OGH 11Os6/09f

OGH11Os6/09f24.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Monika Ka***** und Gabriele K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 130 dritter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Gabriele K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft bezüglich dieser Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 24. April 2008, GZ 37 Hv 75/07x-57, weiters über die Beschwerden der Angeklagten K***** und der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich beider Angeklagter im Schuldspruch I./A./ in der rechtlichen Unterstellung der Taten auch unter § 128 Abs 2 StGB sowie hinsichtlich der Angeklagten Gabriele K***** der Schuldspruch I./B./ in der rechtlichen Unterstellung der Taten auch unter § 147 Abs 2 StGB, demzufolge in den Strafaussprüchen sowie der Gabriele K***** betreffende Beschluss nach § 55 Abs 1 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Gabriele K***** zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen und Beschwerden werden diese Angeklagten sowie die Staatsanwaltschaft auf die Entscheidung verwiesen. Der Angeklagten Gabriele K***** fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gabriele K***** und Monika Ka***** (früher: S*****) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 130 (richtig:) dritter Fall StGB (I./A./) sowie Gabriele K***** überdies des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I./B./) schuldig erkannt.

Danach haben bzw hat

I./A./ in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der teilweise schweren Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

AA./ Monika Ka***** und Gabriele K***** von Ende August bis Oktober 2006 in M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäterinnen in mehreren Angriffen fremde bewegliche Sachen, nämlich einen nicht mehr genau feststellbaren, jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Bargeldbetrag, dem Oswald F***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Diebstahl unter Ausnützung eines Zustands des Bestohlenen, der ihn hilflos macht, begingen, Sachen stahlen, deren Wert insgesamt 50.000 Euro übersteigt;

AB./ Monika Ka***** von 1. März bis 27. August 2007 in Wien fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 1./ Verfügungsberechtigten der Firma A***** Bücher im Gesamtwert von 35,65 Euro,

2./ Verfügungsberechtigten der Firma V***** Schmuck im Wert von 152,55 Euro,

3./ Verfügungsberechtigten der Firma R***** Schmuck im Wert von 68,85 Euro;

B./ Gabriele K***** von 2005 bis August 2007 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Elfriede B***** dadurch, dass sie diese durch die Vorspiegelung von Notstandssituationen über den Verwendungszweck des von der Geschädigten herausgelockten Geldes täuschte, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu Zahlungen verleitet, die die Genannte mit einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

Während Monika Ka***** das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließ, richtet sich gegen dieses Urteil die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten K*****, der teilweise Berechtigung zukommt.

In ihrer den Schuldspruch I./A./AA./ betreffenden Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt sie zutreffend einen Mangel an Feststellungen zur inneren Tatseite in Ansehung des konstatierten Gesamtwerts der gestohlenen Geldbeträge von über 50.000 Euro auf. Zwar ist bei einem Diebstahl von Geldbeträgen in aller Regel davon auszugehen, dass dem Täter der (Gesamt-)Wert (mit-)bewusst ist, doch wären im konkreten Fall (die Angeklagte ist weder des Lesens noch des Schreibens mächtig; vgl US

7) auch angesichts der wiederholten Tatbegehung und der bloß geringfügigen Überschreitung der Wertgrenze entsprechende Konstatierungen zwingend erforderlich gewesen. Die Verwendung der verba legalia im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580).

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen, der eine abschließende Beurteilung der Sache hindert, gereicht dieser Angeklagten ebenso zum Nachteil wie auch der rechtskräftig schuldig erkannten Mitangeklagten Monika Ka*****, deren Vorsatz in Bezug auf die zum Schuldspruch I./A./ angenommene Wertqualifikation ebenfalls nicht konstatiert wurde. Es war daher der materielle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO zu Gunsten der Angeklagten Monika Ka***** von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO).

