European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00073.14S.0826.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./) und des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er nachts zum 1. November 2013 in Wien
A./ Alexandra W***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er ihr eine Gaspistole an den Hinterkopf setzte, sie mit dem Umbringen bedrohte, sie mit Klebeband an Armen und Beinen fesselte und in der Folge mehrfach anal in sie eindrang;
B./ Alexandra W***** durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte, indem er eine Gaspistole gegen sie richtete und von ihr die Übergabe von unmittelbar davor beim Bankomaten behobenen Geldbeträgen in der Höhe von 2.760 Euro und 500 Euro verlangte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO.
Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung (ON 55 S 77/PS 38) beantragt: „Zum Beweis dafür, dass W***** während den behaupteten Tathandlungen zwischen 31. 10. 2013 und 1. 11. 2013 Kontakt mit der Außenwelt hatte und somit leicht die Polizei hätte verständigen können, Auswertung sämtlicher Kommunikationsdaten (E‑Mail, SMS) des Firmenblackberrys der Frau W***** im Zeitraum 31. 10. 2013, circa 23:00 Uhr bis 1. 11. 2013 circa 01:00 Uhr Früh. Zur Relevanz: Das Opfer behauptet, stundenlang in der Gewalt eines Verbrechers gewesen zu sein und keine Möglichkeit gehabt zu haben, Hilfe in Form der Polizei herbeizuholen. Tatsächlich war es so, dass auf dem besagten Blackberry eine Nachricht in dem Zeitraum eingelangt ist und das Opfer das Handy ergriff und in einem Zeitraum von ein bis zwei Minuten eine Antwort/Mitteilung in ihr Handy eingab und an die Außenwelt verschickte. Da es jeglicher Verbrechensrationalität widerspricht, ein Opfer unkontrolliert mit der Außenwelt in Kontakt treten zu lassen, ist das beantragte Beweismittel geeignet, die Glaubwürdigkeit des Opfers massiv zu erschüttern. Zur Beweistauglichkeit wird ausgeführt, dass es technisch ohne weiteres möglich ist, diese kurz zurückliegende Kommunikation nachträglich wieder herzustellen beziehungsweise zu überprüfen.“
Die Abweisung dieses Antrags (ON 55 S 79/PS 39; US 16) verletzt keinerlei Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers, der aufbauend auf einer Spekulation („tatsächlich war es so ...“) bar jeglichen (auch nur behaupteten) Verfahrensbezugs eine reine Erkundungsbeweisführung anstrebte, ohne konkrete Relationen zu entscheidenden Tatsachen herzustellen.
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert mehrfach Unvollständigkeit des Ersturteils mangels Erörterung im einzelnen angeführter Beweisergebnisse, die angeblich die Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten, es habe sich um eine „gestellte“ Vergewaltigung (über Wunsch der Frau) gehandelt, bestätigten.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider haben die Tatrichter ein Lösen der Fesseln über Bitten des Opfers ausdrücklich angenommen (US 7).
Dem Rechtsmittelstandpunkt entgegen handelte es sich fallbezogen um kein erhebliches (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421; 11 Os 116/04 EvBl 2005/81, 356 mwN) ‑ und somit zur Erreichung voller Bestimmtheit im Sinne von § 270 Abs 2 Z 5 StPO (11 Os 41/05x ua) gesondert erörterungs-bedürftiges ‑ Verfahrensergebnis, dass die Tathandlungen über fünf Stunden dauerten.
Dem weiteren Vorbringen zu einzelnen Aspekten des Tatgeschehens ‑ das im Übrigen den Bezug auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe, in denen das Erstgericht von einer mehrstündigen Aufrechterhaltung eines Bedrohungsszenarios mit punktuellen Lockerungen (US 6 ff, 14) ausging, vermissen lässt (RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394) ‑ fehlt die Nennung der Fundstellen der angeblich zu Unrecht nicht erörterten Beweisergebnisse (RIS‑Justiz RS0124172; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 303) und somit die Anknüpfung für eine meritorische Erwiderung.
Der weiters geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs‑ und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt ‑ wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt dem aus einer Mehrzahl von Richtern bestehenden Spruchkörper erster Instanz vorbehalten, der unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheidet. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit ‑ wie in Erledigung einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ‑ sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS‑Justiz RS0118780, RS0119583).
Als Aufklärungsrüge („völlig ununtersucht ist der Umstand geblieben ...“) geht der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO dem der Z 4 leg cit nach: Wird behauptet, das Erstgericht habe seine Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung vernachlässigt, muss die Rüge deutlich machen, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (RIS‑Justiz RS0114036, RS0115823; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 480) ‑ eine solche Darlegung lässt der Beschwerdeführer vermissen.
Die durch persönlichen Eindruck gewonnene Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person ist mit Tatsachenrüge nicht bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0099649).
Auf dieser Grundlage vermögen einzelne Aussagen des Zeugen R***** (der das Opfer als Mitarbeiter des Angeklagten kennenlernte ‑ US 5, 13, 15) ‑ bei denen überdies neuerlich das Zitat der Fundstellen in den Akten fehlt (RIS‑Justiz RS0117446; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 487) ‑ und des Angeklagten im Sinne seiner Verantwortung einer „gestellten“ Vergewaltigung sowie darauf aufbauende Spekulationen zu „Vergewaltigungsphantasien“ des Opfers und Plausibilitätserwägungen zum Verhalten der Frau in der konkreten Situation, die Länge des Gesamtgeschehens, die genauen Umstände der Geldübergaben, das Fehlen weiterer Beute und das Zurückgeben der Wohnungsschlüssel nach Beendigung der Delinquenz (US 8) ‑ soweit nicht der Bereich statthaften Vorbringens überhaupt verlassen wird ‑ beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die die Schuldsprüche tragenden Feststellungen zu erwecken.
Die Beurteilung einer „nicht brutalen“ Vergewaltigung durch das Opfer bezog sich im Übrigen ‑ dem schönfärbenden Beschwerdevorbringen entgegen ‑ lediglich auf den Penetrationsakt als solchen (den der Angeklagte ‑ notorisch auch für sich ‑ durch Verwendung einer Gleitcreme erleichterte) ‑ „alles andere“ erlebte die Frau gar wohl als brutal (ON 24 S 11).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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