Spruch:
1. Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Franz W***** und Josef F***** wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teils demgemäß, teils (in Ansehung des Angeklagten Günther B*****) gemäß § 290 Abs 1 StPO im Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz - mit Ausnahme der Aussprüche über die Vorhaftanrechnung - sowie gemäß § 290 Abs 1 StPO auch im Schuldspruch des Angeklagten Josef F***** wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB und in dem darauf beruhenden Strafausspruch aufgehoben.
2. Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung der Strafaussprüche nach dem Finanzstraf- gesetz in der Sache selbst erkannt:
Es werden
A/ Franz W***** für die ihm zur Last liegenden Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG (I 3 a und b, III 1 und 2 - in diesem Faktum als Beitragstäter gemäß § 11 dritter Fall FinStrG, der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (I 1) und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG (I 2)
nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von 2,500.000 S (zweimillionenfünfhunderttausend Schilling),
im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatz- freiheitsstrafe von 5 (fünf) Monaten;
nach §§ 33 Abs 5, 15 Abs 2 FinStrG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten,
B/ Josef F***** für die ihm zur Last liegenden Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG (I 3 a und b, IV 1 a und 2 - in diesem Faktum als Beitragstäter gemäß § 11 dritter Fall FinStrG), der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (I 1, IV 1 b) und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG (I 2, IV 1 c) unter Bedachtnahme gemäß § 21 Abs 3 FinStrG auf die Strafverfügung des Finanzamtes Kirchdorf vom 1.September 1992, Straflistennummer 57/1991
nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von 2,800.000 S (zweimillionenachthunderttausend Schilling),
im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatz- freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten;
nach §§ 33 Abs 5, 15 Abs 2 FinStrG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.
Im Umfang der Aufhebung des Strafausspruches nach dem Finanzstrafgesetz hinsichtlich des Angeklagten B***** sowie des Schuldspruches V und des darauf beruhenden Strafausspruches hinsichtlich des Angeklagten F***** wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
4. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Franz W***** und Josef F***** sowie die Finanzämter Linz, Steyr und Kirchdorf auf diese Entscheidungen verwiesen.
5. Der Beschwerde des Günther B***** wird Folge gegeben, der Widerrufsbeschluß aufgehoben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen.
6. Den Angeklagten Günther B*****, Franz W***** und Josef F***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Günther B*****, Franz W***** und Josef F***** der im Spruch unter 2 A bis C (im Faktum IV 1 a allerdings richtig: des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG) angeführten Finanzvergehen, Günther B***** überdies des Vergehens nach § 114 (zu ergänzen: Abs 1) ASVG (VI) und Josef F***** zusätzlich des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (V) schuldig erkannt.
Darnach haben
I. Günther B*****, Josef F***** und Franz W***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Gerhard H***** als Entscheidungsträger und Wahrnehmende der steuerlichen Angelegenheiten der Personalleasingfirma I***** GmbH
1. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen im Zeitraum Jänner 1989 bis Juli 1990 sämtliche Umsätze aus ihrer Personalleasingtätigkeit in Höhe von 19,153.283 S weder erklärt noch hiefür Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtet und dadurch Umsatzsteuerverkürzungen in den Voranmeldungszeiträumen Jänner bis Dezember 1989 in Höhe von 1,502,214 S und von Jänner bis Juli 1990 in Höhe von 2,328.442 S (insgesamt somit 3,830.656 S) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten,
2. unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1972 entsprechenden Lohnkonten im Zeitraum von Jänner 1989 bis Juli 1990 weder Lohnaufzeichnungen geführt noch Lohnabgaben einbehalten bzw abgeführt und dadurch Verkürzungen an Lohnsteuer in Höhe von 2,064.724 S und an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in Höhe von 603.328 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten,
3. unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht
a) der für die Erhebung der Gewerbe-, Körperschaft- und Umsatzsteuer zuständigen Abgabenbehörde weder den Beginn der gewerblichen Personalleasingtätigkeit angezeigt noch für den Veranlagungszeitraum 1989 und 1990 Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb offengelegt, wodurch infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung dieses Abgabenanspruches eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung vorerst unterblieben ist und Verkürzungen für das Jahr 1989 an Körperschaftsteuer in Höhe von 470.010 S und an Gewerbesteuer in Höhe von 236.165 S bewirkt und für das Jahr 1990 an Körperschaftsteuer in Höhe von 730.830 S und an Gewerbesteuer in Höhe von 358.470 S zu bewirken versucht worden ist,
b) kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte aus verdeckten Gewinnausschüttungen an die Entscheidungsträger der I***** GmbH in den Jahren 1989 im Ausmaß von 3,304.871 S und im Jahre 1990 im Ausmaß von 5,122.574 S nicht erklärt und dadurch Verkürzungen an Kapitalertragsteuer für 1989 in Höhe von 826.218 S und für 1990 in Höhe von 1,280.643 S bewirkt;
II. Günther B*****
1. als Geschäftsführer und Entscheidungsträger der Personalleasingfirma S***** GmbH in Salzburg und Leonding gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Gerhard H*****
a) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen im Zeitraum August 1990 bis Juli 1991 durch Offenlegung zu niedriger Umsätze bzw Entrichtung zu geringer Umsatzsteuervorauszahlungen Verkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen für August bis Dezember 1990 in Höhe von 370.894 S und für Jänner bis Juli 1991 in Höhe von 800.954 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten,
b) im selben Zeitraum die Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1972 entsprechenden Lohnkonten dadurch verletzt, daß Lohnkonten unrichtig bzw überhaupt nicht geführt, Lohnabgaben zu niedrig berechnet, einbehalten und abgeführt worden sind, und hiedurch Verkürzungen an Lohnsteuer in Höhe von 339.564 S und an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in Höhe von 100.133 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten,
2. als Abgabenpflichtiger im Finanzamtsbereich Linz die abgabenrechtliche Anzeigen-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch verletzt, daß er dem für die Erhebung der Einkommensteuer zuständigen Finanzamt Linz weder den Beginn seiner Tätigkeit als Entscheidungsträger bei der Personalleasingfirma I***** GmbH fristgerecht angezeigt noch die ihm aus dieser Tätigkeit zugeflossenen Einkünfte aus Kapitalvermögen (verdeckte Gewinnausschüttungen) in Höhe von 826.218 S im Jahr 1989 und in Höhe von 1,280.643 S im Jahr 1990 erklärt hat, wodurch infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches eine Abgabenfestsetzung vorerst unterblieben ist und Einkommensteuerverkürzungen in Höhe von 300.300 S für 1989 bewirkt und in Höhe von 527.500 S für 1990 zu bewirken versucht worden sind,
3. dazu beigetragen, daß Franz W***** beim Finanzamt Linz, Josef F***** beim Finanzamt Kirchdorf und der abgesondert verfolgte Gerhard H***** beim Finanzamt Steyr in ihrer Eigenschaft als Abgabepflichtige vorsätzlich die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht in den Jahren 1989 und 1990 verletzen konnten und dadurch Einkommensteuerverkürzungen in Höhe von 900.900 S für das Jahr 1989 bewirken und in Höhe von 1,695.302 S für das Jahr 1990 zu bewirken versuchen konnten, indem er gemeinsam mit den übrigen Entscheidungsträgern die I***** GmbH als System organisierter Schwarzumsätze aus der gewerbsmäßigen Vermittlung von Schwarzarbeitskräften durch Verheimlichung der gewerbsmäßigen Vermittlungstätigkeit gegenüber den Abgabenbehörden, durch Firmengründung unter Vorschub unbeteiligter Strohmänner als Geschäftsführer und Gesellschafter und unter Angabe einer falschen Firmenadresse aufbaute und führte;
III. Franz W*****
