OGH 11Os48/95

OGH11Os48/9530.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Svatek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Matjaz K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 25.Jänner 1995, GZ 14 Vr 743/94-78, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Grilc zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - angefochtenen Urteil wurde Matjaz K***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Nacht zum 23.Mai 1994 in Klagenfurt als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung weiterer Bandenmitglieder, nämlich der abgesondert verfolgten Darko Z*****, Domen V***** und Zdenko P***** sowie eines weiteren, namentlich bislang unbekannten Täters, dem Adolf H***** mit Gewalt gegen dessen Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in verschiedenen Währungen (öS, DM und Lit) sowie eine goldene Geldspange im Gesamtwert von mindestens 12.300 S, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub unter Verwendung von Waffen, nämlich zumindest einer Faustfeuerwaffe (Kaliber 7,65 mm) sowie einer Hacke verübt wurde, indem sie (die Täter) maskiert und teils mit Schußwaffen ausgerüstet durch ein Kellerfenster in das Wohnhaus Klagenfurt, W*****weg 2, einstiegen, im Keller eine Hacke aufnahmen, sich in den ersten Stock begaben und dort unter Abgabe ungezielter Schüsse ins Schlafzimmer stürmten, Elfriede H***** im Bett niederhielten, ihr einen Polster gegen den Kopf drückten, den neben ihr liegenden Hund bewußtlos schlugen, Adolf H***** mit einem Fixiergriff aus dem Bett rissen, ihm Nase und Mund zuhielten, ihm mit einer Faustfeuerwaffe einen Schlag auf die Stirn versetzten und ihn schließlich unter der wiederholten Frage "Wo Geld, wo Geld" gewaltsam ins Erdgeschoß zerrten, wo er ihnen den Verwahrungsort der Raubbeute zeigte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich jedoch in keinem Punkt als berechtigt erweist.

Eine Nichtigkeit begründende Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Angeklagte zunächst darin, daß den Geschworenen nicht auch eine Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem - zumindest irrtümlich angenommenen - Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes (§ 10 StGB) gestellt wurde. Eine solche Frage war indes nicht indiziert, weil sich der Angeklagte entgegen dem Beschwerdevorbringen niemals auf das tatsächliche oder vermeintliche Vorliegen eines sogenannten "Befehlsnotstandes" berufen hat. Die Befolgung ihm - von gleichfalls tatbeteiligten höherrangigen slowenischen Polizeibeamten - erteilter tatrelevanter Befehle könnte dem Angeklagten nur unter der Voraussetzung des entschuldigenden Notstandes bzw eines diesbezüglichen Putativnotstandes exkulpieren, wenn im ersten Fall eine Notstandsituation tatsächlich vorlag, im Falle des Putativnotstandes hingegen bloß irrig angenommen wurde, die ihrerseits einen (bei Putativnotstand: vermeintlich) unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil für eigene oder fremde Individualrechtsgüter voraussetzt. Die in einer solchen Situation gesetzte Notstandshandlung darf nur in der Abwehr eines solchen Nachteils durch eine Handlung bestehen, die keinen unverhältnismäßig schweren Schaden befürchten läßt, wozu noch kommen muß, daß sich auch ein maßgerechter Mensch in der gegebenen Situation ebenso verhalten hätte und daß sich der Handelnde der Gefahr nicht bewußt und ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund ausgesetzt hat (zu den Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes vgl insbesondere Leukauf/Steininger, Komm3 § 10 RN 4 und 25).

