OGH 11Os49/99

OGH11Os49/9924.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vielhaber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert Franz M***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung des Finanzamtes Salzburg-Stadt gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 10. Dezember 1998, GZ 33 Vr 950/97-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und das Finanzamt Salzburg-Stadt auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Herbert Franz M***** wurde des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt, weil er in Salzburg als Geschäftsführer der Fa. C*****gmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen durch deren Nichtabgabe für die Monate Mai bis August 1995, Oktober bis Dezember 1995, Februar, März, Mai und August bis November 1996 eine jeweils für gewiß gehaltene Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen von insgesamt 11,084.029 S bewirkt hat.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf Z 5, 5a sowie 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Sowohl in der Rechtsrüge (Z 9 lit b) als auch teilweise in der Mängelrüge (Z 5) zeigt der Beschwerdeführer zutreffend auf, daß für die Beurteilung der wirksamen Schadensgutmachung nach § 29 FinStrG wesentliche Feststellungen dahingehend unterblieben sind, welche Zahlungen im Zuge der Selbstanzeigen zu welchen Zeitpunkten, in welcher Höhe und mit welcher Widmung erfolgten sowie ob sie auf Grund einer Zahlungsvereinbarung mit der Abgabenbehörde geleistet wurden.

Das Erstgericht hat zu diesen Themen nur lapidar festgestellt, daß "die Fa. C***** in der Zwischenzeit in unregelmäßigen Abständen Zahlungen auf den Rückstand leistete" und "von den hier in Rede stehenden (gemeint: von der Anklage betroffenen) Umsatzsteuern lediglich ein Betrag von 62.951,48 S offen ist" (US 5), ohne im Detail auf die einzelnen Zahlungen einzugehen. Auch der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Urteils läßt sich keine nähere Differenzierung der entrichteten Beträge entnehmen; das Schöffengericht kommt vielmehr zum pauschalen Ergebnis, daß dem Angeklagten der besondere Strafaufhebungsgrund des § 29 FinStrG nicht zugute komme, weil "die geschuldeten Beträge, das heißt die verkürzten Abgaben, nicht zeitgerecht entrichtet wurden" (US 8, 9).

Wie die Beschwerde richtigerweise aufzeigt, ergeben sich aber aus dem Beweisverfahren unerörtert gebliebene Indizien dafür, daß zumindest in Ansehung einzelner Voranmeldungszeiträume eine wirksame Schadensgutmachung im Sinne der genannten Gesetzesstelle erfolgt ist. Darunter fallen insbesondere

zum Voranmeldezeitraum Mai bis August 1995: die Gewährung einer Zahlungserleichterung vor Vollstreckbarkeit dieses Rückstandes (vgl Aussage des Amtsdirektors H***** S 218 ff; Tilgungsplan S 41) im Zusammenhalt mit Zahlungen laut Abgabenkontoaufstellung (ON 17) und Rückstandsausweisen (S 183, 185);

zu Oktober bis Dezember 1995, Februar, März und August 1996:

Zahlungen innerhalb offener Fristen nach Bekanntgabe von Festsetzungsbescheiden (ON 5 iVm Rückstandsausweisen S 185, 187 und Abgabenkontoaufstellung S 191, 195; vgl auch §§ 210 Abs 4 und 211 Abs 2 BAO) sowie

zu Mai 1996: die Begleichung dieser Umsatzsteuerzahllast (400.000 S) am 28. Oktober 1996 (S 27, 30) vor dem tatsächlichen Prüfungsbeginn am 29. Oktober 1996 (S 29, 101).

Zum Voranmeldezeitraum September bis November 1996 wiederum mangelt es an Feststellungen, ob sich der Gegenstand der Vernehmung des Angeklagten vor der Finanzstrafbehörde am 23. Jänner 1997 auch auf diese Monate bezogen hat. Denn seit dem Abgabenänderungsgesetz 1989 besteht eine Verpflichtung zur Einreichung einer Voranmeldung nur mehr dann, wenn die Vorauszahlung nicht fristgerecht oder nicht zur Gänze entrichtet oder der Abgabenpflichtige vom Finanzamt zur Einreichung aufgefordert wird, somit insbesondere dann nicht, wenn sich für einen Vorauszahlungszeitraum keine Abgabenschuld ergibt. Daraus folgt in Beziehung auf § 29 Abs 3 lit b FinStrG, daß aus der bloßen Nichtabgabe einer Voranmeldung allein oder im Unterbleiben einer Umsatzsteuervorauszahlung die Verwirklichung eines Finanzvergehens nicht erschlossen werden und somit (ohne Hinzutreten einer Kenntnis der Finanz- strafbehörde von weiteren konkreten Tatumständen) von einer auch nur teilweisen Tatentdeckung keine Rede sein kann (vgl 11 Os 41/98).

Sollte sich somit zum Zeitpunkt der Selbstanzeige keine Kenntnis der Finanzstrafbehörde von konkreten, auf eine diesbezügliche Tatbildverwirklichung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG hinweisenden Umstände ergeben, käme unter der weiteren (unerörtert gebliebenen) Voraussetzung entsprechen- der Verrechnungsweisungen aus der Abgabenkontoaufstellung indizierten Zahlungen bis zum 23. Jänner 1997 (unter Berücksichtigung der Nachfristregelung des § 211 Abs 2 BAO bis zum 28. Jänner 1997) strafbefreiende Wirkung nach § 29 Abs 3 FinStrG zu.

In diesem Zusammenhang ist für alle von der Anklage umfaßten Voranmeldezeiträume die Aussage der Zeugin E***** relevant, wonach (Teil)Zahlungen nach Selbstanzeigen für einzelne Monate gewidmet worden seien (S 136; vgl § 214 Abs 4 BAO; Leitner, Grundzüge des österreichischen Finanzstrafrechts, S 87; Stoll, BAO Kommentar Band 3, S 2303).

Alle dargelegten, jedoch im bekämpften Urteil übergangenen Tatumstände sind entscheidungswesentlich, weil sie indizieren, daß zumindest für einzelne Monate die Voraussetzungen des § 29 FinStrG erfüllt waren. Die aufgezeigten Feststellungsmängel machen die Aufhebung des gesamten Schuldspruchs unumgänglich. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdepunkte sowie ein amtswegiges Aufgreifen (§ 290 Abs 1 StPO) des in der erschwerenden Wertung der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages gelegenen Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO).

Das Erstgericht wird daher im zweiten Rechtsgang durch Beischaffung des Veranlagungsaktes und Vernehmung der erforderlichen Zeugen, insbesondere AD Wilhelm H*****, AD Martin R*****, OR Dr. S***** und Ingrid E*****, anhand der Abgabenkontoaufstellung (ON 17) differenziert nach den einzelnen Zahlungen das Vorliegen der für die Beurteilung nach § 29 FinStrG relevanten Umstände zu klären und festzustellen haben.

Es war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das Urteil zur Gänze aufzuheben und die Neudurchführung der Hauptverhandlung anzuordnen (§ 285e StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und das Finanzamt Salzburg-Stadt auf diese Entscheidung zu verweisen.

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