OGH 11Os88/83

OGH11Os88/838.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juni 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Eier als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas A und Georg B wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB und eines anderen Deliktes über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 1. Juli 1981, GZ 21 E Vr 1.258/ 81-6, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Knob zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird teilweise Folge gegeben:

Das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 1. Juli 1981, GZ 21 E Vr 1258/81-6, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 99 Abs. 1 StGB.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch des Annreas A und des Georg B wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB und demgemäß auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und es wird gemäß den §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Andreas A und Georg B werden für das ihnen nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last liegende Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle jeweils unter Anwendung des § 37 StGB zu Geldstrafen, und zwar Andreas A von 60 Tagessätzen (im Fall der Uneinbringlichkeit 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und Georg B zu 40 Tagessätzen (im Fall der Uneinbringlichkeit zu 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Die Höhe eines Tagessatzes wird für beide Angeklagte mit je 120 S festgesetzt.

Sämtliche auf dem vorerwähnten Urteil des Landesgerichtes Salzburg beruhenden Anordnungen und Verfügungen, insbesondere die Endverfügungen vom 16. Juli 1981 und der Beschluß vom 7. September 1981, GZ 21 E Vr 1258/81-11, werden aufgehoben.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verworfen.

Text

Gründe:

Das Kommando des Landeswehrstammregimentes 81 erstattete gegen die Gefreiten der Reserve Andreas A, Georg B und Felix Alois C, die im März 1981 an einer Kaderübung der ersten Kompanie des Landwehrstammregimentes 81

teilgenommen hatten, wegen Verdachtes der Freiheitsentziehung und der Nötigung Anzeigen an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Salzburg. Diese Behörde übermittelte die Anzeige gegen Felix C unter Bezugnahme auf den § 51

StPO der Staatsanwaltschaft Innsbruck und brachte beim Einzelrichter des Landesgerichtes Salzburg gegen Andreas A und Georg B den Strafantrag ein: 'Andreas A und Georg B haben am 10. März 1981 in Hochfilzen im gemeinsamen Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Felix C 1./ Johann D die persönliche Freiheit dadurch entzogen, daß sie ihn aus dem Bett zerrten und festhielten; 2./ Johann D mit Gewalt, nämlich dadurch, daß sie ihn gewaltsam aus dem Bett zerrten, Hose und Unterhose auszogen, festhielten und dessen Unterleib beidseitig mit Schuhpaste beschmierten, zu einer Duldung genötigt; sie haben hiedurch zu 1./ das Vergehen der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB und zu 2./ das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB begangen.'. Die Hauptverhandlung gegen Andreas A und Georg B fand am 1. Juli 1981 statt. Sie führte zu einem Schuldspruch der beiden Angeklagten sowohl wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB als auch wegen des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB. Andreas A wurde zu einer - bedingt nachgesehenen - zweimonatigen Freiheitsstrafe, Georg B zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 120 S, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 45 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. In dem (in Form eines Protokollsund Urteilsvermerks ergangenen) Urteil (GZ 21 E Vr 1258/81-6) wird gemäß dem § 488 Z 7 StPO auf den im Strafantrag dargestellten Sachverhalt verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil steht (zum Teil) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die Rechtsfrage, ob die den Angeklagten Andreas A und Georg B zur Last gelegte Tat den Vergehenstatbestand des § 99 Abs. 1 StGB verwirklichte, wurde nämlich unrichtig gelöst. Auszugehen ist hiebei von dem im Strafantrag dargestellten Sachverhalt; denn auf diesen Sachverhalt wurde vom erkennenden Gericht, das verpflichtet gewesen wäre, allfällige abweichende Feststellungen anzugeben (vgl § 488 Z 7 StPO), im Protokolls- und Urteilsvermerk uneingeschränkt verwiesen, und nur hierauf konnte sich daher auch das durch die übrigen Ergebnisse der Verhandlung unterstützte Geständnis der Angeklagten beziehen. Darnach hatte aber 1./ die Freiheitsentziehung (lediglich) darin bestanden, daß Andreas A und Georg B (im Zusammenwirken mit Felix C) Johann D aus dem Bett zerrten und festhielten, und 2./

die Nötigung (ebenfalls) darin, daß sie ihn gewaltsam aus dem Bett zerrten, festhielten, Hose und Unterhose auszogen und am Unterleib mit Schuhpaste beschmierten.

Das als Freiheitsentziehung im Sinn des § 99 Abs. 1, zweiter Fall, StGB beurteilte Verhalten war nach der (in den Urteilsvermerk übernommenen) Darstellung des Sachverhaltes im Strafantrag nur das Mittel der Nötigung. Es erschöpfte sich in der dem Tatbestandsmerkmal des Zwanges im § 105 Abs. 1 StGB zu unterstellenden Begehungsweise des Deliktes und erreichte keinen darüber hinausgehenden (selbständigen) Handlungsunwert. Es geht damit, zumal es - ersichtlich - keine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit des Johann D mit sich brachte, die in ihrer Auswirkung einem Gefangenhalten im Sinn der ersten Alternative des § 99 Abs. 1 StGB qualitativ gleichzusetzen wäre (EvBl 1977/223), im vorerwähnten Tatbestandsmerkmal des § 105 Abs. 1 StGB vollständig auf.

Der Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 99 Abs. 1 StGB war demnach, weil eine Idealkonkurrenz zwischen den §§ 99 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB hier aus dem dargelegten Grund nicht bejaht werden kann, rechtlich verfehlt, weswegen insoweit in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes die Verletzung des StGB in seinem § 99 Abs. 1 festzustellen und die bekämpfte Entscheidung in diesem Teil des Schuldspruches aufzuheben war.

Dagegen vermag der Oberste Gerichtshof den Einwänden der Generalprokuratur gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung nicht zu folgen.

Für die - wenn auch bloß als Hypothese erwähnte - (Sachverhalts-)Annahme, die Täter hätten ihrem Tatplan entsprechend das angestrebte Ziel, nämlich das Beschmieren des Johann D mit Schuhpasta, unter Umgehung der Willenssphäre des Opfers durch Ausschaltung einer Willensbildung bzw durch Unmöglichmachen der Betätigung des vorhandenen Willens erreicht, gibt das bekämpfte Urteil keine Grundlage.

Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) kann aber schon deshalb nicht angenommen werden, weil abgesehen von dem erheblichen Ungemach, das das Opfer erdulden mußte und das einer Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen nach der Z 2 des § 42 Abs. 1 StGB (keine oder nur unbedeutende Folgen) entgegensteht, auch die Schuld der Täter nicht als gering, das heißt als deutlich unter dem deliktsspezifischen Durchschnittsmaß bleibend, bezeichnet werden kann. Das nach der Aktenlage völlig unprovozierte gewalttätige Vorgehen gegen einen Schlafenden läßt vielmehr ein relativ hohes Maß an Mutwillen und Mißachtung der physischen und psychischen Integrität des Mitmenschen erkennen. Dazu kommt, daß der Angeklagte A bereits zwei einschlägige Vorstrafen aufzuweisen hat und hier in kürzester Zeit rückfällig wurde, weswegen in Ansehung seiner Person eine Ahndung der Tat auch spezialpräventiv geboten erscheint. Bei der demnach vorzunehmenden Neubemessung der Strafen wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend beim Angeklagten A die einschlägigen Vorstrafen und den überaus raschen Rückfall, beim Angeklagten B nichts; als mildernd bei beiden Angeklagten das Geständnis, beim Angeklagten B überdies den bisher ordentlichen Wandel.

Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe kann das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 StGB auch beim Angeklagten A noch bejaht werden.

Die Anzahl der verhängten Tagessätze erscheint schuldangemessen. Die festgesetzte Höhe entspricht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Angeklagten.

Das Verschlimmerungsverbot des § 290 Abs. 2 StPO gebietet nicht die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB zugunsten des Angeklagten A, weil die nunmehr verhängte Geldstrafe jedenfalls milder ist als die im Urteil des Landesgerichtes Salzburg ausgesprochene und bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe (vgl 13 Os 179/75 = EvBl 1976/218 ua). Mithin war wie im Spruch zu erkennen.

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