Spruch:
Franz S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 17. April 2008 (ON 49b) wurde Franz S***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (I./1./ und I./2./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./1./), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./1./ und II./2./) und der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Jahren verurteilt. Sogleich nach Urteilsverkündung meldete der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (AS 236/II).
Inhaltlich des Schuldspruchs hat Franz S***** in Salzburg und andernorts
I./ mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternommen, und zwar
1./ in der Zeit von November/Dezember 2001 bis 25. Dezember 2002 mit dem am 26. Dezember 1988 geborenen Ulrich M*****, indem er einen Analverkehr und wiederholt Oralverkehr an diesem vorgenommen hat, sowie wiederholt Oralverkehr von diesem an sich hat vornehmen lassen, wobei die Taten schwere Auswirkungen - resultierend aus der länger dauernden Zwangslage mit Ängsten und Vermeidungsversuchen während der Phase der Übergriffe, den unmittelbaren Folgen und dem Wiederdurchmachen der Erlebnisse im Rahmen des Verfahrens und Therapien sowie durch zu erwartende Auswirkungen der durch die Tathandlungen gestörten psychosexuellen Entwicklung - auf die seelische Gesundheit von Ulrich M*****, sohin eine an sich schwere Körperverletzung zu Folge gehabt haben;
2./ in der Zeit von Sommer 2002 bis 30. April 2004 mit der am 1. Mai 1990 geborenen Irene M*****, indem er von dieser einen Oralverkehr an sich vornehmen hat lassen, wobei die Taten schwere Auswirkungen - resultierend aus der längerdauernden Zwangslage mit Ängsten und Vermeidungsversuchen während der Phase der Übergriffe, den unmittelbaren Folgen, wie beispielsweise der posttraumatischen Belastungsstörung der Irene M***** und dem Wiederdurchmachen der Erlebnisse im Rahmen des Verfahrens und bei Therapien sowie durch zu erwartende Auswirkungen der durch die Tathandlung gestörten psychosexuellen Entwicklung - auf die seelische Gesundheit Irene M*****s, sohin eine an sich schwere Körperverletzung zur Folge gehabt haben;
II./ geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, und zwar
1./ in dem unter I./1./ angeführten Zeitraum mit Ulrich M***** durch Betasten von dessen Geschlechtsteil über der Kleidung;
2./ in dem unter I./2./ angeführten Zeitraum mit Irene M***** durch wiederholtes Betasten an den Brüsten und am Geschlechtsteil unter der Kleidung;
III./ in der Zeit von November/Dezember 2001 bis Ende 2004 Ulrich M***** und Irene M***** wiederholt durch die Äußerung, wenn sie ihrer Mutter etwas erzählen würden, würde er sie schlagen, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme davon, ihrer Mutter von seinen sexuellen Übergriffen zu erzählen, genötigt.
Mit dem angefochtenen, am 8. Mai 2008 persönlich vom Verteidiger übernommenen (AS 308/II) Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz einer Beschwerde des Franz S***** gegen die am Tag nach der Urteilsverkündung vorgenommene Verhängung der Untersuchungshaft keine Folge und setzte diese aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO fort.
Rechtliche Beurteilung
Der - fristgerechten - Grundrechtsbeschwerde, die wider die Fluchtgefahr mit der bislang an den Tag gelegten Kooperativität des Angeklagten argumentiert und die Annahme der Tatbegehungsgefahr als willkürlich bezeichnet, kommt Berechtigung nicht zu. Die Beschwerde räumt zutreffend ein, dass im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens in Betreff der Sachverhaltsannahmen für die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts von denjenigen des - wenngleich angefochtenen - Urteils auszugehen ist und die rechtliche Annahme der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren vom Obersten Gerichtshof nur dahin überprüft werden kann, ob sie aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0118185 und RS0117806). Denn § 173 Abs 2 StPO verlangt nur, dass die angezogenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen, kennt als Vergleichsbasis des Willkürverbots mithin nur die in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen. Solche können sowohl äußere als auch innere Umstände - wie Charaktereigenschaften und Wesenszüge - sein, die sich aus dem aktuellen Einzelfall ergeben müssen und nicht bloß allgemeine Erfahrungstatsachen darstellen dürfen (Kirchbacher/Rami WK-StPO § 180 [aF] Rz 28).
Die vom Oberlandesgericht ins Treffen geführte Verhängung einer Freiheitsstrafe im erheblichen Ausmaß von zwölf Jahren im Zusammenhalt mit der Tatsache, dass der die Anklagevorwürfe bestreitende, sohin einen Freispruch anstrebende Franz S***** während eines früheren Strafvollzugs wegen einschlägiger Delinquenz Repressalien von Mitgefangenen ausgesetzt war und ihm die Verkündung des Urteils erstmals realistisch und deutlich das demnächst bevorstehende Strafübel, aber auch die von ihm befürchtete (AS 103/II) Trennung von seinem deutlich älteren Lebensgefährten vor Augen geführt hat, lassen einen formal einwandfreien Schluss auf das Vorliegen von Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO zu. Da bereits dieser Haftgrund die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigt, bedürfen die in der Beschwerde angestellten Erwägungen zu dem darüber hinaus angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr keiner Erörterung (RIS-Justiz RS0061196).
Die Grundrechtsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu abgegebenen Äußerung (§ 24 StPO) des Angeklagten - ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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