Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen wurde der am 11. Dezember 1964 geborene Markus D*** des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 29.September 1988 in Braunau am Inn die Anita R*** durch etwa 120 Messerstiche (vorsätzlich) tötete. Die Geschwornen hatten die diesbezügliche Hauptfrage 2 bejaht, daher folgerichtig die Eventualfragen nach den Verbrechen des Totschlags, der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge sowie der schweren Körperverletzung mit tödlichem Ausgang unbeantwortet gelassen und die Zusatzfrage nach Vorliegen eines der Zustände des § 11 StGB verneint. Darüber hinaus wurde der Angeklagte des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (Verletzung des Johann B***), des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB (jeweils zum Nachteil des Mario S***) schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Lediglich den Schuldspruch wegen Mordes sowie den Strafausspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 8, 10 a, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er auch mit Berufung an.
Als unrichtig im Sinn des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes bezeichnet der Beschwerdeführer die Rechtsbelehrung vor allem deshalb, weil sie für die allgemeine Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung einen "Durchschnittsmenschen" als Maßfigur heranzieht; richtigerweise käme es jedoch - wie der Beschwerdeführer, auf die Darlegungen von Moos im WK zu § 76 StGB gestützt, ausführt - darauf an, wie sich ein Mensch von der Art des Täters in dessen Lage verhalten hätte.
Der zitierten Ansicht des Beschwerdeführers kann in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden. Die Rechtsbelehrung folgt im wesentlichen den Ausführungen von Leukauf-Steininger, StGB2 (RN 5, 7, 8 zu § 76) und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der ua auf eine Maßfigur durchschnittlicher Rechtstreue abstellt. Liegt die Ursache der heftigen Gemütsbewegung in einem psychisch abnormen Persönlichkeitsbild des Täters, also in seinem Charakter (Stimmungslabilität, leichte Erregbarkeit, mangelnde Beherrschung, gesteigerte Aggressivität usw) oder in seinen allenfalls vorhandenen verwerflichen Beweggründen (zB Rachsucht), so ist sie nicht allgemein verständlich (vgl. Foregger-Serini-Kodek, StGB4, Anm. I; Kienapfel BT I2, RN 26, 30 jeweils zu § 76). Eine Objektivierung der allgemeinen Begreiflichkeit durch Einführung einer fiktiven Maßfigur verlangt auch Moos (WK, Rz 29), der sich gleichfalls zu der bewährten Leitlinie der Judikatur bekennt, die Ursache der Gemütsbewegung dürfe nicht im Charakter des Täters, dessen verwerflichen Neigungen oder Leidenschaften, sondern lediglich in äußeren Umständen zu suchen sein. Moos hebt hervor, daß ein Täter notwendigerweise für seine Charaktereigenschaften einstehen muß, wenn sie unter dem Niveau der Maßfigur liegen (Rz 30). Der Maßstab findet sich im Verhalten eines mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen (Rz 31). Wenngleich Moos in den vom Beschwerdeführer zitierten Passagen seines Kommentars den Begriff des Durchschnittsmenschen als - seiner Meinung nach - "ungenau" bezeichnet, führt doch die von ihm geforderte Präzisierung, die Vergleichsperson müsse sich dem Täter möglichst nähern (Rz 33; vgl. dazu auch Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr. 8 zu § 76), zu keinen anderen Ergebnissen als die Beschreibung in der Rechtsbelehrung, weil auch danach schlechte Charaktereigenschaften des Täters - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - jedenfalls zu abstrahieren sind und die Maßfigur bei aller sonstiger Annäherung an den Täter ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch sein muß.
Zu Unrecht wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Rechtsbelehrung auch insofern, als sie (zutreffend; vgl. ua Mayerhofer-Rieder, StGB3, Anm. 4 zu § 76) darauf verweist (S 17), daß besondere Verwerflichkeit der Begehungsweise die Anwendbarkeit des § 76 StGB nicht ohne weiteres ausschließt. Denn diese ersichtlich auf die Umstände des vorliegenden Falles (120 Messerstiche) abgestellte Bemerkung sollte den Angeklagten (gerade) vor einer allfälligen Ablehnung der milderen Beurteilung seiner Tat wegen der bestialischen Ausführung schützen und besagt komprimiert das, was der Beschwerdeführer - abermals Moos (Rz 51) folgend - in besonderer Ausführlichkeit darlegt.
Die behauptete Nichtigkeit nach dem § 345 Abs 1 Z 8 StPO liegt somit nicht vor.
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10 a StPO führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergäben. Aus verschiedenen, im einzelnen angeführten Umständen folge die richtige Beurteilung der Tat als Totschlag in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung.
