiters schuldig, am 9. Oktober 1979 in Wien A) fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Tafel Schokolade, eine Geldbörse und ein Feuerzeug mit Lederetui im Gesamtwert von 209 S, Verfügungsberechtigten der Firma B mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

B) Erika C und - in Tateinheit mit Punkt 2.b) des erstgerichtlichen

Schuldspruches - Gertrude D mit Gewalt, nämlich durch Versetzen von Stößen und Schlägen, zur Unterlassung seiner Anhaltung genötigt und hiedurch zu A) das Vergehen des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs 1 StGB und zu B) das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB begangen zu haben.

Hiefür und für das im Punkt 2) des erstgerichtlichen Schuldspruches bezeichnete Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB wird Walter (Erich) A nach dem § 105 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 (acht) Monaten verurteilt.

Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1. Juni 1956 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Walter (Erich) A abweichend von der auf Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, 131 StGB und Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB lautenden Anklage des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er 1.) am 9. Oktober 1978 in Wien fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Tafel Schokolade, eine Geldbörse und ein Feuerzeug mit Lederetui im Gesamtwert von 209 S, Verfügungsberechtigten der Firma B mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2.) nachfolgend genannte Personen vorsätzlich am Körper verletzte:

a) am 25. September 1978 in Reichenau Albine E durch einen Stoß, wodurch sie gegen Einrichtungsgegenstände geschleudert wurde und eine Schulterprellung erlitt;

b) am 9. Oktober 1978 in Wien Gertrude D durch Stöße und Faustschläge, sodaß sie eine Hautabschürfung am Hals erlitt. Gegen diesen Schuldspruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 9 lit. a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie einerseits (zum Nachteil des Angeklagten) das Unterbleiben eines Schuldspruches (auch) wegen Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs 1

StGB bekämpft, anderseits aber (zugunsten des Angeklagten) geltend macht, daß der vom Erstgericht zum Schuldspruchfaktum 1.) festgestellte Sachverhalt nur den Tatbestand des versuchten Diebstahls erfülle.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt in beiden Punkten Berechtigung zu. Was zunächst die Frage des Diebstahlsversuchs anlangt, so ist eine Sache erst dann im Sinne des § 127 Abs 1 StGB 'weggenommen' und der Diebstahl damit vollendet, sobald der Täter die tatsächliche Herrschaft über die betreffende Sache erlangt hat und der bisherige Gewahrsamsinhaber dadurch nicht mehr in der Lage ist, über sie zu verfügen (ÖJZ-LSK 1975/21 u.a.). Im vorliegenden Fall ist den Urteilsfeststellungen zufolge der Angeklagte Walter A von der Hausdetektivin Erika C schon beim Ansichnehmen des Diebsguts beobachtet und beim Ausgang an der Hand erfaßt und zum Mitkommen aufgefordert worden. Im Bestreben zu fliehen, doch ohne weitere Gedanken an das in seiner Kleidung verwahrte Diebsgut, boxte der Angeklagte Erika C gegen die Schulter und drückte sie am Handgelenk; außerdem schlug er gegen den Körper der der Hausdetektivin zu Hilfe eilenden Gertrude D, die ihn am Hemd erfaßt hatte, und nützte deren Ängstlichkeit, um davonzulaufen. Da Walter A sofort verfolgt und in unmittelbarer Nähe des Tatorts festgenommen worden ist, in welchem Zusammenhang auch in den Entscheidungsgründen von (lediglich) vorgehabter bzw. beabsichtigter Flucht gesprochen wird, kann nicht gesagt werden, daß dem von der Warenhausdetektivin schon beim Ansichnehmen der Gegenstände beobachteten Angeklagten die Sachwegnahme bereits gelungen wäre und er die tatsächliche Herrschaft über die Sachen erlangt hätte (siehe auch ÖJZ-LSK 1975/22).

Dem Schuldspruch wegen vollendeten Diebstahls haftet daher der Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1

StPO an.

Der beschwerdeführenden Anklagebehörde ist aber auch darin beizupflichten, daß das vom Erstgericht festgestellte, schon von der auf räuberischen Diebstahl nach den §§ 127 Abs 1, 131 StGB lautenden Anklage erfaßt gewesene gewaltsame Handeln des Angeklagten gegen Erika C und Gertrude D, um die Genannten an seiner Anhaltung zu hindern, den Tatbestand des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB erfüllt.

Dadurch wird der Schuldspruch wegen der in Tateinheit mit der Nötigung der Gertrude D an der Genannten begangenen Körperverletzung (Punkt 2.b des erstgerichtlichen Schuldspruches) nicht berührt, weil die vom Nötigenden ausgeübte Gewalt (leichte) Körperverletzungen zur Folge hatte, weshalb das Verhalten des Angeklagten sowohl als das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 StGB als auch das der Körperverletzung nach dem § 83 StGB (in eintätigem Zusammentreffen) zu werten ist (SSt. 46/79, EvBl. 1978/168 u. a.).

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen Vergehens des (vollendeten) Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB sowie im Strafausspruch aufzuheben und wie aus dem Spruche ersichtlich zu erkennen.

Bei der vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend: die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen und das Zusammentreffen von drei Delikten sowie die Wiederholung der Körperverletzung; hingegen wurde als mildernd berücksichtigt: das Geständnis, der geringe Wert des zu stehlen versuchten Gutes und der Umstand, daß der Diebstahl nur bis zum Versuchsstadium gedieh.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und der im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Bemessung der Strafe erachtete der Oberste Gerichtshof eine achtmonatige Freiheitsstrafe für angemessen.

Mit ihrer gegenstandslos gewordenen Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die vom Obersten Gerichtshof in der Sache selbst gefällte Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der im Urteilsspruch zitierten Gesetzesstelle.

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