OGH 11Os63/06h

OGH11Os63/06h19.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andrei S***** wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 5. April 2006, GZ 11 Hv 144/05f-299, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen (Teil-)Freispruch enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (I) sowie mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 104 Abs 1, Abs 3 erster und zweiter Fall FrG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er jedenfalls seit Sommer 2004

(I) sich an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der Schlepperei ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt, die sich durch das Benützen von Wertkarten-Mobiltelefonen sowie den ständigen Wechsel dieser und durch die Verwendung von sog Codenamen gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht und die streng hierarchisch gegliedert arbeitsteilig über Moldawien, Ungarn sowie die Slowakei in den Raum der Europäischen Union, insbesonders auch nach Österreich operativ tätig ist, durch die im Schuldspruch II dargestellten Tätigkeiten als Mitglied beteiligt und (II) entlang der ungarisch-burgenländischen Grenze, in Wien sowie an anderen Orten fortgesetzt in mehrfachen - im Urteilstenor nach Tatzeiten und Anzahl der geschleppten Personen spezifizierten - Tathandlungen gewerbsmäßig die rechtswidrige Einreise vorwiegend aus Moldawien stammender Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, dass dies gegen einen Vermögensvorteil zwischen 1.200 Euro und 3.500 Euro für die Verbringung von Moldawien nach Österreich sowie zusätzlich von 300 Euro bis 600 Euro für die Weiterverbringung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union geschieht, indem er als Mitglied der zum Schuldspruch I beschriebenen kriminellen Organisation teils gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Ioan C*****, teils eigenständig die Verbringung von Personen von Ungarn nach Österreich organisiert sowie koordiniert hat und als Fahrzeugschlepper oder Lenker eines - zur Auskundschaftung allfälliger Grenzkontrollen eingesetzten - sog Vorausfahrzeuges tätig gewesen ist. Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (S 729 f/VIII) des Antrags auf neuerliche Vernehmung Stefan G*****s zum Beweis dafür, „dass weder die Gespräche Nr 627 und 630, noch das Gespräch Nr 1849 mit dem Angeklagten geführt wurde, mit diesem überhaupt nie ein Gespräch, das Schlepperei zum Gegenstand hatte, geführt wurde" (S 728/VIII), Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil der Genannte ohnedies in der Hauptverhandlung eine dem Antragsvorbringen entsprechende - im Rahmen der Beweiswürdigung auch berücksichtigte (US 10) - Aussage abgelegt hat (S 484 f/VIII). Das sinngemäße, auf den Umstand, dass das gegenständliche Strafverfahren im Zeitpunkt dieser Aussage auch gegen Stefan G***** geführt worden ist, gegründete Vorbringen, die Bestätigung der relevierten Angaben im Rahmen einer zeugenschaftlichen Vernehmung hätte diesen höhere Glaubwürdigkeit verliehen, entzieht sich als aktenmäßige Grundlage vermissen lassende, rein spekulative Überlegung zu möglichen Motiven tatrichterlicher Beweiswürdigung einer inhaltlichen Erwiderung. Auch der Antrag auf „Auswertung" eines im Zuge der im Vorverfahren durchgeführten Telefonüberwachung aufgezeichneten Gesprächs, zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer dieses nicht geführt hat (S 728/VIII), verfiel zu Recht der Abweisung (S 729/VIII), weil das Erstgericht dieses Telefongespräch - korrespondierend mit der Aktenlage (vgl S 427/VI gegenüber S 423 und 431/VI) - gar nicht dem Beschwerdeführer zuordnete (US 9).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die unterbliebene Erörterung der Aussagen der im sicherheitsbehördlichen Vorverfahren eingeschrittenen Zeugen Rupert Sch*****, er könne sich weder an die Stefan G***** vorgelegten Lichtbilder noch an dessen Aussage erinnern (S 558/VIII), und Andreas Sa*****, ihm seien neben der Aussage Stefan G*****s und den Ergebnissen der Telefonüberwachung keine den Beschwerdeführer belastenden Umstände bekannt (S 494/VIII), einwendet, bezieht sie sich nicht auf den tatrichterlichen Konstatierungen widersprechende und solcherart iS des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erörterungsbedürftige Verfahrensergebnisse.

Die den Beschwerdeführer entlastende Aussage Stefan G*****s und die eingeschränkte Aussagefähigkeit des schalltechnischen Gutachtens wurden vom Erstgericht - der Beschwerde zuwider - sehr wohl gewürdigt (US 10, 8 f).

Die Depositionen der Zeugin Elene Schr***** werden in der Rüge nur rudimentär und solcherart sinnentstellt wiedergegeben (s S 559/VIII), aus welchem Grund das diesbezügliche Vorbringen im Nichtigkeitsverfahren unbeachtlich ist.

Indem die Beschwerde die in der Mängelrüge relevierten Beweisergebnisse mit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers verknüpft und hieraus anhand eigener Beweiswerterwägungen für diesen günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die unsubstantiierte Behauptung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), der festgestellte Sachverhalt betreffe ausschließlich den „auch laut Anklage als Bereichsleiter für Österreich tätig gewesenen Erstangeklagten Stefan G*****" und beinhalte „nicht im Mindesten irgendeine den Angeklagten Andrei S***** betreffende Sachverhaltsfeststellung", lässt jede Bezugnahme auf den konkreten Urteilsinhalt vermissen und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die angefochtene Entscheidung - auch im Hinblick darauf, dass sie nur (mehr) einen einzigen Angeklagten, nämlich den Beschwerdeführer, betrifft - zwar die Bezeichnung „Erstangeklagter" mitunter missverständlich verwendet, aus dem Gesamtkontext der Entscheidungsgründe (s insbes US 4 bis 9) im Zusammenhalt mit dem nach ständiger Judikatur (13 Os 39/02, zuletzt 12 Os 90/05k; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 271) zu deren Verdeutlichung heranzuziehenden Urteilstenor (US 1 f) die der Subsumtion zugrunde liegenden Tathandlungen aber hinreichend determiniert hervorgehen.

Mit dem Einwand, der Schuldspruch stehe nicht im Einklang mit der verfassungsrechtlich gesicherten Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 MRK) wird ein aus Z 9 lit a beachtlicher Rechtsfehler inhaltlich nicht einmal behauptet. Soweit dieser Beschwerdeansatz in Richtung eines Begründungsmangels zu verstehen ist (der Sache nach Z 5), entzieht er sich mangels argumentativen Substrats einer sachbezogenen Erwiderung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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