In der Bejahung der Hauptfrage wegen Mordes liegt die (negative) Feststellung, daß der Angeklagte nicht in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung handelte. Dieser Ausspruch der Geschwornen enthält sowohl tatsächliche als auch rechtliche Momente, wobei für das Vorliegen des behaupteten Nichtigkeitsgrundes (Z 10 a) allein maßgebend ist, ob schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung oder Hinweise auf aktenkundige Beweisergebnisse aufgezeigt werden, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (EvBl 1988/116 = RZ 1989/34). Dies ist im vorliegenden Fall zu verneinen. Alle vom Angeklagten angeführten Argumente sprechen zwar für eine heftige Gemütsbewegung, keineswegs aber für ihre allgemeine Begreiflichkeit. Begreiflich im Sinn des Angeklagten wird die Tat gegen das verheiratete "untreue" Mordopfer, von dem er sich bereits Tage vorher getrennt hatte, nur bei Berücksichtigung der vom psychiatrischen Sachverständigen dargelegten labilen und abnormen Charakterzüge (des Täters), die vor allem in einem abnormen Aggressionspotential und einer übermäßigen Erregbarkeit begründet sind (S 231, 235/II). Verneinung der allgemeinen Begreiflichkeit ist im übrigen zumindest überwiegend nicht Tatsachenfeststellung, sondern rechtliche Beurteilung. Handeln im Affekt für sich allein schließt die Beurteilung einer vorsätzlichen Tötung als Mord noch nicht aus (ÖJZ-LSK 1976/361). Es versagt daher auch die Tatsachenrüge des Beschwerdeführers. Dessen Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO), die abermals eine Beurteilung der Tat als Totschlag anstrebt, vergleicht nicht den im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz und ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Mit der Strafzumessungsrüge (§ 345 Abs 1 Z 13 StPO) wird die Verhängung der Höchststrafe bekämpft, weil bei einem dem § 76 StGB nahekommenden Fall eine Strafe im unteren Bereich des (gemäß § 41 StGB erweiterten) Strafrahmens angemessen wäre. Mit diesem Vorbringen wird jedoch keiner der Fälle des behaupteten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt; weder überschritt das Geschwornengericht seine Strafbefugnis, noch beurteilte es für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar rechtlich unrichtig (EvBl 1988/115) oder verstieß in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung. Bei diesem von den Beschwerdeausführungen offenbar gemeinten letzten Fall des behaupteten Nichtigkeitsgrundes kommt es zudem nicht auf die Unvertretbarkeit der Unrechtsfolge schlechthin an, sondern auf das Vorliegen von Verstößen gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung, dh auf die Heranziehung von Kriterien, die den im Gesetz normierten Strafzumessungsgründen widersprechen (Tschulik, RZ 1988, 52 sowie EvBl 1988/116). Ein solcher Verstoß liegt aber weder vor noch wird er vom Beschwerdeführer konkret behauptet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach den §§ 28, 75 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und wertete das mehrfach und gravierend durch Aggressionsdelikte getrübte Vorleben, die besondere Brutalität der Vorgangsweise und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend. Als mildernd wurde berücksichtigt, daß der Angeklagte doch Reue und Schuldeinsicht zeigte und (außer der vorsätzlichen Tötung) ein umfassendes und zur Wahrheitsfindung beitragendes Geständnis ablegte.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe - allenfalls auch unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes - an.
Unter Einbeziehung des Vorbringens zur Nichtigkeitsbeschwerde, das gemeinsam mit der Berufungsausführung zu würdigen ist, legt der Berufungswerber besonderes Gewicht auf den auch von den Geschwornen in ihrer Niederschrift berücksichtigten Umstand, daß er sich aus Enttäuschung über das treulose Verhalten des Tatopfers zufolge einer spontanen Aggressionsentladung zu den Messerstichen hinreißen habe lassen. Unter Hinweis auf Ausführungen von Moos im WK Rz 48 zu § 75 StGB will er daraus ableiten, daß nur eine zeitliche Freiheitsstrafe inner- oder unterhalb des gesetzlichen Strafrahmens zu verhängen wäre.
Diesen Einstieg in die Strafbemessung könnte man bei einem nicht vorbelasteten Täter, der in einer einmaligen Lebenssituation zwar nicht unter den privilegierenden Tatmerkmalen des § 76 StGB, aber doch unter dem Einfluß einer erheblichen Gemütsbewegung getötet hat, durchaus befürworten. Wie aber auch Moos zutreffend ausführt (Rz 43-46 aaO), können Umstände des Einzelfalles, zu denen jedenfalls auch die Deliktshäufung, die Gefährlichkeit des Täters und die verwerfliche Begehungsweise der Tat zählen, dazu führen, daß nur die vom Gesetz angedrohte Höchststrafe als tat- und schuldangemessen zu betrachten ist.
Gerade solche Umstände liegen aber beim Angeklagten vor, der nicht nur wiederholt einschlägig vorbestraft ist und die mit ihm intim befreundet gewesene Frau mit einer Unzahl von Messerstichen geradezu hinrichtete, sondern nach dieser grausamen Tat noch weitere Aggressionsdelikte gegen Mario S*** verübte, um ihn zur Mithilfe bei der Verbringung der Leiche zu gewinnen. In diesem Gesamtverhalten kommt ein intensiver, in der Persönlichkeitsstruktur wurzelnder Täterwille zum Ausdruck, der die Gefährlichkeit des Angeklagten sinnfällig unterstreicht. Der Oberste Gerichtshof kam daher zur Meinung, daß die täterspezifischen Erschwerungsumstände so gravierend sind, daß die angestrebte Strafmilderung nicht dem Gesetz entspricht.
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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