OGH 11Os78/11x

OGH11Os78/11x14.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Einwagner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Etienne F***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 20. Jänner 2011, GZ 35 Hv 98/10x-96, weiters über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 3 bis 6, demgemäß in der Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und in den Privatbeteiligtenzusprüchen zu den Fakten 3, 5 und 6 sowie im Strafausspruch, weiters der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit ihren die aufgehobenen Entscheidungsteile betreffenden Rechtsmitteln werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassationen verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen 1 und 2 werden vom Erstgericht dem Oberlandesgericht Innsbruck Aktenkopien zuzumitteln sein.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von einem gleichartigen Anklagevorwurf enthält - wurde Etienne F***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit bislang unbekannten Mittätern mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, Verfügungsberechtigte nachgenannter Autovermietungs- unternehmen durch die Behauptung, die angemieteten Fahrzeuge nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer wieder zurückzustellen, obwohl die Fahrzeuge in Wirklichkeit in das Ausland verbracht und nicht mehr zurückgebracht wurden, sohin durch Täuschung über Tatsachen sowie zu 1, 2, 3 und 6 unter Verwendung falscher Urkunden, nämlich Totalfälschungen italienischer Personalausweise und Führerscheine, lautend auf die Aliasdatensätze „Alessandro M*****“ und „Maurizio Fa*****“ zur Übergabe nachgenannter Fahrzeuge, mithin zu Handlungen verleitet, die die Unternehmen in einem jeweils 3.000 Euro und insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigten, und zwar

1. am 4. Juni 2009 in Innsbruck Verfügungsberechtigte der „C***** GmbH“ zur Ausfolgung des LKW „Mercedes Sprinter“ mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 39.800 Euro;

2. am 8. Juni 2009 in Fürnitz Verfügungsberechtigte der „S***** GmbH“ zur Ausfolgung des LKW „Iveco Daily“ mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 38.500 Euro;

3. am 19. Juni 2009 in Oberalm Peter G***** zur Ausfolgung des PKW „Smart“ mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 5.000 Euro;

4. am 27. Juni 2009 in Wels Verfügungsberechtigte der „C***** GmbH“ zur Ausfolgung des LKW „Mercedes Sprinter“ mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 42.000 Euro;

5. am 1. Juli 2009 in Wien Franz W***** zur Ausfolgung des LKW „VW Transporter“ mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 26.000 Euro;

6. am 7. Juli 2009 in Wien Verfügungsberechtigte von „O*****“ zur Ausfolgung des PKW „Opel Corsa“ mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 17.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO.

Aus deren Anlass musste sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, dass das angefochtene Urteil in den Schuldsprüchen 3 bis 6 an ungerügt gebliebenen, somit von Amts wegen wahrzunehmenden Rechtsfehlern mangels Feststellungen leidet (§§ 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO):

Während die Tatrichter nämlich zu den Schuldsprüchen 1 und 2 konkrete Täuschungshandlungen des Angeklagten feststellten (US 7, 8: fernmündliche Bestellung der Fahrzeuge), fehlen zur Subsumtion taugliche Annahmen für die restlichen Fakten (US 8 bis 10). Das „Bekanntgeben einer Telefonnummer des Angeklagten als Kontaktnummer“ und Anrufe von diesem Anschluss „wegen der Anmietung“ (Faktum 3 - US 8) und das telefonische „Kontaktaufnehmen“ durch den Angeklagten (Fakten 4 bis 6 - US 9, 10 und 13) lässt kein tatbestandsmäßiges Verhalten des Rechtsmittelwerbers erkennen, selbst wenn man den Urteilsspruch (US 2, 3 - der allerdings Konstatierungen nur zu verdeutlichen, nicht aber zu ersetzen vermag, vgl etwa RIS-Justiz RS0099791), den in seiner Aussage unklar bleibenden vorletzten Satz in US 12, die Annahmen, dass der Angeklagte „Fahrzeuge abholen ließ“ (US 13 f - worauf sich keine Täterschaft nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB stützen lässt), und die disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 15) heranzieht.

Im dargelegten Umfang war daher wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen (§ 285e StPO). Im zweiten Rechtsgang wird die wegen der Teilaufhebungen aufzulösende Subsumtionseinheit nach § 29 StGB - mit oder ohne diese Fakten - neu zu bilden sein (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 10; RIS-Justiz RS0116734). Zur festgestellten (US 6) Nachverurteilung durch ein ungarisches Gericht sei auf § 31 Abs 1, Abs 2 StGB verwiesen.

Im Umfang der Aufhebung war der Angeklagte, ohne dass auf das betreffende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen war, auf diese zu verweisen.

Soweit durch die Beschwerde die Schuldsprüche 1 und 2 tangiert sind, ist dem Nichtigkeitswerber zu entgegnen:

Ob die Verbringung der Fahrzeuge ins Ausland von Anfang an geplant war (US 12), betrifft der Mängelrüge (Z 5) entgegen keine entscheidende Tatsache. Die gegen die erstgerichtlichen Erwägungen US 14 gerichtete Behauptung, „das Auffinden des Mobiltelefons beim Angeklagten lässt jedenfalls nicht automatisch den Schluss zu, dass dieser (sechs Monate zuvor) auch die entscheidungsrelevanten Telefonate geführt habe“, verbunden mit Spekulationen über mögliche andere Anrufer von diesem Telefon aus, ist nicht das Aufzeigen eines formellen Begründungsmangels, sondern Beweiswürdigungskritik nach Art einer nur im Einzelrichterprozess normierten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Eine „lebensnahe Gesamtbetrachtung“ ist ein grundsätzlich formell unbedenklicher Ausdruck für einen Aspekt freier Beweiswürdigung im Sinne von § 258 Abs 2 StPO (Fabrizy, StPO10 § 258 Rz 5; hier im Zusammenhang mit der Einlassung des Angeklagten, SIM-Karten weggeworfen zu haben).

Indem aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nur das angebliche Fehlen aktenkundiger Verfahrensergebnisse für die Schuld des Angeklagten, nicht aber gegen dessen Schuld sprechende Tatumstände releviert werden (hier: kein Beweisergebnis, dass der Angeklagte das als Anknüpfung für seine Überführung dienende Mobiltelefon bereits im Sommer 2009 besessen und damit die entscheidungsrelevanten Telefongespräche geführt hätte), gelangt die Tatsachenrüge nicht zu prozessförmiger Darstellung (11 Os 127/09z ua).

Im Umfang der Bekämpfung der Schuldsprüche 1 und 2 war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen gegen den Strafausspruch waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf dessen Kassation zu verweisen, der Angeklagte zudem mit seiner Beschwerde auf die Aufhebung des Widerrufsbeschlusses.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit den nunmehr rechtskräftigen Schuldsprüchen 1 und 2 (zu deren Zulässigkeit vgl RIS-Justiz RS0115811) wird das Erstgericht - zur Beschleunigung des Verfahrens in der Haftsache - dem Oberlandesgericht Innsbruck entsprechende Aktenkopien zu übermitteln haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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