OGH 11Os78/86

OGH11Os78/8624.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juni 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas Georg W*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (2. Fall) StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 28. Februar 1986, GZ 19 Vr 2.837/85-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Thomas Georg W*** und des Verteidigers Dr. Jahn zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch zu den Punkten 1 und 2 des Urteilssatzes) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 3 des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird gemäß dem § 351 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Thomas Georg W*** ist ferner schuldig, am 28.September 1985 in Salzburg dadurch, daß er mit einer original verschlossenen, halb gefüllten 0,3 l Bierflasche, welche er am Flaschenhals ergriffen hatte, zum Schlag gegen Dietmar T*** ausholte und mehrmals äußerte: "Das ist ernst, das ist ein Überfall, Alter; es ist ernst, das ganze Geld, aber schnell; ich schlag dir die Flasche über den Schädel, schnell alles her", sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe, Dietmar T*** eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von ca 2.500 S und 10 DM, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich unrechtmäßig zu bereichern.

Er hat hiedurch das Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (zweiter Fall) StGB begangen und wird hiefür und für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach den §§ 287 Abs. 1 (125; 127 Abs. 1, 129 Z 1) StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Straferkenntnis des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22. April 1986, AZ 27 U 789/86 sowie unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 2 StGB wird die verhängte Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß dem § 38 StGB wird dem Angeklagten die Vorhaft vom 7. September 1985, 5,00 Uhr, bis 7.September 1985, 17,00 Uhr, und vom 28. September 1985, 17,20 Uhr, bis zum 28.Februar 1986, 13,15 Uhr, auf die Strafe angerechnet.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Februar 1965 geborene Speditionsangestellte Thomas Georg W*** auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen neben anderen strafbaren Handlungen (§ 287 Abs. 1 StGB) des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Die Geschwornen hatten die in dieser Beziehung an sie gerichtete Hauptfrage III, ob der Angeklagte schuldig sei, am 28.September 1985 dadurch, daß er mit einer original verschlossenen, halb gefüllten 0,3 Liter-Bierflasche, welche er am Flaschenhals ergriffen hatte, zum Schlag gegen den (Tankstellenpächter) Dietmar T*** ausholte und mehrmals äußerte:

"Das ist ernst, das ist ein Überfall, Alter; es ist ernst, das ganze Geld, aber schnell; ich schlag dir die Flasche über den Schädel, schnell alles her", sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89), Dietmar T*** eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von ca 2.500 S und 10 DM mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte, einstimmig mit der Einschränkung bejaht: "aber ohne Verwendung einer Waffe im Sinn des § 143 StGB".

Die solcherart im Wahrspruch und demzufolge auch im Urteil liegende Verneinung der Qualifikation des Raubes nach dem zweiten Fall des § 143 StGB bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes bezeichnet die Staatsanwaltschft die Rechtsbelehrung als unrichtig, weil sie den erweiterten Waffenbegriff des § 143 StGB nicht genügend klargestellt und in den Geschwornen die unrichtige Vorstellung erweckt habe, Waffen seien nur Gegenstände, die "wesensmäßig" zum Gebrauch als Waffen bestimmt sind. Auch der (unvollständig gebliebene) Satz, Waffe sei ein "zum Angriff spezifisch geeignetes Instrument", gebe Anlaß zu Unklarheiten. Es hätte auch klargestellt werden müssen, daß die Waffe nicht "mörderisch" zu sein braucht. Der Rüge ist jedoch entgegenzuhalten, daß sich der Hinweis in der Rechtsbelehrung auf wesensmäßig zum Gebrauch als Waffe bestimmte Gegenstände ersichtlich nur auf Waffen im technischen Sinn bezieht und daß den Geschwornen mit den folgenden

Ausführungen - insbesondere durch die Erläuterung, es komme nicht auf die spezifische Bestimmung zum Kampfmittel, sondern auf die bezügliche Eignung und Gleichwertigkeit mit Waffen im technischen Sinn an - sowie durch die Anführung mehrerer zutreffender Beispiele aus der Judikatur ohnedies (auch) klargemacht wurde, daß nicht nur Waffen im technischen Sinn, sondern auch andere Gegenstände dem Waffenbegriff des § 143 StGB unterfallen (vgl S 18 und 39 der Rechtsbelehrung).

