OGH 11Os94/92

OGH11Os94/9215.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.‑Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut, Dr. Hager und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Götsch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Baldur H* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 16. Juni 1992, AZ I Bl 40/92 (GZ U 499/91‑14 des Bezirksgerichtes Hall in Tirol) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0110OS00094.9200006.0915.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 16. Juni 1992, AZ I Bl 40/92 (ON 14 des Aktes U 499/91 des Bezirksgerichtes Hall in Tirol) verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 6 Abs 3 StPO.

 

 

Gründe:

 

Der am 28. Jänner 1940 geborene Baldur H* wurde mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 28. November 1991, GZ U 499/91‑8, des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen diese am 6. Dezember 1991 durch postamtliche Hinterlegung zugestellte Strafverfügung erhob Baldur H* einen mit 20. Dezember 1991 datierten, laut Poststampiglie jedoch erst am 23. Dezember 1991 zur Post gegebenen und am 27. Dezember 1991 beim Bezirksgericht Hall in Tirol eingelangten Einspruch, welcher mit Beschluß dieses Gerichtes vom 30. Dezember 1991 als verspätet zurückgewiesen wurde (S 43). Der dagegen gerichteten Beschwerde gab das Landesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 16. Juni 1992, AZ I Bl 40/92, mit der Begründung Folge, daß zugunsten des Beschuldigten nicht ausgeschlossen werden könne, daß dieser ‑ wie behauptet ‑ seinen Einspruch am 20.Dezember 1991 in einen Postkasten eingeworfen, „somit rechtzeitig (§ 461 Z 4 StPO)“ zur Post gegeben habe und dieses Schriftstück erst am 23. Dezember 1991 abgestempelt und weitergeleitet worden sei (S 54).

Rechtliche Beurteilung

Die der Beschwerdeentscheidung zugrundeliegende Auffassung, daß der Einwurf einer Postsendung in einen Briefkasten den (gemäß dem § 6 Abs 3 StPO nicht in die Rechtsmittelfrist einzurechnenden „Postenlauf“) auslöse, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nicht anders als nach der mit dem § 6 Abs 3 StPO korrespondierenden Bestimmung des § 89 GOG für den Zivilrechtsbereich genügt es auch zur Wahrung strafprozessualer Fristen, daß das an das zuständige Gericht adressierte Schriftstück am letzten Tag der Frist zur Post gegeben und die Sendung noch am selben Tag (durch Anbringung des Poststempels) in postamtliche Behandlung genommen wird (vgl dazu EvBl 1962/421; 5 Ob 609/88; 3 Ob 1567/90 ua). Da der „Postenlauf“ erst mit der Anbringung des Datums der Postaufgabe einsetzt, ist die Sendung so rechtzeitig bei der Post aufzugeben (in den Briefkasten einzuwerfen), daß sie nach den postamtlichen Vorschriften noch mit dem Aufgabevermerk (Stampiglie) dieses Tages versehen werden muß (4 Ob 103/73; SSt 2/37). Bei einer Postaufgabe knapp vor Ablauf der Frist hat sich der Absender daher vom rechtzeitigen Beginn des „Postenlaufes“ zu überzeugen (SZ 46/32).

Soweit die Beschwerdeentscheidung (sinngemäß) davon ausgeht, daß schon der Einwurf einer Postsendung in den Briefkasten ohne Rücksicht auf die (nachfolgende) postamtliche Behandlung zur Fristwahrung ausreicht, widerstreitet sie dem unabdingbaren gesetzlichen Erfordernis einer exakten Überprüfungsmöglichkeit der Rechtzeitigkeit der Postaufgabe und entspricht demgemäß nicht dem Gesetz.

Da diese Gesetzesverletzung dem Beschuldigten zum Vorteil gereichte, hatte es mit ihrer Feststellung sein Bewenden.

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