1. als Abgabenpflichtiger im Finanzamtbereich Linz die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch verletzt, daß er dem für die Erhebung der Einkommensteuer zuständigen Finanzamt Linz weder den Beginn seiner Tätigkeit als Entscheidungsträger bei der Personalleasingfirma I***** GmbH fristgerecht noch die ihm aus dieser Tätigkeit zugeflossenen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 826.218 S im Jahre 1989 und in Höhe von 1,280.643 S im Jahre 1990 erklärt hat, wodurch infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches eine Abgabenfestsetzung vorerst unterblieben ist und Einkommensteuerverkürzungen in Höhe von 300.300 S für das Jahr 1989 bewirkt und in Höhe von 527.500 S für das Jahr 1990 zu bewirken versucht worden sind,
2. dazu beigetragen, daß Günther B***** in Linz, Josef F***** in Kirchdorf und Gerhard H***** in Steyr die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht in den Jahren 1989 und 1990 verletzen und dadurch Einkommensteuerverkürzungen in Höhe von 900.900
S für 1989 bewirken und in Höhe von 1,695.302 S für 1990 zu bewirken versuchen konnten, indem er gemeinsam mit den übrigen Entscheidungsträgern der I***** GmbH diese als System organisierter Schwarzumsätze wie oben zu II 3 beschrieben aufgebaut und geführt hat;
IV. Josef F*****
1. als Abgabenpflichtiger im Finanzamtsbereich Kirchdorf
a) die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch verletzt, daß er dem für die Einkommensteuer zuständigen Finanzamt Kirchdorf weder den Beginn seiner Tätigkeit als Entscheidungsträger der Personalleasingfirma I***** GmbH fristgerecht angezeigt, noch die ihm aus dieser Tätigkeit zugeflossenen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 826.218 S im Jahre 1989 erklärt hat, wodurch infolge Unkenntnis des Finanzamtes von der Entstehung des Abgabenanspruches eine Festsetzung unterblieben ist und eine Einkommensteuerverkürzung für das Jahr 1989 im Ausmaß von 300.300 S bewirkt wurde,
b) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen Umsätze aus seinen Einzelunternehmen I***** P***** (Personalleasing) in Höhe von 1,797.378 S im Zeitraum Juli bis Dezember 1990 und in Höhe von 1,620.631 S im Zeitraum Jänner bis April 1991 weder erklärt, noch hiefür Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtet und hiedurch Umsatzsteuerverkürzungen in Höhe von 359.476 S für den Zeitraum Juli bis Dezember 1990 und in Höhe von 324.126 S für den Zeitraum Jänner bis April 1991 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten,
c) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1972 entsprechenden Lohnkonten im Zeitraum Juli 1990 bis April 1991 für das Einzelunternehmen I***** P***** weder Lohnaufzeichnungen geführt, noch Lohnabgaben berechnet und abgeführt und hiedurch in diesem Zeitraum Verkürzungen an Lohnsteuer in Höhe von 379.848 S und an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in Höhe von 98.489 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten,
2. dazu beigetragen, daß Günther B***** und Franz W***** in Linz und der abgesondert verfolgte Gerhard H***** in Steyr in ihrer Eigenschaft als Abgabenpflichtige vorsätzlich die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht in den Jahren 1989 und 1990 verletzen und dadurch Einkommensteuerverkürzungen in Höhe von 900.900 S für 1989 bewirken und in Höhe von 1,582.500 S für 1990 zu bewirken versuchen konnten, indem er gemeinsam mit den übrigen Entscheidungsträgern der I***** GmbH diese wie unter II 3 beschrieben als System organisierter Schwarzumsätze aufbaute und führte;
V. Josef F***** im Jahre 1990 in Traun falsche oder verfälschte Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten, Rechtsverhältnissen oder Tatsachen gebraucht, indem er eine durch den abgesondert verfolgten Gerhard H***** verfälschte öffentliche Urkunde, nämlich einen Handelsregisterauszug der Firma S***** GmbH zum Zweck einer Kontoeröffnung der O***** T***** vorlegte;
VI. Günther B***** als Geschäftsführer der Firma S***** GmbH in der Zeit von Jänner bis Dezember 1991 in Salzburg Dienstnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 400.076,79 S der Salzburger Gebietskrankenkasse vorenthalten.
