OGH 11Os89/82

OGH11Os89/824.8.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. August 1982 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gassner als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm Karl A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. März 1982, GZ 3 c Vr 10.856/

81-47, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Stöger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 Monate herabgesetzt wird. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Juni 1939 geborene Koch und Kellner Wilhelm Karl A des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt, weil er am 6. Oktober 1981 in Wien der Gertrude B eine Geldbörse mit S 6.590,-- Bargeld mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf die Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

In Ausführung seiner Mängelrüge bezeichnet der Angeklagte, der unbestrittenermaßen Gertrude B die Geldbörse samt Inhalt auf dem Stephansplatz in Wien entriß, damit in die Unterführung vor dem Haupttor des Stephansdomes flüchtete, und kurz danach im Bereich der als Ausstellungsraum adaptierten sogenannten 'Virgilkapelle' von der Bestohlenen und einem anderen Passanten gestellt wurde, die 'Feststellung' des Erstgerichtes, er hätte 'keine Möglichkeit gehabt, in der Menge der Passanten unterzutauchen' und sich zu verbergen, als 'aktenwidrig', weil ihn alle verfolgenden Personen (zunächst) aus den Augen verloren hätten.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, daß das Erstgericht eine solche Feststellung gar nicht traf, sondern - dies auch entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen, welches zu Unrecht eine derartige Feststellung vermißt - konstatierte, daß der Angeklagte bestrebt war, in der Menge der Passanten und Touristen unterzutauchen und sich, als er bei der Virgilkapelle angelangt war, dort zu verbergen, wobei für ihn die Aussicht bestand, daß seine Verfolger nicht den Weg zur Kapelle, sondern zu den ins Freie führenden Aufgängen oder zum Abgang zur U-Bahn wählen und ihn solcherart vergeblich verfolgen würden (S 211). Desgleichen stellte das Erstgericht entgegen den sohin ebenfalls aktenwidrigen weiteren - auch damit einen Feststellungsmangel geltend machenden - Beschwerdebehauptungen fest, daß Polizeibeamte erst erschienen, nachdem der Angeklagte die Rückgabe der Börse an die Bestohlene, und sogleich danach eine übergabe an andere hinzugekommene Personen angeboten hatte (S 210).

Dem Beschwerdevorbringen im Rahmen der Mängelrüge kommt demnach keine Berechtigung zu.

In Ausführung seiner Rechtsrüge nimmt der Beschwerdeführer den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue im Sinn des § 167 StGB für sich in Anspruch, wobei er die Rechtsansicht vertritt, daß tätige Reue immer dann gegeben sei, wenn der Täter nicht zur Schadensgutmachung 'gezwungen' werde; davon könne aber nur bei Anwendung körperlichen Zwanges gegen den Täter (Festhalten seiner Person) gesprochen werden. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen, vielmehr habe er 'aus freien Stücken' auf das Eintreffen der Zeugin B gewartet und ihr die Börse vor dem Erscheinen der Polizeibeamten zurückgegeben, nachdem er schon vorher versucht habe, sie anderen Leuten auszuhändigen.

Dem ist zu entgegnen, daß der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund insoweit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird, als der Angeklagte ein Warten auf das Eintreffen der Bestohlenen 'aus freien Stücken' behauptet. Denn er übergeht damit die Feststellungen des Erstgerichtes, wonach ihm, der vorher die Örtlichkeit nicht kannte, (bereits) beim Eintreffen in der Virgilkapelle klar wurde, daß er seiner Ergreifung nicht durch eine weitere Flucht entgehen könne, weil die Kapelle keinen zweiten Ausgang hat und er in dieser Situation zunächst von dem die Bestohlene unterstützenden Passanten Alexander C und dann auch von der Bestohlenen selbst gestellt wurde. Ob der Angeklagte die Börse der Bestohlenen dann noch vor dem Erscheinen der Polizei zurückgab oder anderen Personen aufzudrängen suchte und ob er vor diesem Zeitpunkt von irgend jemandem körperlich festgehalten wurde oder nicht, ist ohne entscheidungswesentliche Bedeutung. Entgegen der Rechtsmeinung des Angeklagten liegt nämlich eine strafbefreiende Schadensgutmachung durch tätige Reue im Sinn des § 167 StGB nicht bereits vor, wenn zum Zeitpunkt der Vornahme dieses Aktes gegen den Täter noch kein körperlicher Zwang durch Ergreifen und Festhalten angewendet worden war. Vielmehr setzt Freiwilligkeit der Schadensgutmachung voraus, daß sie unter Umständen geschieht, unter denen es dem Täter unbenommen wäre, sie erfolgreich zu verweigern. Sie fehlt hingegen, wenn der Täter mit einem zur überführung ausreichenden Verdacht konfrontiert wird und die Schadensgutmachung genötigterweise unter dem Druck der Verhältnisse vornimmt, so etwa, wenn er die Sache zufolge Betretung bei der Straftat oder wegen der Unmöglichkeit, sie in Sicherheit zu bringen, an den Geschädigten - wenngleich ohne Zögern - zurückstellt (vgl Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 13 und 14 zu § 167; Liebscher im WK zum StGB, RN 22 und 23 zu § 167).

Nach dem Gesagten kann sohin im vorliegenden Fall von einer den Voraussetzungen des § 167 StGB entsprechenden Schadensgutmachung keine Rede sein, weil der Angeklagte, mag man ihn auch nicht körperlich angefaßt oder sonstigem körperlichen Zwang unterworfen haben, jedenfalls von der Bestohlenen und anderen Personen in einer Situation gestellt wurde, die die Fortsetzung des Fluchtversuches mit der Beute aussichtslos machte, und es gar nicht mehr in seiner Macht stand, die Rückgabe des gestohlenen Gutes erfolgreich zu verweigern.

Der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach dem § 167 StGB kommt sohin - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - dem Angeklagten nicht zustatten.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 128 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend den besonders raschen Rückfall, die einschlägigen, sogar über die Voraussetzungen des § 39 StGB hinausgehenden Vorstrafen und den durch den körperlichen Einsatz des Angeklagten an der Grenze der Tatbestandsverwirklichung nach dem § 142 StGB gelegenen Ausführungsmodus des Diebstahls, als mildernd dagegen das 'Zugeben des diebischen Vorsatzes' und die Sicherstellung der Diebsbeute.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des über ihn verhängten Strafausmaßes anstrebt, kommt Berechtigung zu. Das Geständnis des Angeklagten wird bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht dadurch beeinträchtigt, daß er versuchte, Umstände hervorzukehren, die auf die Geltendmachung eines Strafaufhebungsgrundes abzielten.

Vor allem bleibt - im Sinn der allgemeinen Grundsätze des § 32 Abs. 3 StGB - zu beachten, daß der Angeklagte die Beute nicht in Sicherheit bringen konnte, sie ihm bereits nach wenigen Minuten wieder abgenommen wurde, somit kein Schaden entstand, und er nach den erstgerichtlichen Feststellungen noch vor dem ohnedies überaus raschen Erscheinen von Poizeibeamten versuchte, die Geldbörse mit Inhalt der Bestohlenen und anderen Personen zurückzugeben, ein Umstand, der sich seinem Gehalt nach dem Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue doch nähert.

Auch unter entsprechender Beachtung des besonders raschen Rückfalls und der die Schuld des Täters erheblich beschwerenden Unverfrorenheit des diebischen Zugriffs erscheint dem Obersten Gerichtshof eine fühlbare Herabsetzung des Strafausmaßes angebracht. Eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Täters.

In dieser Richtung war somit der Berufung des Angeklagten Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte