Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO im Strafausspruch aufgehoben und nach dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Willibald S*** wird für das ihm zur Last liegende Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und in gleichzeitiger Festsetzung der Strafe zum Schuldspruch des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 28.Juni 1985, GZ 3 a Vr 1.662/85-9, wegen des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (Punkt 2 dieses Schuldspruches) gemäß dem § 84 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter Anwendung der §§ 37 StGB, 494 a Abs. 1 Z 3 StPO und des § 11 JGG sowie gemäß den §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Jugendgerichtes Graz vom 21.November 1985, GZ 2 U 588/85-8, zu einer Zusatz-Geldstrafe von 150 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 75 Tagen Freiheitsstrafe, verurteilt. Die Entscheidungen über die Höhe des einzelnen Tagessatzes sowie über die Verfahrenskosten erster Instanz werden aus dem Urteil des Erstgerichtes übernommen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;
II. Über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 20.April 1988, GZ 3 a Vr 3.148/87-15/II, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und vom Widerruf der mit dem Urteil des Jugendgerichtes Graz vom 21.November 1985, GZ 2 U 588/85-8, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von einer Woche aus Anlaß der neuen Verurteilung abgesehen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Willibald S*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Die zum Teil auch formelle Begründungsmängel geltend machende Beschwerdeschrift erschöpft sich unter Vernachlässigung von Teilen belastender Zeugenaussagen (vgl. insbes. ON 12) sowie von erstgerichtlichen Erwägungen, die gegen die leugnende Verantwortung des Angeklagten und seines ihn in der Frage einer allfälligen Täterschaft des Robert K*** unterstützenden Freundes Frank Martin S*** sprechen, in dem Versuch, zu für den Beschwerdeführer günstigeren Schlußfolgerungen zu gelangen. Hiebei wird von Willibald S*** insbesonders übersehen, daß nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (vgl. Mayerhofer-Rieder II/2, § 281 Z 5, EGr. 145 ff). Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld lebensnah und schlüssig zugrundegelegten (entscheidenden) tatsächlichen Annahmen vermochte der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde jedenfalls nicht zu erwecken. Sie war daher zu verwerfen. Das angefochtene Urteil ist jedoch mit einer vom Angeklagten nicht geltend gemachten, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkenden und daher von Amts wegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wahrzunehmenden Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO behaftet:
Über Willibald S*** wurde auf Antrag des öffentlichen Anklägers auch zu seinem mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 28.Juni 1985, GZ 3 a Vr 1.662/85-9, wegen der Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (aF) und der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB ergangenen Schuldspruch (1/und 2/) gemäß den §§ 13 Abs. 2, 46 Abs. 4 JGG in Verbindung mit dem § 494 a Abs. 1 Z 3 StPO nachträglich die Strafe ausgesprochen.
Dieser Strafausspruch steht, soweit er eine Unrechtsfolge für das Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (aF) darstellt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Seit dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 am 1. März 1988 ist die Täuschung eines Beamten, die zur Schädigung eines staatlichen Hoheitsrechtes führt, nicht mehr gerichtlich strafbar (§ 108 Abs. 2 StGB nF). Wegen eines solchen aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen Deliktes darf daher im Fall einer noch vor dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 nach dem § 13 Abs. 1 JGG ausgesprochenen echten bedingten Verurteilung die Strafe nachträglich nicht festgesetzt werden (§ 1 StGB; vgl. ähnlich und grundsätzlich EvBl. 1979/210; nv 13 Os 193/78 ua). Dies hätte daher auch nicht für die dem Angeklagten als Vergehen nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (aF) zur Last gelegene Tat geschehen dürfen, durch die er am 27.März 1985 in Graz versucht hatte, "dem Staat in seinem Recht, nicht zum Verkehr zugelassene (Kraft-)Fahrzeuge und Lenker von Fahrzeugen, die nicht über die erforderliche Lenkerberechtigung verfügen, vom Verkehr auszuschließen, dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß er ein durch den Einbau eines 100 ccm-Satzes (Zylinders samt Vergasers) verändertes und nunmehr als Motorrad (§ 2 Z 15 KFG) geltendes Motorfahrrad (§ 2 Z 14 KFG) der Marke V*** 50 ... im öffentlichen Straßenverkehr benützte und auf diese Weise Straßenaufsichtsorgane mit Beziehung auf ihr Amtsgeschäft durch Täuschung über Tatsachen zur Unterlassung der Kontrolle des Fahrzeuges und dessen sofortigen Ausschlusses vom Straßenverkehr zu verleiten trachtete" (Punkt 1/ des Schuldspruches vom 28.Juni 1985).
Richtigerweise kann der nachträgliche Strafausspruch daher nur noch das Vergehen der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (Punkt 2/ des Schuldspruches vom 28.Juni 1985) erfassen, für welches die das angeführte Delikt der Täuschung betreffende Argumentation nicht in Betracht kommt; ist doch das Verbot, einen anderen der Gefahr der gerichtlichen Verfolgung auszusetzen, unverändert in Kraft.
Demnach war gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Strafausspruch aufzuheben und nach dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO eine Strafneubemessung vorzunehmen:
Sie hatte nicht nur das Willibald S*** zur Last liegende Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, sondern - wie dargelegt - auch die Festsetzung der Strafe zum im Strafbemessungsvorgang verbleibenden Schuldspruch des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 28.Juni 1985 wegen des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB zu umfassen, wobei überdies auf das in der Zwischenzeit ergangene Urteil des Jugendgerichtes Graz vom 21.November 1985, GZ 2 U 588/85-8 (Vergehen des unbefugten Gebrauches von Kraftfahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB; Freiheitsstrafe in der Dauer von einer Woche) gemäß den §§ 31, 40 StGB entsprechend Bedacht zu nehmen war.
Als erschwerend wertete der Oberste Gerichtshof hiebei lediglich das Zusammentreffen von zwei Vergehen, während die Unbescholtenheit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Verleumdung, sein Alter von erst 17 1/2 Jahren zur nunmehrigen Tatzeit, das volle Geständnis der Verleumdung, der Umstand, daß die Verleumdung beim Versuch blieb, und das Teilgeständnis der von ihm verübten (altersadäquaten) Tätlichkeiten als mildernd berücksichtigt wurden.
Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe war auf eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit auf eine Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen zu erkennen. Die Höhe des vom Schöffengericht mit 90 S festgesetzten Tagessatzes wurde - als den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers entsprechend - aus dem Ersturteil übernommen.
Die Nachsicht der gesamten bzw. eines Teiles der verhängten Geldstrafe (§§ 43 bzw. 43 a StGB) kam nicht in Frage, weil es in Anbetracht der Zahl und der Art der bisher begangenen Delikte nach Lage des Falles der Vollstreckung der gesamten Geldstrafe bedarf, um die Strafzwecke zu erreichen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Das Schöffengericht hat zugleich (§ 494 a Abs. 1 StPO) mit der Verurteilung des Angeklagten die bedingte Nachsicht der mit dem Urteil des Jugendgerichtes Graz vom 21.November 1985, GZ 2 U 588/85-8, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von einer Woche widerrufen.
Der dagegen von Willibald S*** erhobenen Beschwerde (§ 494 a Abs. 4 StPO) kommt Berechtigung zu, weil es nach der derzeitigen Aktenlage (vgl. die günstige Zukunftsprognose im Bericht des Jugendamtes des Magistrates Graz, S 83 des Vr-Aktes) nicht geboten erscheint, neben der nunmehr zu entrichtenden Geldstrafe - als den Angeklagten erstmals treffendes Strafübel - zusätzlich eine einwöchige Freiheitsstrafe zu vollziehen, um Willibald S*** von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs. 1 StGB). Vom Widerruf dieser Freiheitsstrafe war daher abzusehen (§ 494 a Abs. 1 Z 2 StPO).
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