Im vorliegenden Fall fehlt es zufolge der Einlassung des Angeklagten aber schon am primären Erfordernis des im Falle einer Befehlsverweigerung zu besorgenden unmittelbaren Eintritts eines erheblichen Nachteils, der für den Betroffenen so eindringlich gewesen wäre, daß ihm ein rechtmäßiges Verhalten nicht zumutbar gewesen wäre. Der Angeklagte hat vielmehr ausdrücklich erklärt, sich durch das in den tatrelevanten Befehlen zum Ausdruck kommende Vertrauen ranghöherer Mittäter geehrt gefühlt zu haben und Nachteile aus einer - demnach nicht ernsthaft erwogenen - Befehlsverweigerung gar nicht angeben zu können (317/Bd II). Ein die Beugung des entgegenstehenden Willens des Angeklagten durch eine (tatsächlich oder vermeintlich) drohende gewichtige unmittelbare Übelszufügung indizierendes Tatsachenvorbringen kann in der Verantwortung des Genannten somit keinesfalls erblickt werden. Damit fehlen aber die Voraussetzungen für die von der Beschwerde vermißte Stellung der Zusatzfrage.

Auch der (sachlich erhobene) Beschwerdeeinwand, die Qualifikationen nach § 143 erster und zweiter Fall StGB (Bandenraub und Raub mit Waffe) hätten nicht in die den Geschworenen anklagekonform gestellte (Haupt-)Frage mit aufgenommen werden dürfen, sie wären vielmehr gesonderten Zusatzfragen (§ 316 StPO) in Richtung der jeweiligen qualifikationsbegründenden Tathandlungen vorzubehalten gewesen, ist nicht stichhältig. Nach der Bestimmung des § 317 Abs 2 StPO bleibt es nämlich dem Ermessen des Schwurgerichtshofes anheimgestellt, den Geschworenen entweder eine neben den gesetzlichen Merkmalen des Grundtatbestandes (hier: des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB) auch die aktuellen Qualifikationsmerkmale (hier nach § 143 erster und zweiter Fall StGB) mitumfassende einheitliche Schuldfrage vorzulegen, oder aber derartige Merkmale zum Gegenstand uneigentlicher Zusatzfragen zu machen (Mayerhofer/Rieder, StPO3, ENr 8, 8 a, und 9 zu § 316 sowie ENr 6 b zu § 317 uva). Im übrigen wurden die Geschworenen, wie die nur partiell bejahende Beantwortung der Hauptfrage durch zwei Geschworene zeigt, sowohl durch den Inhalt der schriftlichen Rechtsbelehrung (345/Bd II), als auch durch die Antwortspalte des Fragenformulars (365 und f/Bd II) auf die ihnen durch § 330 Abs 2 StPO eingeräumte Möglichkeit einer nur teilweisen (einschränkenden) Bejahung der gestellten Frage hingewiesen.

Der Angeklagte ist aber auch mit seiner Instruktionsrüge (Z 8), in der er die einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO) über den für die Qualifikation nach § 143 erster Fall StGB wesentlichen Begriff der "Bandenbildung" behauptet, nicht im Recht. Der Beschwerde zuwider werden nämlich in der Rechtsbelehrung - insoweit wörtlich einem Kommentar folgend (vgl Leukauf/Steininger, aaO § 143 RN 5) - rechtsrichtig sämtliche Merkmale des Begriffes der Bande und die Voraussetzungen für die Annahme der bandenmäßigen Begehung eines Raubes im Sinne der betreffenden Qualifikation erläutert (355/Bd II). Da das Erstgericht überdies ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß unter Bande im Sinne des § 143 erster Fall StGB eine vom Vorsatz, im voraus gar nicht oder nur der Art nach bestimmte Raubtaten zu begehen, getragene Verbindung von mindestens drei Personen zu verstehen ist, ist die behauptete Eignung der Rechtsbelehrung, die Geschworenen in Ansehung relevanter rechtlicher Kriterien irrezuleiten, nicht gegeben. Im übrigen ist es Aufgabe der Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschworenen (§ 323 Abs 2 StPO), die in die gestellte(n) Frage(n) aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung und Qualifikationen auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt zurückzuführen.

