OGH 11Os93/06w

OGH11Os93/06w26.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Amir L***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 27. März 2006, GZ 41 Hv 12/05p-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A 1), mehrerer Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (A 2), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1 und 106 Abs 1 Z 1 StGB (B) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (C) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A) in der Zeit von Sommer 2004 bis Mitte April 2005 mit seiner am 6. Jänner 1991 geborenen Tochter Vanesa L***** mehrmals geschlechtlich verkehrt und solcherart

  1. 1) mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen sowie
  2. 2) eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt,

    (B) am 23. April 2005 Vanesa L***** durch die Drohung, sie zu erschießen, wobei er eine Pistole mit dem Hinweis vorzeigte, diese „für sie" besorgt zu haben, zur Unterlassung einer Strafanzeige oder sonst einer Mitteilung an Dritte über die zu A beschriebenen Taten genötigt sowie

    (C) unbefugt die anlässlich der zu B beschriebenen Tat eingesetzte Pistole besessen und geführt.

    Die dagegen aus Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), das Protokoll über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Vanesa L***** (ON 12) sei in der Hauptverhandlung zu Unrecht verlesen worden, wird die Verletzung einer bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachtenden Vorschrift und solcherart das Vorliegen der Grundvoraussetzung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes inhaltlich nicht einmal behauptet. Die Verlesung war vielmehr geboten, weil sich die Zeugin der Aussage in der Hauptverhandlung berechtigt (§ 152 Abs 1 Z 2a StPO) entschlagen hatte (S 423/I) und die Parteien Gelegenheit gehabt hatten, sich an der gerichtlichen Vernehmung im Vorverfahren (ON 12) zu beteiligen (§ 252 Abs 1 Z 2a StPO). Der Beschwerdehinweis auf den Widerspruch des Verteidigers gegen die Verlesung (S 240/II) geht ins Leere, weil das Gesetz insoweit nicht auf das Einverständnis der Parteien abstellt. Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe die Vernehmung Vanesa L*****s vor dem erkennenden Gericht beantragt (der Sache nach wohl Z 4), widerspricht der Aktenlage (ON 50, insbesonders S 240, 248/II). Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Nichtverlesung zweier vom Beschwerdeführer vorgelegter Schriftstücke die Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil es dem diesbezüglichen Antrag (S 248/II) an einem Beweisthema und solcherart einem essentiellen Antragserfordernis (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327) mangelte. Das ergänzende Beschwerdevorbringen hiezu hat auf sich zu beruhen, weil allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofes erster Instanz bildet und demgemäß auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung nur auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung bezogen zu überprüfen vermag (SSt 41/71, zuletzt 11 Os 12/06h).

Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), die angefochtene Entscheidung übergehe die leugnende Einlassung des Beschwerdeführers, ignoriert die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen (US 14 bis 18). Fehlende Erörterung der Aussage der Zeugin Brigitte L*****, Vanesa L***** habe ihr gegenüber angegeben, hinsichtlich eines sexuellen Übergriffs des Beschwerdeführers „gelogen" zu haben (S 277/I), behauptend, übersieht die Beschwerde, dass die Tatrichter die partielle Widersprüchlichkeit der Depositionen der letztgenannten Zeugin sehr wohl in ihre Überlegungen einbezogen haben (US 18). Mit der Prämisse, Brigitte L***** habe überdies ausgesagt, dass Vanesa L***** „generell im Verhalten untragbar gewesen sei", entfernt sich die Rüge einmal mehr von der Aktenlage (S 277/I). Das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a), das Erstgericht habe die leugnende Verantwortung des - im Übrigen im polizeilichen Vorverfahren geständigen (S 175 bis 213/I) - Beschwerdeführers „nicht stichhaltig und überzeugend widerlegt", entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung. Indem die Beschwerde ohne Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial bloß aus den Erwägungen der Tatrichter Bedenken an der Lösung der Schuldfrage abzuleiten trachtet, verfehlt sie ebenfalls die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487). Der sinngemäße Einwand, das erkennende Gericht wäre aufgrund der Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung verbunden gewesen, weitere Beweise aufzunehmen, legt nicht dar, wodurch der Beschwerdeführer an der Ausübung seines Rechts auf zweckdienliche Antragstellung gehindert gewesen sein soll, und geht solcherart ins Leere (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480; jüngst 11 Os 51/06v). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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