Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im den Angeklagten Mario D***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten O***** und B***** werden die Akten (vorerst) dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Diesen Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mario D*****, Roland O***** und Tibor B***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1, Abs 2 StGB (I; O***** und B***** iVm § 12 dritter Fall StGB - II) sowie der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (III 1), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III 2) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (III 3) schuldig erkannt.
Danach haben Mario D*****, Roland O***** und Tibor B***** am 10. Februar 2010 in Kittsee
I.) Mario D***** der Juliana E***** dadurch, dass er ihr von hinten zunächst einen heftigen Stoß gegen den Rücken versetzte und ihr in einem weiteren Angriff die Geldbörse aus der linken Hand entriss, mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Werts begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat;
II.) Roland O***** und Tibor B***** zur Ausführung der unter Punkt I. angeführten Tathandlung des Mario D***** beigetragen, indem sie das Fluchtauto bereit hielten sowie Aufpasserdienste leisteten;
III.) Mario D*****, Roland O***** und Tibor B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter
1. Juliana E***** eine fremde bewegliche Sache aus deren Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen und dadurch Juliana E***** geschädigt, indem sie die Geldbörse, welche Mario D***** anlässlich der in Punkt I. angeführten Tathandlung weggenommen hatte, beim Fenster des fahrenden Autos hinaus warfen;
2. Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem sie die Urkunden, die von Mario D***** anlässlich der in Punkt I. angeführten Tathandlung weggenommen worden waren, nämlich den österreichischen Führerschein, einen Blutgruppenausweis sowie die Versicherungskarte der Juliana E***** aus dem Fenster des fahrenden PKWs warfen;
3. ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem sie die anlässlich der in Punkt I. angeführten Tathandlung von Mario D***** weggenommene Bankomatkarte des Herbert E***** aus dem Fenster des fahrenden PKWs warfen.
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Zweitangeklagten O***** (§ 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO) und des Drittangeklagten B***** (§ 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten O*****:
Die Tatrichter haben die Überführung der Beitragstäter - gegen die Verantwortung der Angeklagten - auf deren Verhalten vor und nach der Tat sowie auf den persönlichen Eindruck der drei Männer in der Hauptverhandlung gestützt (US 12 f).
Gegen letzteres Argument wendet sich die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), ohne jedoch einen Verstoß der erstgerichtlichen Argumentation gegen Logik und Empirie darlegen zu können (RIS-Justiz RS0118317; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Der Schluss auf ein inneres Vorhaben kann überwiegend nur aus äußeren Umständen (etwa dem Tatablauf) gezogen werden (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Der persönliche Eindruck des Gerichts von einer vernommenen Person lässt sich nicht erschöpfend in Worte kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden (RIS-Justiz RS0090413; Danek, WK-StPO § 270 Rz 39). Die in einer Forderung nach „Berücksichtigung der gebotenen Unschuldsvermutung“ mündende Spekulation über andere „in Betracht“ kommende Alternativszenarien verlässt den gesetzlich vorgegebenen Anfechtungsrahmen einer Mängelrüge (RIS-Justiz RS0102162).
Das Vorbringen, der Erstangeklagte habe den Raub als Alleintat dargestellt (vgl dazu US 11 ff), erweckt beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den bezüglichen Schuldspruch des Zweitangeklagten tragenden Feststellungen (US 8 bis 10; Z 5a).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) moniert zunächst einen fehlenden Tatbeitrag des Zweitangeklagten bei den ihn betreffenden Schuldsprüchen, weil im Ersturteil „nicht festgestellt wurde, welcher Angeklagte jeweils welche konkrete Tathandlung gesetzt“ habe. Abgesehen davon, dass die in diesem Zusammenhang neuerlich bemühte Unschuldsvermutung bei der Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeit ebenso wenig relevant ist wie die beweiswürdigende Berufung auf die Lebenserfahrung, lässt der Beschwerdeführer die vom Erstgericht angenommene Mittäterschaft außer Acht (US 8, 10) - aufgrund derer jeder Täter nicht bloß das eigene, sondern auch das Verhalten der Mittäter und den aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit hervorgegangenen Erfolg verantwortet (jüngst 11 Os 48/10h uva) - und entzieht sich damit einer Erledigung nach §§ 285c Abs 2, 286 ff StPO. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass „Aufpasserdienste“ (US 8) sinnfällig auch von mehreren Personen vorgenommen werden können und diese - dem Einwand des Rechtsmittelwerbers entgegen - fallaktuell auf den Verbrechensablauf bezogen waren (US 12 f).
Die Argumentation zur dauernden Sachentziehung (Schuldspruch III 1), es fehle eine Feststellung über eine „Schädigungsabsicht“ zum Zeitpunkt des Gewahrsamsbruchs (eine solche anlässlich des späteren Wegwerfens der Geldbörse reiche nicht hin), geht ebenso nicht von den Urteilsannahmen aus, die das Vorliegen des zur Verwirklichung des Vergehens nach § 135 Abs 1 StGB erforderlichen Entziehungsvorsatzes nämlich zeitlich offen lassen (US 10). Überdies kann zur Abrundung auf die seit längerer Zeit gefestigte Judikatur zu diesem Thema verwiesen werden (RIS-Justiz RS0093634; siehe auch die bei Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 135 Rz 4 zitierten Autoren), von der abzugehen sich der erkennende Senat - trotz diverser Gegenstimmen im Schrifttum (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 135 Rz 5 ff mwN und 46) - nicht veranlasst sieht.
Einmal mehr nicht am Tatsachensubstrat der angefochtenen Entscheidung (US 10 f und 9 zur Auffindung der Geldbörse) ausgerichtet zeigt sich schließlich das beweiswürdigende Vorbringen, es sei „hinsichtlich der subjektiven Tatseite ... zu berücksichtigen“, dass „nach den Feststellungen des Erstgerichts die Geldbörse samt den Urkunden aus dem Fahrzeug geworfen wurde, als dem Angeklagten schließlich die Polizei entgegenkam (US 9)“ und wäre mit „einer dauerhaften Entziehung ... nicht ... zu rechnen“ gewesen. Nichts anderes gilt für den gleichen Einwand zur Urkundenunterdrückung und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten B*****:
Dessen Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) entspricht inhaltlich der des Zweitangeklagten, sodass auf die bezüglichen Antworten verwiesen werden kann. Die abstrakten Ausführungen zum Verhalten vorbestrafter Angeklagter vor Gericht sowie zu den Einschätzungen des Raubopfers führen auch diesen Beschwerdeführer aus dem Anfechtungsrahmen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a als Ausführung der offenbar irrtümlichen Erwähnung der Z 10 eingangs der Nichtigkeitsbeschwerde) des Drittangeklagten gleicht ebenso inhaltlich der des Zweitangeklagten, weshalb neuerlich auf die bezughabende obige Erledigung zu verweisen ist. Eine noch so eingehende juristische Argumentation verfehlt die prozessordnungsgemäße Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit, wenn sie nicht auf der Tatsachenbasis der angefochtenen Entscheidung fußt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus deren Anlass musste sich der Oberste Gerichtshof allerdings von einer den Erstangeklagten D***** benachteiligenden Nichtigkeit überzeugen: Die Strafe über diesen jungen Erwachsenen wurde nämlich unter Außerachtlassung von § 36 letzter Fall StGB verhängt (US 4, 17; §§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall, 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall StPO - vgl RIS-Justiz RS0125243). Es war daher mit Kassation des nichtigen Strafausspruchs und Auftrag zur Verfahrenserneuerung vorzugehen.
Über die Berufungen des Zweit- und Drittangeklagten wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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