Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf sechs Jahre herabgesetzt.
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Mohamed A***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz, zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 22.August 1996 in Wien einem anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag in der Größenordnung von ungefähr 3.000 S, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe abgenötigt oder weggenommen, indem er Werner W***** (zunächst einen Korkenzieher sowie in weiterer Folge) ein Messer entgegenhielt und rief: "Wenn du mir nicht sofort 1.500 S gibst, dann steche ich dich ab!".
Die Geschworenen bejahten die (anklagekonforme) Hauptfrage nach schwerem Raub stimmeneinhellig, verneinten weiters die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit mehrheitlich; die außerdem vorgelegte Eventualfrage nach Begehung der Raubtat im Zustand voller Berauschung blieb folgerichtig unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 6 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die nicht berechtigt ist.
Dem Beschwerdestandpunkt zuwider trifft es nämlich nicht zu, daß nach einzelnen Beweisergebnissen der Hauptverhandlung gemäß § 314 StPO eine Eventualfrage in Richtung (bloßer) Nötigung indiziert gewesen wäre (Z 6). Denn bei der gebotenen Gesamtbeurteilung ihres jeweiligen Sinnzusammenhanges lassen weder die Verantwortung des Angeklagten noch die Angaben der (teils tatbetroffenen) Zeugen Johann P***** und Werner W***** ein Verfahrenssubstrat erkennen, das die nunmehr - mit isolierter Bezugnahme auf einzelne Aussagedetails - reklamierte Variante einer (nicht vom Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung geleiteten) Nötigung durch gewaltsame Durchsetzung eines (irrtümlich angenommenen) Vermögensanspruchs aktualisiert hätte. Für die Annahme der erzwungenen Herausgabe einer vermeintlich geschuldeten Sache reicht nämlich die erst in der Beschwerde aufgestellte Behauptung nicht hin, daß der Angeklagte möglicherweise in der Meinung gehandelt habe, hiedurch einen bestehenden Zahlungsanspruch gegen seine (zur Tatzeit gar nicht anwesende) Mutter hereinzubringen. Die Passage aus der Aussage des Zeugen Johann P*****, der zufolge Mohamed A***** eine zunächst an diesen Zeugen gerichtete Geldforderung mit der (vagen) Bemerkung verknüpfte, sich als Sohn der Lokalinhaberin zu einem solchen Vorgehen "berechtigt zu fühlen" (S 495/I), enthält mit Rücksicht auf die Begleitumstände keinen ausreichenden (zur Ausschaltung des Vorsatzes auf unrechtmäßige Bereicherung unabdingbaren) Hinweis darauf, daß der in der Folge gegen den Aushilfskellner Werner W***** (mit gleicher Argumentation - s S 498/I) tätig gewordene Angeklagte ausschließlich zur Wahrung eines (vermeintlich vorhandenen) Vermögensrechtes vorgegangen ist.
Die (in der Beschwerde) relevierte Version stellt schon deshalb kein Tatsachenvorbringen (§ 314 StPO) dar, weil sich der Angeklagte selbst gar nicht auf einen Irrtum über die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung berief, sondern mit fehlendem Erinnerungsvermögen in bezug auf das Tatgeschehen - einschließlich des ihm angelasteten Nötigungsverhaltens durch Einsatz eines Messers zur Effektuierung der Vermögensverschiebung - verantwortete (S 477 ff, insbes 483 ff/I). Er bestätigte auch die Kenntnis über das seitens seiner Mutter (wegen des im Herbst 1995 von ihm auf sie verübten Raubüberfalles - s Akt AZ 4 b Vr 11490/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) gegen ihn ausgesprochene Lokalverbot und ihre fehlende Bereitschaft, ihn finanziell zu unterstützen (S 479 f/I). Hinweise für eine Deliktsbegehung des Beschwerdeführers ohne raubspezifische Bereicherungstendenz lagen somit in Wahrheit nicht vor.
Zur Stellung einer Eventualfrage in Richtung Nötigung bestand demnach kein Anlaß.
Mit der Tatsachenrüge (Z 10 a) vermag der Beschwerdeführer keine erheblichen sich aus den Akten ergebenden Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Solche Bedenken setzen in der Regel das Aufzeigen von schwerwiegenden, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs 2, 254, 302 StPO) zustande gekommenen Mängeln in der Sachverhaltsermittlung oder Hinweise auf aktenkundige Beweisergebnisse voraus, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung in entschei- dungswesentlichen Fragen aufkommen lassen. Der Umstand, daß die Geschworenen die aufgenommenen Beweise (hier: in Richtung der Beantwortung der Zusatzfrage nach Zurech- nungsunfähigkeit) auch anders hätten würdigen können, stellt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht her, zumal die Beweiswürdigung im geschworenengerichtlichen Verfahren ausschließlich den Geschworenen zugewiesen ist und vom Obersten Gerichtshof nicht nach eigener Überzeugung revidiert werden kann. Somit vermag der Beschwerdeführer durch die Anführung einzelner Indizien, die gegen die Annahme seiner Zurechnungsfähigkeit sprechen könnten, erhebliche Bedenken gegen die von den Geschworenen in ihrem Wahrspruch getroffene gegenteilige Annahme nicht zu wecken. Vielmehr war die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit des Angeklagten zwanglos aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens in ihrer Gesamtheit, insbesondere aus den Angaben der Zeugen Johann P***** und Werner W***** abzuleiten, die nicht von einer ungenügenden Orientierung in Zeit und Raum sowie von einer Sinnlosigkeit des Handelns des Nichtigkeitswerbers (Kriterien, wie sie ua für einen durch Suchtmittel hervorgerufenen Vollrausch typisch sind - Leukauf/Steininger Komm3 § 11 RN 28; § 287 RN 9; Foregger/Serini StGB5 § 287 Erl III) sprachen: Hat der Angeklagte seine Geldforderung doch - nach vorangegangener vergeblicher (durchaus zielgerichteter) Suche nach seiner Mutter - situativ angepaßt sowie zweckorientiert gestellt und später seinem Ansinnen mit einem Küchenmesser als Drohmittel (erfolgreich) zum Durchbruch verholfen (S 489 ff, 497 ff/I).