Schließlich versagt auch die Tatsachenrüge (Z 10 a). Das von den Geschworenen im Wahrspruch betreffend die Qualifikation der Begehung des vorliegenden Raubes als Mitglied einer Bande (§ 143 erster Fall StGB) zugrunde gelegte Tatsachensubstrat findet in der eigenen Einlassung des Angeklagten Deckung, wonach von seinen Komplizen und ihm in Slowenien schon mehr als 10 gleichartige Raubtaten verübt worden seien (315/Bd II). Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, in der vorliegenden Tat eine legale slowenische Polizeiaktion erblickt zu haben, ins Treffen führt, bekämpft er in Wahrheit lediglich in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Geschworenen nach Art einer Schuldberufung.

Dies gilt gleichermaßen für den gegen die sachverhaltsmäßige Grundlage der angenommenen Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB (Raub mit Waffen) gerichteten Einwand, die verabredungswidrige Mitnahme und Verwendung einer Schußwaffe durch einen seiner Komplizen nicht vorhergesehen und auch das Ansichnehmen der später gleichfalls als Tatwaffe gebrauchten Hacke im Keller des Hauses durch einen anderen Tatbeteiligten nicht bemerkt zu haben. Erschöpft sich doch auch dieses Vorbringen in Wahrheit in dem Bestreben, einer von den Geschworenen als unglaubwürdig verworfenen Tatversion zum Durchbruch zu verhelfen, ohne damit aber aus dem Akteninhalt erhebliche Bedenken gegen die im Wahrspruch der Geschworenen in bezug auf die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB getroffenen Tatsachenfeststellungen abzuleiten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aber auch die Berufung ist nicht im Recht.

Das Geschworenengericht hat über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verhängt.

Bei der Strafbemessung hat es als erschwerend die zweifache Qualifikation der Tat zum schweren Raub, den Umstand, daß gegen zwei Personen Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben angewendet wurde sowie die Verletzung einer Person gewertet; als mildernd nahm es hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, den Umstand, daß ihm bei der Tatverwirklichung eine untergeordnete Rolle zukam, sein Geständnis zum Grundtatbestand des Raubes und den Umstand an, daß er durch seine Verantwortung wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB an.

Er vermag allerdings in seiner Berufung keine Umstände darzutun, die nicht schon vom Geschworenengericht bei der Strafbemessung berücksichtigt worden wären. Daß er die Tat unter Einwirkung Dritter begangen hat, wurde vom Geschworenengericht dadurch explizit berücksichtigt, daß dem Angeklagten seine untergeordnete Beteiligung als mildernd zugute gehalten wurde. Im Gegensatz zu der in der Berufung vertretenen Auffassung kann aus den Urteilsannahmen keine einem Schuldausschließungsgrund nahekommende Situation abgeleitet werden; mit seinen auch in diesem Zusammenhang erneuerten Ausführungen zum Vorliegen eines Befehlsnotstandes ist der Berufungswerber auf die darauf bezugnehmenden Ausführungen bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Mit dem Vorbringen schließlich, das Geschworenengericht habe die Strafbemessungsgründe nicht richtig gewichtet, ist die Berufung ebenfalls nicht im Recht. Die Strafzumessungsgründe wurden vielmehr vollständig und richtig dargestellt, es wurde ihnen aber auch das sachlich entsprechende Gewicht beigemessen. Von einem - wie in der Berufung behauptet - beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe kann ausgehend von diesen Strafbemessungstatsachen keine Rede sein. Nach den allgemeinen Strafbemessungsgrundsätzen des § 32 Abs 3 StGB wurde die Schwere der Rechtsgutsbeeinträchtigung vom Geschworenengericht zutreffend in die bezüglichen Erwägungen miteinbezogen. Die - bei einem Strafrahmen von fünf bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe - mit acht Jahren festgesetzte Freiheitsstrafe wird der Gesamtsituation gerecht; einer Herabsetzung der Strafe konnte daher nicht nähergetreten werden.

Aus all diesen Erwägungen war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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