OGH 11Os54/90

OGH11Os54/9013.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Juni 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pilnacek als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas T*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130, zweiter Fall, und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Jänner 1990, GZ 4 c Vr 303/89-81, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Kaufmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf sechs Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Andreas T*** zu Punkt A./ des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130, zweiter Fall, und 15 StGB, zu Punkt B./ des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 1, 224 StGB, zu Punkt C./ des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB, zu Punkt D./ des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und zu E./ des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Z 4, 5, 5 a, 7 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO stützt.

Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte (Z 4) erblickt er in der Abweisung (AS 492/Bd I) seiner in der Hauptverhandlung vom 16. Jänner 1990 gestellten Beweisanträge (AS 490, 491/Bd I).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge ist unbegründet.

Den Antrag "auf neuerliche Ladung und Vernehmung unter Eid" der - den Beschwerdeführer belastenden und bereits rechtskräftig verurteilten - Mittäter Ernst P*** und Alexander M*** sowie des Zeugen M*** zum Nachweis dafür, daß T*** "die ihm vorgeworfenen Diebstähle nicht begangen hat" (AS 490/Bd I), konnte das Erstgericht ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte mit der zutreffenden Begründung ablehnen (AS 492/Bd I), daß die genannten Personen im gegenständlichen Verfahren bereits "ausführlichst" (und wiederholt) vernommen wurden (Pelech:

AS 375 ff, 453 ff/Bd I; Mayerhofer: AS 312 ff, 370 ff/Bd I; Misic:

AS 306 ff, 380 ff/Bd I). Der nunmehr verlangten Beeidigung der Mittäter P*** und M*** steht - was der Beschwerdeführer übersieht - das Eideshindernis des § 170 Z 1 StPO entgegen. Eine Beeidigung des Zeugen M*** hätte der Beschwerdeführer bei Abhörung verlangen können (§ 247 Abs. 2 StPO). Wenn Andreas T*** insoweit in seiner Verfahrensrüge global ausführt, die neuerliche Vernehmung "seiner angeblichen Mittäter" sei erforderlich, "um ihnen zusammenfassend die Erhebungsergebnisse und alle jene schwerwiegenden Ungereimtheiten vorzuhalten, die sich aus ihren Aussagen ergeben", und - ersichtlich zur Illustration - einen Widerspruch zwischen den Angaben des Zeugen Kurt R*** (in der Hauptverhandlung vom 27.Juni 1989 AS 311/Bd I) und des rechtskräftig verurteilten Ernst P*** (als Zeuge im Vorverfahren AS 176/Bd I) behauptet, ist ihm entgegenzuhalten, daß es ihm oder seinem Verteidiger oblegen wäre, diese nunmehr als notwendig erachteten Vorhalte aus Anlaß der Abhörung der Zeugen durch Ausübung des Fragerechtes (§ 249 Abs. 1 StPO) anzubringen. Der behauptete Widerspruch liegt im übrigen nicht vor; denn der Zeuge Kurt R*** hatte - dem Beschwerdevorbringen zuwider - nicht angeben, daß ein schwarzlackierter BMW "nicht vorhanden gewesen wäre" (AS 46/Bd II), sondern der Sache nach bloß ausgesagt, daß ein solcher BMW nicht im Eigentum der Fa "I***-R***" stand (AS 311/Bd I).

Die Ablehnung der Vernehmung der Marianne T*** stellt - wie der Schöffensenat zutreffend ausführt (AS 493/Bd I, 26/Bd II) - schon deshalb keinen die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers beeinträchtigenden Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze dar, weil die Aussage dieser Zeugin weder nach dem Vorbringen des Angeklagten noch nach den dem Gericht insoweit bereits vorliegenden Verfahrensergebnissen geeignet war, das in Aussicht gestellte "lückenlose Alibi" zu erbringen (vgl AS 27, 28/Bd II). Welches für ihn günstigere Ergebnis "die nochmalige Ladung und Vernehmung der Zeugin Annemarie R***" hätte erbringen sollen, ist dem Beweisantrag (AS 490/Bd I) nicht zu entnehmen. Insoweit gebricht es daher schon an einem prozeßordnungsgemäß gestellten (überprüfbaren) Beweisantrag.

Gleiches gilt für den der Ablehnung verfallenen Antrag auf Beischaffung der Strafakten betreffend die Mittäter Ernst P*** und Alexander M*** zum Nachweis dafür, der Angeklagte habe nicht gewußt, daß der von ihm gelenkte BMW 525 i (Schuldspruch Punkt A./I./1./) gestohlen war. Denn der Beschwerdeführer behauptet gar nicht, daß sich die beiden Mittäter - abweichend von ihrer Verantwortung im Vorverfahren und ihren zeugenschaftlichen Aussagen im gegenständlichen Verfahren - in der gegen sie abgeführten Hauptverhandlung als Angeklagte anders (nämlich in einer den Angeklagten T*** entlastenden Form) verantwortet hätten. Es ist darum dem Beweisantrag desgleichen nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen nach Ansicht des Beschwerdeführers bei Durchführung des von ihm beantragten Beweises ein für ihn günstigeres und für die Schuldfrage bedeutendes Ergebnis zu erwarten war.

Es versagen aber auch die undifferenziert und gemeinsam ausgeführten Mängel- (Z 5) und Tatsachen- (Z 5 a) sowie die Rechtsrügen (Z 9 lit a).

Der Frage, ob jener BMW, den der Zeuge Ernst P*** mit Diebstahlsvorsatz "abfahrbereit zur Ausfahrt rangiert hatte", tatsächlich schwarz lackiert war oder nicht (AS 55; 176/Bd I; 9/Bd II) und wem dieses Fahrzeug allenfalls gehörte (AS 311/Bd I) kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu; genug daran, daß die Täter einen PKW der Marke BMW stehlen wollten (AS 176/Bd I), ihn abfahrbereit zur Ausfahrt stellten und nur deshalb vom Diebstahl Abstand nahmen (und ein anderes Fahrzeug stahlen), weil dieses Fahrzeug nicht mehr gestartet werden konnte (AS 9/Bd II). Insbesondere die letzterwähnte Urteilskonstatierung übergeht der Beschwerdeführer, wenn er "aus rechtlichen Gründen" seinen Freispruch verlangt. Denn daß das Bereitstellen von Diebsgut zum alsbaldigen Abtransport den Versuch der Straftat darstellt, ist hier nicht in Zweifel zu ziehen; dazu reicht aber - dem Beschwerdevorbringen zuwider - auch schon eine geringfügige Ortsveränderung im Bereich des Lagerplatzes aus, sodaß nur noch zu prüfen bleibt, ob nach Lage des Falles der Strafaufhebungsgrund des § 16 Abs. 1 StGB vorliegt. Da jedoch die Täter nach der vom Beschwerdeführer übergangenen Feststellung nicht freiwillig die Ausführung aufgaben, sondern der Eintritt des Erfolges nur infolge einer Startpanne unterblieb, kann von einem strafaufhebenden freiwilligen Rücktritt (vom Versuch) keine Rede sein. Für hypothetische Spekulationen über Geschehnisse, wenn der Motor jenes PKW's "angesprungen", insbesondere ob dann der Diebstahl eines anderen PKW's unterblieben wäre, bleibt bei dieser Sach- und Rechtslage kein Raum.

Der - im Ergebnis auf eine in der Senatsgerichtsbarkeit unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung

hinauslaufende - Beschwerdeeinwand, der Zeuge P*** habe "zumindest im Faktum A./II./ objektiv die Unwahrheit gesagt" (AS 47/Bd II), findet - wie bereits angedeutet - in der Aktenlage keine Deckung. Ebenfalls auf das ihm im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde verwehrte Gebiet der Bekämpfung der Beweiswürdigung begibt sich der Beschwerdeführer mit der Wiederholung seiner von den Tatrichtern als widerlegt erachteten leugnenden Verantwortung. Auch mit der daran anknüpfenden Beschwerdebehauptung, daß "die ihn belastenden Aussagen hinsichtlich der Fakten A./B./ und E./ ohne Überprüfung der Aussagen durch weitere Erhebungen etc" zu einem Schuldspruch nicht ausreichen (AS 48/Bd II), bringt er keinen der angerufenen Nichtigkeitsgründe zur gesetzmäßigen Darstellung: Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten Tatsachen ergeben sich aber aus den Akten nicht (§ 281 Abs. 1 Z 5 a StPO).

Gleiches gilt für den Beschwerdeeinwand, "in den Fakten C./ wäre die neuerliche Prüfung und Festlegung der Zeitabläufe und seines jeweiligen Aufenthalts erforderlich gewesen" (AS 48/Bd II). Keine entscheidungswesentliche Bedeutung kommt dabei der vom Beschwerdeführer relevierten Frage zu, ob er sich - im Dezember 1988 (AS 392 Bd I) - mit Sylvia K*** "wieder" versöhnt und mit ihr zusammen gewohnt hat. Denn auch nach diesen Einlassungen bestand jedenfalls während der Tatzeit keine Lebensgemeinschaft (AS 302 ff, 368 ff/Bd I).

Soweit der Beschwerdeführer zum Schuldspruch wegen Verbrechens der Verleumdung (Punkt E./ des Urteilssatzes) mit Bezugnahme auf die Ausdehnung der Anklageschrift in der Hauptverhandlung (AS 483/Bd I) seinen (förmlichen) Freispruch wegen Verleumdung auch des Mica M*** verlangt (vgl die insoweit auf einen Freispruch hinauslaufende Formulierung des Schuldspruches Punkt E./) und insoweit Nichterledigung der Anklage einwendet, verkennt er, daß er nicht berechtigt ist, den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 7 StPO geltend zu machen, weil er eine Nichtigkeitsbeschwerde nur zu seinen Gunsten erheben kann und ihm die Nichterledigung eines Anklagepunktes an sich zum Vorteil gereicht (Mayerhofer-Rieder StPO2 Anm 1 zu § 281 Abs. 1 Z 7). Überdies ist aber ein unzweifelhafter, wenn auch nicht förmlicher Freispruch ohnehin ergangen. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 128 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, "die mehrfache Begehung" (von Diebstählen und gefährlichen Drohungen), das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und den raschen Rückfall als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die Sicherstellung der Diebsbeute sowie den Umstand, daß es in einem Faktum beim Versuch blieb, als mildernd. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafdauer.

Die Berufung ist berechtigt.

Das Schöffengericht stellte die gegebenen Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig fest, maß jedoch dem aktiven Beitrag des Andreas T*** zur raschen Sicherstellung der gestohlenen Fahrzeuge zu wenig Bedeutung bei. Trotz des hohen Gesinnungs- und Handlungsunwertes der vom Angeklagten zu verantwortenden strafbaren Handlungen erschien bei sorgfältiger Abwägung des tatsächlichen Gewichts der für und gegen T*** sprechenden Umstände eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf das Ausmaß von sechs Jahren als tat- und tätergerecht.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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