Unter Berücksichtigung des in der Hauptverhandlung wiederholten und mündlich ergänzten (S 503 ff/I) Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Prim. Dr.Heinrich Pf***** (ON 39/I), wonach die beim Angeklagten zur Tatzeit vorgelegene Beeinträchtigung durch bewußtseinsverändernde Substanzen (Kokain iVm Rohypnol) - ungeachtet seiner (auch auf Verdrängungsmechanismen bzw eine Schutzbehauptung rückführbaren) Verantwortung mit Erinnerungslücken - zu keiner wesentlichen Störung der Bewußtseinstätigkeit oder der Persönlichkeitsstruktur geführt hat, besteht kein Anlaß für Zweifel an der tatzeitbezogenen biologischen Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers, wobei das aktuelle Verhalten in Anbetracht des rund zehn Monate zuvor zum Nachteil seiner Mutter begangenen Raubes auch keinesfalls im auffallendem Gegensatz zu seinem sonstigen Charakter steht.
Umsoweniger vermag der Angeklagte - unter punktueller Wiedergabe einzelner aus dem Zusammenhang gelöster Beweisergebnisse oder Berufung auf Überlegungen spekulativer Natur - mit seiner Argumentation erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen in Ansehung der Annahme, daß die Tat im Zustand der Zurechnungsfähigkeit begangen wurde, zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe und wertete die zwei einschlägigen Vorstrafen sowie den extrem raschen Rückfall als erschwerend, als mildernd nahm es keine Umstände an.
Weiters faßte es gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO (iVm § 53 Abs 1 StGB) den Beschluß auf Widerruf des im Verfahren zum AZ 4 b Vr 11.490/95, Hv 7235/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bedingt nachgesehenen Strafteiles einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß das Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht unter eventueller Verlängerung der Probezeit.
Zu den vom Erstgericht ansonsten zutreffend angenommenen Milderungs- und Erschwerungsgründen kommt noch zusätzlich die Beeinträchtigung des Angeklagten durch die Drogeneinnahme hinzu, die zu einer Enthemmung und einem erhöhten Aggressionspotential geführt hat (S 379/I; vgl Mayerhofer/Rieder StGB4 § 34 E 7 a), die Schadensgutmachung und der nicht allzu hohe Wert der Raubbeute.
Weitere Umstände mildernder Natur vermag der Angeklagte in seiner Berufung jedoch nicht darzulegen. Der Einwand, daß der Angeklagte durch die Einnahme einer großen Menge Rohypnols sowie des Spritzens von Kokain die Tat "jedenfalls unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes oder aber unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen", findet in der Aktenlage keine Deckung (S 379/I, 505/I f), geht doch der Sachverständige davon aus, daß keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt, trotz Einnahme von bewußtseinsverändernden Stoffen, in seinen psychischen Funktionen wesentlich beeinträchtigt gewesen wäre (S 381/I) oder daß die Menge der eingenommenen Suchtgifte zu einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung geführt hat. Unter zutreffender Gewichtung der korrigierten Strafbemessungsgründe ist jedoch die Reduktion der verhängten Freiheitsstrafe - auch unter Berücksichtigung des sich unter Suchtgifteinwirkung dokumentierenden Aggres- sionspotentials des Täters wie der ablehnenden Einstellung gegenüber Eigentumswerten und seinem nicht unerheblichen Verschulden - geboten, um unter richtiger Bewertung des sozialen Störwertes der Tat die Sanktion dem Unrechtsgehalt anzupassen.
Der Widerruf der dem Angeklagten im Verfahren zum AZ 4 b Vr 11.490/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Nachsicht eines Strafteiles von zwölf Monaten gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO war jedoch, wie das Geschworenengericht zutreffend ausgeführt hat, zusätzlich zu seiner nunmehr neuerlichen Verurteilung erforderlich, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB), weil die Aufrechterhaltung der bloßen Androhung des Vollzuges jenes Strafrestes trotz schwerster abermaliger Delinquenz innerhalb der Probezeit in der Tat nicht geeignet erscheint, die damit anzustrebende spezialpräventive Effizienz zu entfalten.
Seiner Beschwerde gegen den Widerruf mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.
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