In der Subsumtionsrüge (§ 345 Abs. 1 Z 12) bekämpft die Staatsanwaltschaft die mangelnde Unterstellung der Raubtat (Punkt 3./ des Schuldspruchs) auch unter die Qualifikation des § 143, zweiter Fall, StGB. Damit ist sie im Recht:

Die Rechtsprechung zu § 143 StGB vertritt ungeachtet der von dieser Gesetzesstelle abweichenden Formulierung in den §§ 109 Abs. 3 Z 2 und 129 Z 4 StGB, woselbst den Waffen (im technischen Sinn) andere Mittel, die geeignet sind, den Widerstand einer Person zu überwinden und zu verhindern, gegenübergestellt werden, einen erweiterten Waffenbegriff, der in ihrer Verwendung einer Waffe im technischen Sinn gleichwertige Gegenstände einbezieht, nicht allerdings solche Gegenstände, die bloß schlechthin die Qualität eines anderen Mittels im Sinn des § 109 Abs. 3 Z 2, 129 Z 4 StGB (wie zB Fesseln, Betäubungspillen etc) haben, aber eben nicht in Art einer Waffe eingesetzt werden (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 10 mit abweichender eigener Meinung in RN 9; Kienapfel, BT II, RN 20 f; Zipf im WK, Rz 15 f, zu § 143 und die dort jeweils zitierte Judikatur). Nach dieser in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung ist auch eine Bierflasche, mag sie leer, voll oder halbvoll sein, als Waffe anzusehen; denn sie ist einer solchen (etwa einer Keule) als Mittel des Zuschlagens in Anwendung und Wirkungsweise gleichwertig, mag sie auch zur Zufügung tödlicher Verletzungen (vgl die Äußerung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen in S 216) nicht geeignet sein. Darauf kommt es aber selbst bei Waffen im technischen Sinn (man denke etwa an eine Gaspistole) nicht an. Der von Bertel in Anlehnung an § 192 StG vertretenen Auffassung, die Waffe im Sinn des § 143 StGB müsse "mörderisch" sein (StPdG VII, 44 ff) kann angesichts des geänderten Wortlautes des § 143 StGB nicht gefolgt werden.

Durch den Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage III sind die der Entscheidung zugrundezulegenden Tatsachen, nämlich - soweit hier relevant - die drohende Erhebung einer halb gefüllten Bierflasche gegen das Raubopfer, festgestellt. Mit dem oben zitierten einschränkenden Zusatz trafen die Geschwornen unzweifelhaft keine (negative) Tatsachenfeststellung. Sie verliehen bloß - wie sich bereits aus der bezüglichen Formulierung: "ohne Verwendung einer Waffe im Sinne des § 143 StGB" selbst ergibt (vgl hiezu auch die Niederschrift der Geschwornen) - nur ihrer (unrichtigen) Rechtsansicht Ausdruck, daß die (vom Angeklagten verwendete) Bierflasche nicht dem Waffenbegriff des § 143 StGB unterfalle. Der Oberste Gerichtshof ist daher ungeachtet der von den Geschwornen geäußerten - unbeachtlichen - Rechtsansicht auf Grund der im Wahrspruch festgestellten Tatsachen in der Lage, gemäß dem § 351 StPO sogleich in der Sache selbst zu erkennen und hiebei in rechtlicher Beurteilung des im Wahrspruch konstatierten Sachverhalts das Vorliegen der in Rede stehenden Qualifikation des § 143 StGB (Verwendung einer Waffe) zu bejahen (vgl Melnizky, Fragestellung und Rechtsbelehrung JBl 1973, S 350).

Bei der demgemäß vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe, als mildernd das reumütige Geständnis, die Schadensgutmachung und das Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit. Da die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände nach Zahl und Bedeutung beträchtlich überwiegen und begründete Aussicht besteht, daß der Angeklagte auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren Straftaten begehen werde, konnte - unter Anwendung des § 41 StGB und unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das im Spruch näher bezeichnete Straferkenntnis - mit der Verhängung einer zweijährigen Zusatz-Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden. Im Hinblick auf den Umstand, daß der Angeklagte in dieser Sache bereits fünf Monate in Untersuchungshaft verbrachte, sich nunmehr - wie dem Bericht des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 23.Juni 1986 zu entnehmen ist - im Rahmen der vom Erstgericht gemäß den §§ 50, 51 StGB erteilten Weisung (die von der teilweisen Urteilsaufhebung unberührt bleibt) in psychotherapeutischer Betreuung befindet, wobei im Hinblick auf seine Kooperationsbereitschaft die Prognose als durchaus zuversichtlich und vielversprechend beurteilt wird, liegen auch die qualifizierten Voraussetzungen für eine bedingte Strafnachsicht nach dem § 43 Abs. 2 StGB vor.

Mithin war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, wobei die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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