OGH 11Os90/81

OGH11Os90/8129.7.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 1981

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Faseth, Dr. Kießwetter und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ruiter-Birnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marina A und Karl B wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 erster und dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Karl B sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten) und der Angeklagten Marina A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17. April 1980, GZ 20 v Vr 4.469/79-40, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Doczekal und Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Marina A und Karl B, die beide zuletzt keiner Beschäftigung nachgingen, auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 erster und dritter Fall und § 15 StGB sowie des Vergehens des Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Den Gegenstand des Schuldspruchs bilden sechs in der Zeit vom 18. bis zum 25. Mai 1979 in Wien von den beiden Angeklagten jeweils in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz unternommene Angriffe auf durchwegs ältere Frauen mit dem Ziel, ihnen (in Hand- oder Einkaufstaschen mitgeführte) Bargeldbeträge wegzunehmen, wobei Marina A in drei sohin - wie erwähnt - als Raubverbrechen beurteilten Fällen (Urteilsfakten 1, 2 und 3) gegen die betroffenen Personen, um deren Sachbehauptungswillen zu überwinden, (erhebliche) Gewalt zumindest durch (gewaltsames) Reißen an den festgehaltenen Taschen anwendete und es ihr in zwei Fällen (Fakten 1 und 2) auch gelang, sich solcherart der Taschen (mit darin enthaltenen Bargeldbeträgen von ungefähr S 1.530,-- bzw S 170,--) zu bemächtigen, im dritten Fall (Faktum 3) jedoch das Opfer die Tasche (mit ungefähr S 500,-- Bargeld) festzuhalten vermochte, allerdings durch die ausgeübte Gewalt stürzte und (infolge von Rippenbrüchen mit länger als 24 Tage dauernder Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit) schwer verletzt wurde; in den übrigen, als Gesellschaftsdiebstahl beurteilten drei Fällen (Urteilsfakten 4, 5 und 6) erfolgte die Sachwegnahme durch Marina A hingegen ohne Gewaltanwendung, wobei Bargeldbeträge von einmal ungefähr S 1.700,-- und zweimal je S 200,-- erbeutet wurden. Karl B liegt nach dem Wahrspruch zur Last, in allen sechs Fällen Aufpasserdienste geleistet und sich mit einem Personenkraftwagen am Tatort bereitgehalten zu haben, um Marina A sofort nach Erlangung des Geldes in das (Flucht-)Fahrzeug aufzunehmen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte B mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Angeklagte A hingegen nur mit Berufung; die Staatsanwaltschaft ergriff hinsichtlich beider Angeklagter das Rechtsmittel der Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der auf die Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs 1 Z 6 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B, die sich nur gegen dessen Schuldspruch wegen Verbrechens des Raubes (Urteilsfakten 1, 2 und 3) richtet, kommt keine Berechtigung zu. Dem einen Mangel der Fragestellung (§ 345 Abs 1 Z 6 StPO) im - vermeintlichen - Unterbleiben von (Eventual-) Fragen hinsichtlich des Beschwerdeführers in der Richtung des Diebstahls (§§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB) - allenfalls mit der Qualifikation als räuberischer Diebstahl (§ 131 StGB) - erblickenden Beschwerdevorbringen ist vorweg zu entgegnen, daß es für die strafrechtliche Haftung des Rechtsmittelwerbers wegen (Gesellschafts-)Raubes auf die in der Beschwerde vordergründig behandelte Frage der Urheberschaft am Tatplan überhaupt nicht, sondern lediglich darauf ankommt, ob sein Vorsatz alle Deliktsmerkmale eines Raubes - hier: die gewaltsame Sachwegnahme - umfaßte.

Diesbezüglich verantwortete sich aber der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung dahin, er habe allerdings damit gerechnet, daß Marina A 'an den Handtaschen anreißen' müsse, um in deren Besitz zu gelangen (S 177). Dieser Einlassung ist, da schon das Entreißen einer vom Opfer festgehaltenen Tasche, sofern dadurch der widerstrebende Wille der (wenn auch überraschend) angegriffenen Person mit dem Einsatz körperlicher Kraft ausgeschaltet oder überwunden wird, Gewalt gegen die Person im Sinne des § 142 Abs 1 StGB darstellt (ÖJZ-LSK 1976/77 ua), eine Bestreitung des die räuberische Sachbemächtigung als (zumindest eventuelle) Tatmodalität umfassenden Tätervorsatzes durch den Angeklagten B nicht zu entnehmen.

Für die Annahme, daß der Vorsatz des Beschwerdeführers auf die Anwendung von Gewalt zwar nicht zur Sachwegnahme, wohl aber zur Erhaltung des Besitzes (der Täter) an den schon (ohne Widerstand der Berechtigten) weggenommenen Sachen - somit auf räuberischen Diebstahl im Sinne des § 131 StGB (vgl Kienapfel, Bes. Teil II, RN 9 zu § 131 StGB) - gerichtet gewesen sei, fehlt es an jedwedem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung (§ 314 Abs 1 StPO) weshalb entsprechende Eventualfragen in dieser Richtung zu Recht unterblieben.

