Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Andrea T***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil sie am 10. Juni 2006 in K****ufstein ihren 22 Monate alten Sohn Nicolas T***** vorsätzlich getötet hatte, indem sie ihm mit zwei Küchenmessern (Klingenlänge 20 cm und 10 cm) über 20 Stich- und Schnittwunden am Brustkorb und im Bauchbereich zufügte. Die Geschworenen hatten die anklagekonform nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gestellte Hauptfrage bejaht, die nach Zurechnungsunfähigkeit gerichtete Zusatzfrage verneint und demgemäß die Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB (sowie die auch dazu gestellte Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit) unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf Z 1, 5 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; diese geht fehl.
Der Besetzungsrüge (Z 1) zuwider hat die (ersatzweise) Beiziehung der Richterin Dr. Barbara P***** als Mitglied des Schwurgerichtshofes der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Innsbruck entsprochen. Nach der Aktenlage (ON 58, 85 sowie der gemäß §§ 285 f, 344 StPO eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes) waren die nach der Geschäftsverteilung als Mitglied vorgesehene Richterin Mag. P***** ebenso wie der in der Reihung der Ersatzmitglieder erstbezeichnete Leiter der Gerichtsabteilung 31, Richter Mag. S*****, und der in der Geschäftsverteilung als zweitgereihtes Ersatzmitglied vorgesehene Leiter der Gerichtsabteilung 34, Richter Mag. P*****, verhindert. Die Beiziehung der in der Geschäftsverteilung drittgereihten Leiterin der Gerichtsabteilung 38, Richterin Dr. Barbara P*****, als Mitglied des Schwurgerichtshofes ist daher mit der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Innsbruck im Einklang gestanden.
Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung der Anträge (S 15/IV iVm ON 70) auf Vernehmung der Zeugen
- Christina S***** zum Beweis dafür, dass „die Angeklagte massiv darunter litt, dass ihr Ehegatte Heinrich T***** exzessiv dem Alkohol zusprach, sie auch deswegen eine Therapie machen musste, bereits 5 kg abgemagert hat und dieser Zustand eingetreten war, bevor sie Herrn Christian P***** kennengelernt hat, sowie darüber, dass die Zeugin auch Wahrnehmungen über Depressionen der Angeklagten sowie auch darüber machte, dass sie eine äußert fürsorgliche Mutter war, welche ihr Kind liebte",
- Matthias K***** zum Nachweis, dass „Heinrich T***** gegenüber der Angeklagten derartigen psychischen Druck ausübte, dass diese sich in der Nacht aus Angst vor ihrem Ehegatten in der Tiefgarage versteckte", und
- Roland G***** zum Beweis dafür, dass „Heinrich T***** die Angeklagte bereits zu einem Zeitpunkt überwachen ließ, zu welchem lediglich eine lose Beziehung zwischen ihnen beiden bestanden hat und kein gemeinsames Kind vorhanden war, sodass aus dem Verhalten des Heinrich T***** bereits zu diesem Zeitpunkt ersichtlich ist, welch massivem Druck [die Angeklagte] durch die Überwachungsmaßnahmen des Heinrich T***** ohne Bezug auf das Kind ausgesetzt war", Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht beeinträchtigt. Die in Rede stehenden Beweisanträge zielten ersichtlich auf den Nachweis einer im Verhalten des Ehegatten der Angeklagten Heinrich T***** gelegenen Tatsachengrundlage für die zur Verwirklichung des Privilegierungstatbestandes des § 76 StGB erforderliche Affektbeurteilung als allgemein begreiflich ab. Die nach § 76 StGB privilegierende allgemeine Begreiflichkeit einer tataktuellen heftigen Gemütsbewegung stellt nicht auf die Tat als solche, sondern auf die Gemütsbewegung ab, somit auf das Verhältnis zwischen dem Anlass und dem Ausnahmezustand. Es muss für einen Menschen von durchschnittlicher Rechtstreue vorstellbar sein, unter den gegebenen Umständen in eine solche Gemütsbewegung zu geraten. Dabei unterliegt die konkrete Gemütsbewegung des Täters in ihrer gesamten Dimension, also auch einschließlich ihrer Eignung, zu einer Spontanreaktion hinzureißen und eine Aggression in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, einer rechtsethischen Bewertung und muss allgemein verständlich sein. Besteht solcherart aber zwischen dem Affektanlass und der Person des Opfers kein psychologisch und ethisch allgemein begreiflicher Zusammenhang, so liegt die allgemeine Begreiflichkeit
der zur Tötung hinreißenden Gemütsbewegung nicht vor (14 Os 197/95 =
EvBl 1996/131 = RZ 1997/25). Ein damit erforderlicher allgemein
rechtsethisch verständlicher Konnex zwischen dem behaupteten, partnerschaftlichen Konfliktverhalten des Ehegatten der Angeklagten und dem von der Tötungshandlung betroffenen gemeinsamen Kind liegt bei der vorliegend inkriminierten Tatkonstellation schon an sich nicht vor. Die in Rede stehenden Beweisthemen betrafen daher keine entscheidenden Tatsachen, sodass die Beweisanträge sanktionslos abgewiesen werden konnten.
