OGH 11Os54/86

OGH11Os54/8613.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Mai 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführers, in der Strafsache gegen Gerhard K*** und Manfred O*** wegen des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengerichts vom 16.Oktober 1985, GZ 1 c Vr 1.938/84-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Hauptmann als Vertreters der Generalprokuratur, der Angeklagten Gerhard K*** und Manfred O***, der gesetzlichen Vertreter Maria K*** und Ingrid O*** sowie der Verteidiger Dr. Kainz und Dr. Klingsbigl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Gerhard K*** wird dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Monate herabgesetzt wird.

Der Berufung des Angeklagten Manfred O*** wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 3 1/2 (dreieinhalb) Monate herabgesetzt wird. Im übrigen wird seiner Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 28.Jänner 1969 geborene Fleischhauerlehrling Gerhard K*** und der am 15.Juli 1969 geborene Kochlehrling Manfred O*** schuldig erkannt, in der Zeit von ca. November 1983 bis Feber 1984 in Wien in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem - gleichfalls

jugendlichen - Mitangeklagten Harald T*** in mehreren Angriffen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, ihren Mitschüler Thomas K*** mit Gewalt, nämlich durch Schläge, und durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Ankündigung weiterer Schläge, zur Ausfolgung von Zigaretten und Bargeld genötigt zu haben, wodurch Thomas K*** am Vermögen um etwa 2.000 S geschädigt wurde, und hiedurch das Verbrechen der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB begangen zu haben (Urteilstat A). Manfred O*** liegt überdies zur Last, am 27. Feber 1984 in Wien den Thomas K*** durch Versetzen eines Schlages in das Gesicht, wodurch er Hautabschürfungen an der Schleimhaut der Oberlippe sowie eine Schwellung in diesem Bereich erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt und hiedurch auch das Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB begangen zu haben (B).

Gegen dieses Urteil erhoben die Angeklagten Gerhard K*** und Manfred O*** auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO und von letzterem auch auf die Z 9 lit a und 9 lit b des § 281 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten

Gerhard K***:

Die vom Angeklagten K*** gerügte Unterlassung einer Auseinandersetzung mit den Zeugenaussagen der Mitschüler Peter C***, Walter R*** und Harald W*** über die Versuche des Thomas K***, sich für den Fall einer Rauferei die Unterstützung anderer Schüler, insbesondere der Angeklagten, zu erkaufen, ist für die Entscheidung nicht relevant, weil das Erstgericht solche Versuche ohnehin als erwiesen annahm (S 138). Daß der Zeuge C*** auf die Frage, ob K*** von den Angeklagten unterdrückt wurde, die Antwort "Nein, ich glaube nicht" (S 116 oben) gab, bedurfte keiner besonderen Erörterung in den Urteilsgründen; schloß doch der Zeuge damit die den Angeklagten vorgeworfenen Erpressungsakte nicht aus.

Die Charakterisierung des Thomas K*** durch den Zeugen (Fachlehrer) Philipp H*** als geltungsbedürftig und zu Einbildungen sowie Flunkereien ohne reale Grundlage neigend (S 114) deckt sich mit den Urteilsannahmen (S 138, 139), mag auch das Erstgericht nur die Übereinstimmung mit dem erwähnten Lehrer bei der charakterlichen Beurteilung der Angeklagten ausdrücklich betont haben (S 140 unten). Wenn das Erstgericht ungeachtet dieser Charaktereigenschaften den Angaben des Zeugen Thomas K*** zur Urteilstat A in ihrem entscheidungswesentlichen Kern dennoch Glaubwürdigkeit zuerkannte, so beruhte diese - auf den Aussagen der Zeugen Philipp H*** und Elfriede K*** sowie auf dem Teilgeständnis des Mitangeklagten T***

gründende - Schlußfolgerung also keineswegs auf der vom Nichtigkeitswerber behaupteten unvollständigen Erfassung und Verwertung der Verfahrensergebnisse. Soweit der Beschwerdeführer abschließend vermeint, bei Berücksichtigung dieser Beweisergebnisse im Zusammenhalt mit den vom Erstgericht auf Erinnerungsschwäche zurückgeführten Widersprüchen in den belastenden Angaben des Zeugen Thomas K*** wäre eine andere - für ihn günstigere - Lösung der Beweisfrage möglich gewesen, verlegt er sich auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates, die im Nichtigkeitsverfahren unzulässig ist.

Sohin war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard K*** zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten

Manfred O***:

Der Beschwerdeführer setzt sich mit jenem Teil seiner Mängelrüge, der die Aussagen der Zeugen Elfriede K*** und Philipp H*** als zu seiner Überführung nicht hinreichend bezeichnet, weil es sich um keine unmittelbaren Tatzeugen handle, über den Kern der Urteilsbegründung (S 141 unten in Verbindung mit S 139 unten und S 140) hinweg, derzufolge in den Aussagen dieser Zeugen insofern eine (weitere) Bestätigung der belastenden Darstellung des unmittelbaren Tatzeugen (und Opfers) Thomas K*** zu erblicken ist, als Elfriede K*** wiederholt Bemerkungen ihres Sohnes Thomas über dessen Angst vor einer Clique von Mitschülern und Philipp H*** ein gewisses Eingeständnis des Angeklagten T*** vernommen zu haben angaben. In ähnlicher Weise unterläßt es der Angeklagte O***, auf das in der Urteilsbegründung (S 141 unten) ausdrücklich verwertete Geständnis des T*** vor der Polizei (S 41) einzugehen; er befaßt sich nur mit dem teilweisen Widerruf dieses Geständnisses in der Hauptverhandlung (S 93). Auch insoweit bringt er den angerufenen Nichtigkeitsgrund (unzureichender Urteilsgründung; § 281 Abs 1 Z 5 StPO) nicht zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung, sondern bekämpft lediglich - unter Außerachtlassung der erstgerichtlichen Argumentation - die Beweiswürdigung des Schöffensenates nach Art einer hier unzulässigen Schuldberufung.

