OGH 11Os80/16y

OGH11Os80/16y13.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zlatan A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mario M***** sowie die Berufungen der Angeklagten Zlatan A***** und Danijel A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Juni 2016, GZ 31 Hv 42/16w‑58a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00080.16Y.0913.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Mario M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Mario M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, teils weggenommen, teils dies versucht, und zwar

(A) am 15. März 2016 in einverständlichem Zusammenwirken mit Zlatan und Danijel A***** einem „Danny“ 15 Gramm Heroin mit Gewalt gegen dessen Person, indem er diesen festhielt, während die Mittäter dem Opfer Faustschläge und Fußtritte versetzten;

(B) am 4. November 2015 ein Paar Schuhe Gewahrsamsträgern des Unternehmens S*****, wobei die Tatvollendung infolge seiner Betretung unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten.

Soweit sich die Beschwerde – mangels ausdrücklicher Einschränkung ihrer Anfechtungserklärung – auch gegen den Schuldspruch B richtet, war mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) auf sie keine Rücksicht zu nehmen.

Entgegen dem Vorwurf der „Unbegründetheit“ (Z 5 vierter Fall) stützte das Erstgericht seine den Schuldspruch A tragenden Feststellungen (US 5 f) willkürfrei auf die – den Beschwerdeführer in diesem Sinn belastenden –geständigen Einlassungen beider Mitangeklagter in deren polizeilichen Vernehmungen sowie des Danijel A***** in der Hauptverhandlung (US 7 f). Die leugnende Verantwortung des Nichtigkeitswerbers und diesen – abweichend von ihren übrigen Aussagen – zum Teil entlastende Angaben der Mitangeklagten in der Hauptverhandlung hat es dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend erörtert (Z 5 zweiter Fall), jedoch als unglaubwürdig verworfen (US 8 f).

Indem die Beschwerde – diese Urteilserwägungen gänzlich missachtend – das Beweisergebnis einer eigenständigen Wertung unterzieht sowie die (von den Tatrichtern bejahte) Glaubhaftigkeit der den Rechtsmittelwerber belastenden Angaben der Mitangeklagten bezweifelt und daraus ihrem Standpunkt günstigere Schlüsse ableitet, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Damit wird Nichtigkeit weder aus Z 5 noch aus Z 5a prozessförmig aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0119370, RS0118780 [T1], RS0106588 [T9]).

Mit dem Vorbringen, eine Feststellung sei „aktenwidrig“, weil ihr bestimmte Beweisergebnisse entgegenstünden, wird der Nichtigkeitsgrund (Z 5 letzter Fall) nur nominell angesprochen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468).

Sinnfällig kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen den Urteilsannahmen zum vorgefassten Tatplan der Angeklagten (US 5 f) und dem Feststellungssubstrat, wonach es zur Gewaltanwendung erst zu einem Zeitpunkt (tatsächlich) kam, als das Opfer dem Beschwerdeführer bereits 15 Gramm Heroin ausgehändigt hatte (US 6).

Den tatrichterlichen Feststellungen zufolge fassten die Angeklagten gemeinsam den Entschluss, einen Suchtgifthändler namens „Danny“ zu einem „fingierten Suchtmittelgeschäft“ zu locken und ihm dabei „15 Gramm und falls vorhanden noch weiteres Heroin“ „gewaltsam wegzunehmen“, wobei sie „bei entsprechender Gegenwehr gesteigerte Gewalt miteinkalkulierten“. In Umsetzung dieses Tatplans wies M***** dem Genannten, als sich dieser vereinbarungsgemäß mit den Angeklagten traf, zunächst 420 Euro in bar vor. „Danny“ übergab ihm daraufhin 15 Gramm Heroin und forderte dafür das Bargeld als Bezahlung. Die Mitangeklagten aber schlugen und traten sofort auf das Opfer ein, während M***** – der dabei mit auf unrechtmäßige Bereicherung und gewaltsame Wegnahme von „zumindestens 15 Gramm Heroin“ gerichteter Intention handelte – es festhielt, um es nach weiterem Heroin zu durchsuchen. Letzteres misslang jedoch aufgrund der heftigen Gegenwehr und anschließenden Flucht des Opfers (US 5 f).

Weshalb zur rechtsrichtigen Beurteilung darüber hinaus Konstatierungen zur Frage erforderlich sein sollten, ob „der Dealer dem Angeklagten unbekannt war“, legt die Beschwerde (nominell Z 5, inhaltlich als Rechtsrüge) nicht dar, ebenso wenig, welche konkreten weiteren „wesentlichen Feststellungen“ sie vermisst (siehe aber RIS‑Justiz RS0118342).

Mit auf eigenständig beweiswürdigenden Spekulationen abseits des Urteilssachverhalts beruhenden Auffassungen verfehlt das nominell aus Z 10 (intendiert aber wohl Z 9 lit a: „wäre […] freizusprechen gewesen“) erstattete Rechtsmittelvorbringen insgesamt den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584). Die (zentrale) Beschwerdebehauptung, es habe sich das Heroin, welches „der Dealer“ „freiwillig übergeben“ gehabt habe, „nicht mehr in seinem Machtbereich befunden“, als es „zur Gewaltanwendung kam“, wird weder auf Basis der Urteilskonstatierungen entwickelt (siehe aber RIS-Justiz RS0099810) noch nach Maßgabe geordneter Gedankenführung aus dem Gesetz abgeleitet (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

Hinzugefügt sei, dass – ausgehend vom festgestellten Sachverhalt (US 5 f) – nicht schon die (mit der Forderung nach sofortiger Bezahlung des Kaufpreises verbundene) Übergabe des Suchtgifts, sondern erst die (nachfolgende, jedoch von vornherein als Mittel zum Zweck der Sachwegnahme vom Tätervorsatz erfasste) Gewaltanwendung den Gewahrsamsverlust des Opfers bewirkte (RIS-Justiz RS0093769, RS0124007, RS0093767; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 9 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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