Der weiteren aus Z 5 erhobenen Rüge zuwider wurden auch durch die Abweisung (S 499/III) des Antrages auf „Einholung eines gerichtspsychologischen sowie eines weiteren psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Angeklagte zum Tatzeitpunkt an einer Beeinträchtigung hinsichtlich einer gleichwertigen Krankheit im Sinne des § 11 StGB sowie an einer tiefgreifenden Bewusstseinstörung gelitten hat bzw auch eine allenfalls paranoide Schizophrenie vorgelegen hat" (S 491/III), Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht beeinträchtigt.
Nach Erstattung eines Sachverständigengutachtens kommt die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen generell nur dann in Betracht, wenn der aufgenommene Befund dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen ist (§ 125 StPO) oder wenn sich solche Widersprüche oder Mängel im Bezug auf das Gutachten ergeben oder dieses Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind (§ 126 StPO), und ein Verbesserungsversuch durch nochmalige Vernehmung des bereits beigezogenen Sachverständigen keine Aufklärung bringt. Ein aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hinsichtlich eines bereits durchgeführten Sachverständigenbeweises steht dem Beschwerdeführer demnach nur dann zu, wenn er in der Lage ist, einen in §§ 125 f StPO angeführten Befund- oder Gutachtensmangel aufzuzeigen und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist (RIS-Justiz RS0117263). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil der gerichtspsychiatrische Sachverständige den vermeintlichen Widerspruch hinsichtlich der Durchführung einer zum Zwecke des Ausschlusses einer zum Tatzeitpunkt vorgelegenen paranoiden Schizophrenie der Angeklagten indizierten Verlaufsbeobachtung - von der Beschwerde übergangen - in seiner ergänzenden Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 5. April 2007 (S 11 f/IV) restlos aufgeklärt hat.
Die Instruktionsrüge (Z 8) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der zu § 76 StGB erteilten Rechtsbelehrung und verfehlt damit die Ausrichtung am Verfahrensrecht (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65). Das Beschwerdevorbringen vernachlässigt solcherart, dass in der den Geschworenen erteilten Instruktion (S 8 f der Blg ./2 zu ON 74) auf den die Berücksichtigung sämtlicher konkreter Tatumstände und psychologischen Zusammenhänge erfordernden objektiv-normativen Prüfungsmaßstab eines durchschnittlich rechtstreuen Menschen für die allgemeine Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung hingewiesen und - entgegen der Beschwerde - die in der Rechtsbelehrung beispielhaft angeführten, eine allgemeine Begreiflichkeit ausschließenden psychischen oder tatmotivationsbezogenen Affektursachen nicht isoliert, sondern vielmehr nur mit Beziehung auf jenen übergeordneten Beurteilungsmaßstab dargestellt wurden. Ein Hinweis auf ein Erfordernis sittlicher Rechtfertigung des Affektes ist hingegen, entgegen der Beschwerdebehauptung, in der Instruktion nicht enthalten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)