Die nach Ansicht des Beschwerdeführers vom Erstgericht überhaupt nicht begründete Feststellung der Schadenshöhe betrifft keine entscheidende (d.h. für die Subsumtion oder für die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes maßgebliche) Tatsache; im übrigen ist der Urteilsbegründung (S 141 unten und 142) ohnedies zu entnehmen, daß das Erstgericht auch insoweit der Aussage des Zeugen Thomas K*** (S 124, letzter Absatz, 125 oben) folgte.

In der Mängelrüge zur Urteilstat B (Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB) setzt sich der Angeklagte O*** erneut über die Urteilsbegründung (S 141) hinweg, worin insbesondere auf die Bestätigung des betreffenden (primär auf den Angaben des Verletzten vor der Polizei basierenden) Vorwurfs durch den Mitangeklagten Harald T*** (S 55 b verso und 93) hingewiesen wird. Gesetzmäßig ausgeführt ist die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Zusammenhang nur mit der Behauptung des Mangels einer Begründung der Urteilsfeststellung über den (bedingten) Verletzungsvorsatz des Beschwerdeführers (S 142); inhaltlich kommt jedoch auch dieser Rüge keine Berechtigung zu, weil das Erstgericht insoweit aus dem äußeren Tathergang (Führen eines Schlages gegen den besonders verletzungsanfälligen Mundbereich) einen mit den Denkgesetzen zu vereinbarenden Schluß auf die innere Tatseite - zulässigerweise - zog (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , § 5, RN 23).

Der Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO wird nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht; denn das Vorbringen, wonach im Fall der Urteilstat B ein nach dem § 83 (richtig: § 88) Abs 2 Z 4 StGB strafloses fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers vorliege, beruht auf einer vom Urteilssachverhalt (S 142) abweichenden Verneinung eines Verletzungsvorsatzes. Was aber die mangelnde Strafwürdigkeit der Urteilstat B reklamierende Rechtsrüge nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anlangt, so fehlt es schon an der unter der Z 1 des § 42 Abs 1 StGB normierten Voraussetzung geringer Schuld: Da der Angeklagte Manfred O*** den Urteilsfeststellungen (S 139, zweiter Abs) zufolge die Verletzungstat ohne besonderen (provozierenden) Anlaß lediglich als Reaktion auf eine vom Opfer an ihn als Klassenvertreter und Schulsprecher gerichtete Frage verübte, blieb sein Verschulden keinesfalls hinter dem in der Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt zurück (EvBl 1977/102; 1984/51 ua). Hinzu kommt, daß das Gesamtverhalten des Manfred O***, das seine Neigung zu rücksichtsloser Ausnützung seiner körperlichen Überlegenheit manifestiert, die Anwendung des § 42 StGB auch aus präventiven Erwägungen (§ 42 Abs 1 Z 3 StGB; siehe neuerlich EvBl 1984/51 aE) nicht vertretbar erscheinen läßt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred O*** war mithin gleichfalls zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Gerhard K*** und Manfred O*** Freiheitsstrafen, und zwar über Gerhard K*** in der Dauer von sechs Monaten sowie über Manfred O*** in der Dauer von acht Monaten und sah diese Strafen gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nach. Bei der Strafbemessung wertete es die wiederholte Tatbegehung, bei Manfred O*** überdies das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte das Erstgericht demgegenüber den bisherigen ordentlichen Wandel und den Umstand, daß sich die beiden Angeklagten bereits seit längerer Zeit wieder wohlverhalten, bei Manfred O*** auch das Alter von knapp über 14 Jahren zum Zeitpunkt der Tat als mildernd.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten die Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen, Manfred O*** auch die Reduktion der Probezeit an.

Nur die Berufungen gegen das Strafausmaß sind begründet. Die vom Jugendschöffengericht über die beiden Berufungswerber verhängten Strafen erweisen sich als deutlich überhöht. Zieht man vor allem in Betracht, daß die Strafmündigkeitsgrenze bei Gerhard K*** und Manfred O*** im maßgebenden Zeitraum nur knapp überschritten war, sie sich bereits längere Zeit wieder wohlverhalten und auch gewisse negative gruppendynamische Effekte in einer Klassengemeinschaft nicht unberücksichtigt gelassen werden können, dann ist bei beiden genannten Angeklagten eine Reduktion der Strafhöhe auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß geboten. In diesem Sinn war den Berufungen des Gerhard K*** und des Manfred O*** daher Folge zu geben.

Die von Manfred O*** überdies begehrte Ermäßigung der Probezeit war jedoch aus spezialpräventiven Gründen nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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