OGH 11Os5/94

OGH11Os5/941.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hamza B***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2.November 1993, GZ 6 a Vr 107/93-64, und den Vorgang, daß der Antrag des Angeklagten in dem genannten Verfahren auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO nicht erledigt wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren zum AZ 6 a Vr 107/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 43 a StPO verletzt

1. durch die Nichterledigung des Antrages (ON 63) des Angeklagten Hamza B***** auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO,

2. durch den Beschluß vom 2.November 1993 (ON 64) auf Zurückweisung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der zu Punkt 2 bezeichnete Beschluß wird aufgehoben, und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufgetragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Juni 1993, GZ 6 a Vr 107/93-47, wurde Hamza B***** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG schuldig erkannt und zu einer Freiheits- und Geldstrafe verurteilt. Er meldete persönlich und durch seinen (Wahl-)Verteidiger Rechtsanwalt Dr.B***** fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 52, 53). Sowohl Dr.B***** als auch dem ebenfalls ausgewiesenen (weiteren Wahl-)Verteidiger Rechtsanwalt Dr.Michael B***** wurde jeweils am 28. September 1993 eine Urteilsausfertigung zugestellt (ON 60). Der am 12. Oktober 1993, dem letzten Tag zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel, beim Landesgericht eingelangte (eigenhändig unterschriebene) Antrag des Angeklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde dort ohne weitere Veranlassung zum Akt genommen (ON 63). Mit dem formell in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 2. November 1993 (ON 64) wies das Landesgericht die Nichtigkeitsbeschwerde des Hamza B***** - der Sache nach aus dem Grunde des § 285 a Z 2 StPO - zurück. Im Zuge des daraufhin beim Oberlandesgericht Wien zum AZ 27 Bs 368/93 anhängig gewordenen Berufungsverfahrens gaben die Verteidiger Dr.B***** und Dr.B***** (der Oberstaatsanwaltschaft Wien) telefonisch bekannt, daß das Vollmachtsverhältnis mit Hamza B***** seit 11.Oktober 1993 bzw. seit dem Ende der Hauptverhandlung nicht mehr bestehe.

Durch das Unterbleiben der Entscheidung über den vom Angeklagten rechtzeitig gestellten Antrag auf Beigebung eines (Verfahrenshilfe-)Verteidigers wie auch durch den Beschluß auf Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde - wie in der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausgeführt wird - das Gesetz jedenfalls in der Bestimmung des § 43 a StPO verletzt. Nach dieser Bestimmung beginnt nämlich die Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (erst) nach der Entscheidung über den Antrag auf Verteidigerbeigebung, und zwar bei positiver Erledigung mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung (hier samt Urteilsausfertigung) an den Verteidiger und bei negativer Erledigung mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an den Angeklagten (von neuem) zu laufen.

Da das Landesgericht bisher über den Antrag des Angeklagten auf Beigebung eines (Verfahrenshilfe-) Verteidigers (nach § 41 Abs. 2 StPO) nicht entschieden hat und demzufolge die Frist zur Rechtsmittelausführung noch offen ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

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