Wegen der demnach gebotenen teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs in Bezug auf die Annahme der Wertqualifikation erübrigt sich ein Eingehen auf das hiezu eine entsprechende Undeutlichkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO) geltend machende Vorbringen der Mängelrüge. Darüber hinaus leidet das Urteil in seinem Gabriele K***** betreffenden Schuldspruch I./B./ an dem gleichen, ihr zum Nachteil gereichenden, jedoch nicht geltend gemachten nichtigkeitsbegründenden Mangel, weil auch diesbezüglich jegliche Feststellungen zu ihrem die Schadensqualifikation des § 147 Abs 2 StGB betreffenden Vorsatz fehlen (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 147 Rz 60), weswegen dieser in der Annahme der Wertqualifikation von Amts wegen aufzuheben war.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass war daher das angefochtene Urteil im dargestellten Umfang sowie die Strafaussprüche und der - im Übrigen verfehlte (Jerabek in WK2 § 55 Rz 5; RIS-Justiz RS0111521) - Beschluss nach § 55 Abs 1 StGB bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit den Berufungen und den gegen den genannten Beschluss erhobenen Beschwerden waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen.

Zum Schuldspruch I./A./AA./:

Als unvollständig und aktenwidrig erachtet die Angeklagte in der Mängelrüge, dass das Gericht seine Feststellungen auf die belastenden Aussagen der Mitangeklagten Monika Ka***** vor der Polizei gestützt habe, die aber in Widerspruch zu deren späteren Angaben und ihrem handschriftlich verfassten Widerruf stünden. Sie übersieht dabei, dass Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nur bei einer unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage oder Urkunde in den wesentlichen Teilen vorliegt und Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nur dann, wenn das Gericht bei der Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche nicht würdigt oder seinen Feststellungen widerstreitende Beweisergebnisse nicht erörtert. Das Erstgericht hat sich aber ohnedies umfänglich mit der wechselnden Verantwortung der Monika Ka***** auseinandergesetzt und begründet, aus welchem Grund es deren ersten Angaben vor der Polizei gefolgt ist (US 10 f). Die Beschwerdeführerin bekämpft im Ergebnis daher bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter. Die Rechtsrüge („Z 9"), deren Gegenstand der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt ist und deren gesetzmäßige Ausführung daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581; RIS-Justiz RS0099810), verfehlt diese Prämissen. Indem sie erneut lediglich das Aussageverhalten der Mitangeklagten thematisiert, deren polizeilicher Verantwortung „bei lebensnaher Betrachtung" der sicherheitsbehördlichen Praxis das Erstgericht zu Unrecht Glauben geschenkt hätte, greift sie wiederum nur die Beweiswürdigung an.

Zum Schuldspruch I./B.:

In der Verfahrensrüge (Z 4) erachtet die Angeklagte K***** ihre Verteidigungsrechte verletzt, weil das Erstgericht den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Heinz-Friedrich Kar***** „zum Beweis dafür, dass die Zeugin B***** von ihrer Schwester angestachelt wurde, in eine bestimmte Richtung gegen die Zweitangeklagte (K*****) auszusagen" (ON 56 S 109) abgewiesen habe. In dem entsprechenden Zwischenerkenntnis gingen die Tatrichter aber ohnedies davon aus, dass „die Anzeige der Frau B***** bzw auch ihre Aussage durchaus von ihrer Schwester ... oder auf Initiative der Schwester durchgeführt worden ist" (ON 56 S 111), sodass der Beweis nicht aufgenommen werden musste (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342; § 55 Abs 2 Z 3 StPO). Die in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragene Erweiterung des Beweisthemas, wonach die Zeugin Elfriede B***** die Angeklagte nach wie vor finanziell unterstütze, ist prozessual verspätet und somit unzulässig (RIS-Justiz RS0099117, RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Die Rechts- und Subsumtionsrüge hält erneut prozessordnungswidrig nicht an den getroffenen Feststellungen fest, sondern stellt diesen eigene Behauptungen und Schlussfolgerungen entgegen, indem sie darlegt, die Angeklagte hätte der Geschädigten „nahezu immer" die Wahrheit erzählt, Unwahrheiten seien von dieser erkannt worden und Elfriede B***** hätte Gabriele K***** in jedem Fall Geld gegeben. Mit der Behauptung, das Erstgericht habe lediglich eine Täuschung durch die vorgegebene Leukämieerkrankung festgestellt, übergeht die Beschwerde die weiteren Konstatierungen des Erstgerichts (US 8f). In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher - ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen und Beschwerden waren die Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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