Im übrigen geht aber die Rüge der Fragestellung deshalb ins Leere, weil den Geschwornen mit den für jeden Angeklagten getrennt gestellten Schuldfragen ohnedies auch hinsichtlich des Beschwerdeführers zu den die Fakten der Raubanklage betreffenden Hauptfragen Nr 10, 12 und 14

(= 7., 8. und 9. Hauptfrage) jeweils korrespondierende Eventualfragen Nr 11, 13 und 15 in der Richtung eines (vom Beschwerdeführer etwa bloß zu verantwortenden Gesellschafts-)Diebstahls (§§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB) vorlagen, welche - da ihre Beantwortung nach Bejahung der betreffenden Hauptfragen folgerichtig unterblieb - nur nicht in die Urteilsausfertigung aufgenommen wurden (ÖJZ-LSK 1981/46). Dadurch waren die Geschwornen in die Lage versetzt, dem Grundsatz des § 13 StGB entsprechend die Schuld des Beschwerdeführers unter dem in der Nichtigkeitsbeschwerde behandelten Aspekt einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen, und haben dies, wie aus ihrer Niederschrift (§ 331 Abs 4 StPO) hervorgeht, auch getan.

Mit der Behauptung, es liege auch der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 12 StPO deshalb vor, weil der Beschwerdeführer nach den Verfahrensergebnissen nur für die Begehung von (Handtaschen-)Diebstählen strafrechtlich haftbar gemacht werden könne und daher die auf seine Beteiligung (als Raubgenosse) am Verbrechen des schweren Raubes gerichteten Hauptfragen von den Geschwornen zu verneinen gewesen wären, wird der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig dargestellt. Der Vorwurf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, wie er aus diesem Nichtigkeitsgrund erhoben werden kann, erfordert eine Vergleichung der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Gesetz. Demgegenüber geht der Beschwerdeführer ausschließlich von urteilsund wahrspruchsfremden Annahmen aus, indem er die von ihm angestrebte rechtliche Beurteilung daraus ableiten will, Gewaltanwendung zur Sachwegnahme seitens der Mitangeklagten sei von seinem deliktischen Vorsatz nicht umfaßt gewesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Über die Angeklagten wurden nach dem ersten Strafsatz des 143 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Marina A unter Anwendung des § 41 StGB in der Dauer von vier Jahren und über Karl B in der Dauer von sechs Jahren verhängt. Bei der Strafbemessung wurde als erschwerend bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen zweier verschiedener strafbarer Handlungen, die Wiederholung sowohl des Diebstahls als auch des Raubes, bei Karl B überdies auch die einschlägigen Vorstrafen, die sogar den Voraussetzungen des § 39 StGB entsprechen, und als mildernd bei beiden Angeklagten das teilweise reumütige Geständnis, der Umstand, daß es in einem Fall beim Versuch blieb, die Schadensgutmachung durch Marina A im Faktum Maria C und durch Karl B in den Fakten Eugenie D und Helene E sowie bei Marina A überdies der bisher ordentliche Lebenswandel berücksichtigt.

Während die Staatsanwaltschaft das Ausmaß der über die Angeklagten verhängten Strafen als zu gering und bei Marina A im besonderen auch die außerordentliche Strafmilderung bekämpft, streben die beiden Angeklagten eine Strafermäßigung, Karl B unter Anwendung der Bestimmung des § 41 StGB, an.

Keine der Berufungen ist berechtigt.

Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig und mit der Einschränkung vollständig angeführt, daß auch die zweifache Qualifikation des Raubes (§ 143 1. und 3. Fall StGB) als erschwerend zu berücksichtigen ist. Dieses zusätzliche gravierende Moment reicht jedoch für eine Anhebung der Strafen ebensowenig aus, wie die weitere von der Anklagebehörde hervorgehobene Tatsache, daß die Raub- und Diebstahlstaten wiederholt wurden. Es darf nämlich insbesondere nicht übersehen werden, daß die beim Raub angewendete Gewalt ihrer Art und Intensität nach noch im untersten Bereich der deliktstypischen Bandbreite verblieb. Dieser Umstand in Verbindung mit den (sonstigen) bereits erwähnten Milderungsgründen, die im Falle der Angeklagten A deren künftiges Wohlverhalten auch bei Unterschreitung des gesetzlichen Mindeststrafmaßes erwarten lassen, spricht gegen eine Strafverschärfung.

Andererseits können aber die verhängten Strafen keineswegs als überhöht bezeichnet werden, zumal die weiteren von den Angeklagten für die angestrebte Strafreduzierung ins Treffen geführten Milderungsgründe nicht vorliegen. So kann angesichts der wohldurchdachten, mehrmaligen Angriffe weder von einer Unbesonnenheit noch nach der speziellen Art der Tatausführung von der Minderbeteiligung eines der Täter die Rede sein. Auch eine unverschuldete Notlage war nach den im Verfahren hervorgekommenen Lebensumständen der Angeklagten nicht anzunehmen.

Der Wert der Beute schließlich liegt in einem Bereich, der für die Strafbemessung weder nach der einen noch nach der anderen Richtung hin von Bedeutung ist.

Aus all dem ergibt sich, daß die vom Geschwornengericht verhängten Strafen dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schwere der Schuld der Täter durchaus entsprechen und einer Korrektur nicht bedürfen. Mithin konnte auch den Berufungen kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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