Rechtliche Beurteilung
Das Schöffengericht verurteilte die drei Angeklagten jeweils nach §§ 33 Abs 5 und 15 Abs 1 (richtig: Abs 2) FinStrG zu Freiheits- und Geldstrafen (samt entsprechenden Ersatzfreiheitsstrafen); zudem verhängte es jeweils noch eine weitere Freiheitsstrafe (§ 22 Abs 1 FinStrG) über Günther B***** (aus nicht ersichtlichen Gründen unter Anwendung des § 28 StGB) nach § 114 Abs 1 ASVG und über Josef F***** nach § 224 StGB. Dabei nahm das Erstgericht, welches grundlegend verkannte, daß eine Bedachtnahme auf frühere Verurteilungen nur zwischen Finanzvergehen (§ 21 Abs 3 und 4 FinStrG) und nur zwischen sonstigen gerichtlichen Straftaten vorgesehen und nur bloß innerhalb dieser beiden Deliktsgruppen zulässig ist (§ 22 Abs 1 FinStrG), zugunsten der Angeklagten Günther B***** und Franz W***** auch in Ansehung der Unrechtsfolgen nach dem Finanzstrafgesetz auf jeweils eine Vorverurteilung wegen strafbarer Handlungen nach dem StGB bzw SGG gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht. Ebenso verfehlt war die Anwendung dieser Bestimmungen zugunsten des Angeklagten Josef F***** auch bei der - an sich zutreffenden - Bedachtnahme auf eine Strafverfügung des Finanzamtes Kirchdorf, weil für die Verhängung von Zusatzstrafen im Bereich der Finanzvergehen ausschließlich die hier aktuelle, vom Erstgericht aber bloß zusätzlich zitierte Vorschrift des § 21 Abs 3 FinStrG gilt (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 21 E 13 und 15).
Gleichzeitig widerrief das Schöffengericht gemäß §§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO, 55 Abs 1 StGB eine über Günther Brandstätter mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20.Juli 1993, AZ 34 b Vr 1420/93, wegen der Vergehen nach §§ 14 a und 16 Abs 1 SGG verhängte bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten und sah gemäß § 494 a Abs 1 Z 1 StPO vom Widerruf einer über Franz W***** mit Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 12.Dezember 1995 wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB verhängten bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten ab.
Der Angeklagte Josef F***** bekämpft dieses Urteil in dem gegen ihn gerichteten Ausspruch über die Unrechtsfolgen nach dem Finanzstrafgesetz mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und den ihn betreffenden Strafausspruch insgesamt mit Berufung. Franz W***** ficht das Urteil mit Berufung an, wobei er sachlich ebenfalls den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO bezeichnet. Die Finanzämter Linz, Kirchdorf und Steyr als Finanzstrafbehörde erster Instanz richten gegen die Strafaussprüche nach dem Finanzstrafgesetz zu Ungunsten sämtlicher Angeklagter Berufung. Der Angeklagte Günther B***** erhebt lediglich gegen den Widerrufsbeschluß nach § 494 a Abs 1 Z 4 StPO Beschwerde.
Die Rechtsmittel der Angeklagten Josef F***** und Franz W***** sind begründet.
Zutreffend weisen sie - ebenso wie die Finanzstrafbehörde erster Instanz in ihrer Berufung - darauf hin, daß das Schöffengericht bei der Strafbemessung zu den Finanzvergehen in allen Fällen den mit den Taten verbundenen (bzw den durch die Taten entstandenen) hohen Schaden als erschwerend gewertet hat (US 29 bis 31).
Da die Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs 5 FinStrG mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu ahnden sind und damit die Höhe dieses Betrages die Strafobergrenze bestimmt, verstößt die ausdrückliche Heranziehung des Ausmaßes der versuchten oder tatsächlich bewirkten Abgabenverkürzung als Erschwerungsgrund gegen das Doppelverwertungsverbot und bewirkt damit die Nichtigkeit des betreffenden Strafaus- spruches im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (insbesondere EvBl 1989/63 = JBl 1989, 331; Dorazil/Harbich FinStrG § 23 E 11 a und 11 b).
