OGH 11Os66/95

OGH11Os66/9530.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Svatek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erich S***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 21.Juli 1994, GZ 4 U 141/93-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 21.Juli 1994, GZ 4 U 141/93-34, verletzt, soweit Erich S***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht auch im Zeitraum vom 31.März 1993 bis 15.Juni 1994 schuldig erkannt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 459 StPO.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in dem den angeführten Zeitraum betreffenden Schuldspruch und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Erich S***** wurde mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 21.Juli 1994, GZ 4 U 141/93-34, des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, weil er seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht dadurch gröblich verletzte, daß er vom 17.Dezember 1990 bis zum 15.Juni 1994 keinen bzw nur einen ungenügenden Unterhalt für seinen am 10.September 1980 (unehelich) geborenen Sohn Stefan M***** leistete und hiedurch bewirkte, daß der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite, nämlich der Republik Österreich im Wege der Unterhaltsbevorschussung, gefährdet gewesen wäre, insbesondere dadurch, daß er es unterließ, einem Erwerb nachzugehen, der ihm die Erfüllung dieser Pflicht ermöglicht hätte. Weiters wurde dem Verurteilten die Weisung zur Abstattung des aufgelaufenen Unterhaltsrückstandes erteilt (ON 34).

Das gemäß § 459 StPO in Abwesenheit des Beschuldigten gefällte Urteil ist am 17.Jänner 1995 in Rechtskraft erwachsen (1 g).

In diesem - auf Grund der Anzeige der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (Jugendamt) vom 2.März 1993 eingeleiteten - Strafverfahren hatte (nach Durchführung von Sachverhaltserhebungen) die Bezirksanwältin am 31. März 1993 die Bestrafung des Erich S***** wegen des Vergehens nach § 198 Abs 1 StGB, beantragt, ohne den Deliktszeitraum auch nur annähernd zu bezeichnen (2).

Die Hauptverhandlungen vom 22.Juli und 21.Oktober 1993, an welchen der Beschuldigte teilnahm, wurden jeweils zur Aufnahme weiterer Beweise vertagt (81, 124). Da Erich S***** zur Hauptverhandlung am 21. Juli 1994 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war (158), wurde die Hauptverhandlung gemäß § 459 StPO in seiner Abwesenheit durchgeführt. In dieser beantragte die Bezirksanwältin "die Bestrafung des Beschuldigten und die Ausdehnung des Strafantrages bis zum 15.Juni 1994" (160). Ohne Vernehmung des Beschuldigten zur Ausdehnung des Strafantrages wurde ihm im Abwesenheitsurteil die Verletzung seiner Unterhaltspflicht bis zum 15.Juni 1994 (dem Tag der Zustellung der Vorladung zur letzten Hauptverhandlung) zur Last gelegt.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 21.Juli 1994, GZ 4 U 141/93-34, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 459 StPO kann der Richter bei Ausbleiben des Beschuldigten von der Hauptverhandlung ungeachtet gehöriger Vorladung - sofern er nicht dessen Vernehmung nötig findet - das Verfahren beginnen, die Beweise aufnehmen und nach Anhörung des Anklägers das Urteil fällen und verkünden, welches sodann dem ausgebliebenen Beschuldigten in amtlicher Abschrift zuzustellen ist. Gehörig ist die Vorladung aber - auch nach Änderung der Bestimmung des § 454 StPO durch das StPÄG 1993 - nur, wenn sie auch der Vorschrift des § 454 StPO entspricht, derzufolge dem Beschuldigten hinsichtlich der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen die Gelegenheit eingeräumt sein muß, sich die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel zu verschaffen. Dies war vorliegend nur hinsichtlich jener Begehungszeit der Unterhaltsverletzung der Fall, die Gegenstand des schriftlichen Bestrafungsantrages der Bezirksanwältin vom 31.März 1993 war. Über die erst von dem in der Hauptverhandlung (am 21.Juli 1994) ausgedehnten Antrag auf Bestrafung erfaßten, dem Beschuldigten sohin noch nicht bekannten Anschuldigungspunkte hätte das Bezirksgericht daher in Abwesenheit des Beschuldigten nicht verhandeln und entscheiden dürfen.

Durch die Urteilsfällung in Abwesenheit des Beschuldigten auch in bezug auf die Unterhaltsverletzung während des vom schriftlichen Bestrafungsantrag der Bezirksanwältin (vom 31.März 1993) nicht erfaßten Zeitraumes (bis zum 15.Juni 1994) wurde das Gesetz zum Nachteil des Verurteilten in der Bestimmung des § 459 StPO verletzt.

Es war daher in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu erkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte