Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO in der rechtlichen Unterstellung der dem Angeklagten zu Punkt B/I des Urteilssatzes angelasteten Tat auch unter den Abs. 1 des § 109 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Werner E*** wird für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Urteilsspruches weiterhin zur Last liegenden Straftaten, und zwar das Verbrechen des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB und die Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB, der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 und 2 StGB sowie des Hausfriedensbruches nach dem § 109 Abs. 3 Z 1 StGB nach dem § 75 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von
7 (sieben) Jahren
verurteilt.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung
verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch umfassenden) Urteil wurde der am 26.April 1949 geborene Bergarbeiter Werner E*** aufgrund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB (Punkt A/III des Urteilssatzes) und der Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Punkt A/I des Urteilssatzes), der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Punkt A/II des Urteilssatzes) und des Hausfriedensbruches nach dem § 109 - irrig (vgl JBl 1978, 160 ua) - Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 StGB (Punkt B/I des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Die Geschwornen hatten die an sie gerichteten Hauptfragen jeweils stimmeneinhellig bejaht; darnach befanden sie den Angeklagten für schuldig, am 6.September 1988 in Köflach durch (versuchtes) Einstechen mit einem 24 cm langen Fischmesser versucht zu haben, seine geschiedene Ehefrau Christine E*** vorsätzlich zu töten (I. Hauptfrage); am 15.Dezember 1987 in Köflach Christine E*** durch Versetzen eines Trittes gegen den unteren Bereich des Oberkörpers, welcher einen Bruch der 12. Rippe rechts, verbunden mit nicht über 24-tägiger Gesundheitsschädigung, zur Folge hatte, am Körper verletzt zu haben (II. Hauptfrage); am 14.August 1988 in Köflach Christine E*** durch die Äußerung, er werde ihr die Kehle durchschneiden und den Bauch aufschlitzen, mit dem Tod gefährlich bedroht zu haben (III. Hauptfrage); sowie schließlich am 6. September 1988 in Köflach sich den Eintritt in die Wohnstätte des Peter S*** mit Gewalt, indem er die versperrte Eingangstüre eintrat, erzwungen zu haben, wobei er gegen die in der Wohnung befindliche Christine E*** Gewalt zu üben beabsichtigte (V. Hauptfrage).
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt er das Unterbleiben einer Zusatzfrage (zu den Hauptfragen I. und V.) nach Zurechnungsunfähigkeit gemäß dem § 11 StGB zum Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten Mordes und des Vergehens des Hausfriedensbruches (Punkt A/III und B/I des Urteilssatzes) sowie einer Eventualfrage (zur Hauptfrage II.) in Richtung der "fahrlässigen schweren Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 StPO" (gemeint wohl: fahrlässige Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 StGB) zum Schuldspruch wegen des Vergehens der (vorsätzlichen) Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Punkt A/I des Urteilssatzes).
Voraussetzung für die Stellung von (Zusatz- und Eventual-)Fragen nach den §§ 313 oder 314 StPO ist es, daß in der Hauptverhandlung (konkrete) Tatsachen (also nicht bloß Möglichkeiten oder Mutmaßungen) vorgebracht wurden, die, würden sie als erwiesen angenommen, die Ausschließung oder Aufhebung der Strafbarkeit oder die Subsumtion der Tat unter eine andere, nicht strengere strafgesetzliche Bestimmung als die in der Anklageschrift angeführte (bzw bloß Versuch statt Vollendung oder eine andere Täterschaftsform) zur Folge hätten. Um ein Vorbringen in diesem Sinn handelt es sich aber nur dann, wenn die im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstände die Annahme derartiger Tatsachen als zutreffend in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken (Mayerhofer-Rieder, StPO2, EGr 17 zu § 314). Derartige Verfahrensergebnisse vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht darzutun.
Zur Frage der Zurechnungsfähigkeit im Zeitpunkt der Tathandlungen am 6.September 1988 (Punkt A/III und B/I des Urteilssatzes) stellte der Sachverständige aus dem Fachgebiet der Psychiatrie Dr. M*** unter ausdrücklicher Berücksichtigung des in der Beschwerde hervorgehobenen Alkoholkonsums unmißverständlich klar, daß der intelligenzmäßig durchschnittlich befähigte, wohlüberlegt und geplant handelnde Angeklagte ungeachtet eines ihm zugebilligten emotionellen, durch Alkoholübergenuß noch aktivierten Erregungszustandes ohne Zweifel imstande war, das Unrecht seines Tuns einzusehen und sich nach dieser Einsicht zu verhalten, und daß es ihm zuzumuten gewesen wäre, sein Verhalten zu steuern und zu lenken bzw sein Fehlverhalten zu unterlassen (AS 306 f in Verbindung mit ON 19). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines die Zurechnungsfähigkeit in Frage stellenden Zustandes im Sinn des § 11 StGB, insbesondere der von der Beschwerde reklamierten, die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit beeinträchtigenden (tiefgreifenden) Bewußtsseinstörung wurden vom Sachverständigen nicht erhoben. Da auch der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers - der zwar in der Hauptverhandlung den in der Beschwerde betonten Alkoholgenuß, nicht aber eine daraus resultierende Zurechnungsunfähigkeit behauptete
(vgl AS 236 ff) - und den übrigen Beweisergebnissen kein diesbezüglicher Hinweis zu entnehmen ist, war die von der Beschwerde vermißte Zusatzfrage somit nicht indiziert.
Rechtliche Beurteilung
Dem Beschwerdevorbringen zuwider läßt auch die Verantwortung des Angeklagten zum Schuldspruch nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Punkt A/I des Urteilssatzes) das geltend gemachte Vorliegen bloßer Fahrlässigkeitsschuld nicht möglich erscheinen. Das Eingeständnis (im Verlauf einer heftigen wörtlichen Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau), "so wild geworden zu sein" und (ihr) einen "Spitz" (AS 223) bzw einen "Tritt" (AS 224) versetzt zu haben, deutet vielmehr im Zusammenhang mit der in der Hauptverhandlung erörterten (AS 224) Aussage vor dem Untersuchungsrichter, "die Nerven verloren und auf Christine eingeschlagen zu haben" (AS 93 d), unverkennbar auf ein vom Wissen und Wollen des Täters erfaßtes und demnach zumindest bedingt vorsätzliches Aggressionsverhalten, dem jegliches Merkmal einer bloßen Sorgfaltswidrigkeit im Sinn des § 6 StGB fehlt. Einer Eventualfrage in Richtung des § 88 Abs. 1 StGB bedurfte es daher gleichfalls nicht.
Als nicht stichhältig erweist sich schließlich auch das Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO, mit dem die im Wahrspruch der Geschwornen festgestellte Tatsache jeweils vorsätzlichen Handelns im wesentlichen mit der Begründung angefochten wird, daß sich der Beschwerdeführer nur durch "hochgradige Emotion", hervorgerufen durch die nicht von ihm allein zu verantwortende Ehescheidung, zu "Gewalttätigkeiten und Drohungen" habe hinreißen lassen. Daß dieser undifferenzierte, nur pauschal auf die familiäre Situation zum Tatzeitpunkt bezugnehmende Einwand nicht geeignet ist, erhebliche Zweifel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes an der Richtigkeit der zur Annahme vorsätzlichen Handelns führenden Beweiswürdigung der Geschwornen aufkommen zu lassen (vgl hiezu auch RZ 1989/34), bedarf - abgesehen davon, daß selbst hochgradige Emotion grundsätzlich vorsätzliches Tun nicht auszuschließen vermag - angesichts der eindeutigen, in der Beschwerde gar nicht konkret aufgegriffenen Beweisergebnisse keiner weiteren Erörterung.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war darum - der Rechtsauffassung der Generalprokuratur folgend - zu verwerfen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil deshalb mit einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit (§ 345 Abs. 1 Z 12 StPO) behaftet ist, weil die dem Angeklagten zu Punkt B/I des Urteilssatzes angelastete Tat rechtlich nicht nur der Bestimmung des § 109 Abs. 3 Z 1 StGB, sondern ungeachtet der insoweit vorliegenden Gesetzeskonkurrenz durch Konsumtion (vgl hiezu JBl 1978, 160) auch dem § 109 Abs. 1 StGB unterstellt wurde. Es war daher das angefochtene Urteil im Ausspruch über diese rechtliche Unterstellung der erwähnten Tat (auch unter den § 109 Abs. 1 StGB) und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben.
Infolge dieser Teilaufhebung war für die dem Angeklagten weiterhin zur Last fallenden Delikte die Strafe neu zu bemessen. Dabei konnte von den schon in erster Instanz zutreffend und vollständig erfaßten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden. Deren richtige Würdigung läßt eine gegenüber der Auffassung des Geschwornengerichtes noch weitergehende außerordentliche Strafmilderung zu. Eine zu verhängende Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren wird dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schwere der Schuld des Täters gerecht.
Die Anrechnung der Vorhaft blieb als Ausspruch sui generis von der teilweisen Urteilsaufhebung unberührt.
Mit seiner nunmehr gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Der Kostenausspruch fußt auf der zitierten Gesetzesstelle.
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