Den Rechtsmitteln der Angeklagten Franz W***** und Josef F***** war daher stattzugeben und die Strafaussprüche nach dem Finanzstrafgesetz aufzuheben. Dieselben Gründe kommen auch dem Angeklagten Günther B*****, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, zugute, sodaß auch der ihn betreffende Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz gemäß § 290 Abs 1 StPO aufzuheben war.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof auch davon überzeugen, daß das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten Josef F***** unrichtig angewendet worden ist. Zu V des Urteilssatzes wurde nämlich dieser Angeklagte des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt, wobei als Tatzeitraum das Jahr 1990 festgestellt wurde. Dieses Vergehen ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. Die Verjährungsfrist für solche Delikte beträgt fünf Jahre (§ 57 Abs 3 StGB). Die erste Verfolgungshandlung zu dieser Tat war die Verfügung der Zustellung der auch diese strafbare Handlung umfassenden Anklageschrift an Josef F***** am 19.September 1995 (S 3 q). Ein Grund für die Verlängerung der Verjährungsfrist ist aus dem Akt nicht ersichtlich, zumal das bereits länger anhängige Verfahren nach § 33 FinStrG keine mit Strafe bedrohte Handlung, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruht, betrifft.
Bei dieser Sachlage hätte es daher einer näheren Feststellung des Tatzeitpunktes bedurft, weil bei Begehung der Tat vor dem 19. September 1990 allenfalls bereits Verjährung eingetreten ist und damit ein Strafaufhebungsgrund vorläge.
Dieser wesentliche Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) war daher von Amts wegen wahrzunehmen und der diesbezügliche Schuldspruch samt Strafausspruch aufzuheben.
Das Erstgericht wird im erneuerten Verfahren insbesondere den genauen Tatzeitpunkt zu klären und sodann den Sachverhalt unter Berücksichtigung der Verjährungsfrist neu zu beurteilen haben.
Dem Angeklagten Günther B***** konnte die Ladung zum Gerichtstag nicht zugestellt werden, sodaß er keine Gelegenheit hatte, sich zur Strafneubemessung und insbesondere zur Berufung der Finanzämter Linz, Kirchdorf und Steyr als Finanzstrafbehörde erster Instanz zu äußern. Dem Obersten Gerichtshof war es daher hinsichtlich dieses Angeklagten ohne Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht möglich, die Strafe nach dem Finanzstrafgesetz neu zu bemessen, sodaß die Strafsache auch in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen war.
Bei der nach dem Finanzstrafgesetz erforderlichen Strafneubemessung hinsichtlich Franz W***** und Josef F***** wertete der Oberste Gerichtshof bei beiden Angeklagten als erschwerend die mehrfachen Verstöße gegen Finanzvorschriften und die Fortsetzung des strafbaren Verhaltens durch einen längeren Zeitraum; als mildernd das reumütige Geständnis, den Umstand, daß die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind und die teilweise (geringfügige) Schadensgutmachung, beim Angeklagten Franz W***** überdies dessen bisherigen ordentlichen Lebenswandel und beim Angeklagten Josef F***** seine finanzbehördliche Unbescholtenheit.
Da die Angeklagten in Kenntnis der beabsichtigten Abgabenhinterziehungen bei Firmen mitgewirkt haben, die offensichtlich von vornherein nur dazu gegründet wurden, einen möglichst hohen (persönlichen) Gewinn ohne Rücksicht auf die Steuergesetze zu erzielen, ist der Schuldgehalt der von den Angeklagten zu vertretenden Taten derart gewichtig, daß unter Berücksichtigung der angeführten Strafzumessungs- gründe die Strafen nach dem Finanzstrafgesetz dementsprechend höher als vom Erstgericht auszumessen waren.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Franz W***** und Josef F***** sowie die Finanzämter Linz, Kirchdorf und Steyr auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die gegen den ihn betreffenden Widerrufsbeschluß gerichtete Beschwerde des Günther B***** ist berechtigt. Er wurde wegen des Vergehens nach § 114 Abs 1 ASVG unter Bedachtnahme auf eine mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20.Juli 1993 wegen der Vergehen nach § 14 a und § 16 Abs 1 SGG bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 10 Monaten zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Da die Verurteilungen die Verletzung von verschiedenen Rechtsgütern zur Grundlage haben, war der Widerruf gemäß § 55 Abs 1 StGB nicht geboten, sodaß der Beschwerde Folge zu geben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390 a StPO.
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