OGH 11Os48/92-7

OGH11Os48/92-72.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juni 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Rzeszut, Dr. Hager und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lendl als Schriftführer in der Strafsache gegen Gyula R***** und Karoly K***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130, erster Fall, und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten R***** und die Berufungen des Angeklagten K***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 20.Februar 1992, GZ 3 c Vr 12.966/91-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, des Generalanwaltes Dr. Fabrizy, sowie der Verteidiger Dr. Lessiak und Dr. Lessky, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Gyula R***** wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich dieses Angeklagten sowie gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch hinsichtlich Karoly K***** im Ausspruch, die Angeklagten hätten gewerbsmäßig gehandelt, ferner in der rechtlichen Beurteilung der ihnen angelasteten Tat auch als Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 130, erster Fall, StGB und demgemäß auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Beschlüsse nach § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R***** verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gyula R***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130, erster Fall, (und 15) StGB und Karoly K***** des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 15, 127, 130, erster Fall, StGB schuldig erkannt.

Darnach haben die beiden rumänischen Staatsangehörigen am 4. Dezember 1991 in Wien gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I./ Gyula R***** weggenommen

1./ Berechtigten der Firma K***** Waren im Gesamtwert von 998 S,

2./ Berechtigten der Firma H***** ein Paar Sportschuhe im Wert von 1.198 S,

II./ Gyula R***** und Karoly K***** als Mittäter (§ 12 StGB) Berechtigten der Firma D***** Waren im Gesamtwert von 1.783 S wegzunehmen versucht (§ 15 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte Gyula R***** bekämpft dieses Urteil hinsichtlich des versuchten Diebstahls zum Nachteil der Firma D***** sowie der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit hinsichtlich aller Fakten mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit. b, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher nur insoweit Berechtigung zukommt, als sie sich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 130, erster Fall, StGB richtet.

Zum versuchten Diebstahl zum Nachteil der Firma D*****:

Mit seiner Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer zu Unrecht eine Aktenwidrigkeit der auf die Aussage des Berufsdetektivs Gabor B***** gestützten Feststellungen geltend. Das (die Angaben des Gabor B***** nicht wörtlich wiedergebende) Erstgericht veränderte durch die in der Urteilsbegründung gewählte Formulierung, der Detektiv habe die beiden Angeklagten dabei beobachtet, wie sie gemeinsam Waren aus dem Regal nahmen (vgl. US 8, 9), den Sinngehalt der Aussage - entgegen der Beschwerde - nicht: Auch wenn der Ausdruck "gemeinsam" in der wörtlichen Wiedergabe der Äußerungen des Gabor B***** in der Polizeianzeige nicht vorkommt, lassen seine Angaben ohne jeden Zweifel (vgl. S 23 f) ein Zusammenwirken der beiden Angeklagten bei der Sachwegnahme erkennen. Damit geht die Rüge der mangelhaften Begründung der Mittäterschaft gleichfalls ins Leere. Der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider ergeben sich aus den Akten aber auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zur Mittäterschaft. Die Beschwerde erschöpft sich diesbezüglich in einer Anfechtung der Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung, die gegen Entscheidungen von Kollegialgerichten nicht zulässig ist.

Entgegen der in der Rechtsrüge (Z 9 lit. b) vertretenen Ansicht kommt dem Beschwerdeführer tätige Reue nicht zugute, weil dieser Strafaufhebungsgrund eine Schadensgutmachung nach vollendetem Delikt zur Voraussetzung hat (siehe SSt. 53/12 = EvBl. 1982/174; Leukauf-Steininger3, § 167 RN 4; Kienapfel, BT II2 § 167 RN 12). Da der Berufsdetektiv Gabor B***** die Täter bei der Ansichnahme der Waren beobachtete, war der Gewahrsam der Verfügungsberechtigten noch nicht zur Gänze beseitigt, sodaß sich die Tat erst im Versuchsstadium befand und rechtlich noch kein Schadenseintritt vorlag (siehe Leukauf-Steininger3, § 127 RN 60 mwN). Es kommt aber auch kein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch in Betracht, weil es nach Lage des Falles an der Freiwilligkeit der Aufgabe der Tatausführung mangelte. Infolge Betretung bei der Tat war eine dem Tatplan der Angeklagten entsprechende Tatvollendung nicht mehr möglich (vgl. Leukauf-Steininger3, § 16 RN 2).

Die noch zu erörternde Frage der gewerbsmäßigen Begehung des Diebstahls ist für die Beurteilung des Vorliegens der genannten Strafaufhebungsgründe ohne Bedeutung.

Zur Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit:

Keine Berechtigung kommt der Mängelrüge (Z 5) insoweit zu, als sie den Ausspruch des Gerichtshofes über die gewerbsmäßige Begehung der Diebstähle als undeutlich erachtet, weil aus ihm nicht hervorgehe, ob sich die Qualifikation nur auf den versuchten Diebstahl zum Nachteil der Firma D***** oder auch auf die anderen Fakten beziehe. Der Beurteilung dieser Behauptung sind der Urteilsspruch und die Entscheidungsgründe als ein untrennbares Ganzes zugrunde zu legen (siehe Mayerhofer-Rieder3, ENr. 46 zu § 281 Z 5 StPO): Darnach kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Erstgericht von der gewerbsmäßigen Begehung aller vom Schuldspruch umfaßten Diebstahlsfakten ausging. Der Beschwerdeführer räumt dies im Rahmen seiner Ausführungen zur Subsumtionsrüge (Z 10) auch ausdrücklich ein.

Dieser Rüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer die Annahme der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung der Diebstähle (§ 130, erster Fall, StGB) bekämpft, kommt Berechtigung zu:

Gewerbsmäßig begeht eine Straftat, wer in der Absicht handelt, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Der Täter muß darauf abzielen (§ 5 Abs. 2 StGB), durch die Wiederholung von Straftaten desselben Deliktstyps ein fortlaufendes, das heißt entweder überhaupt ständiges oder aber doch für längere Zeit wirkendes, wenn auch nicht unbedingt regelmäßiges Einkommen zu erlangen (siehe Leukauf-Steininger, StGB3, § 70 RN 3 mwN). Es genügt nicht, daß er bloß eine für einen bestimmten Anlaß wirksame Einnahme erschließen will (SSt. 52/13) oder bloß gelegentlich und fallweise gleichartige Taten zwecks Gewinnung einer Einnahme zu begehen beabsichtigt (NRsp 1991/108).

Die Feststellungen des Erstgerichtes zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung beschränken sich im wesentlichen auf den substanzlosen Gebrauch der verba legalia, daß nämlich die beiden Angeklagten in der Absicht gehandelt hätten, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 7). Beim über kein regelmäßiges Einkommen verfügenden Angeklagten R***** wird auch auf die Begehung von drei Diebstählen an einem einzigen Tag verwiesen (US 9). An Ausführungen zu den Vorstellungen der Angeklagten über die zeitliche Dauer der Erzielung von Einnahmen durch Diebstähle und damit zur entsprechenden begriffsessentiellen Tendenz mangelt es jedoch zur Gänze. Derartige Feststellungen wären aber vor allem deswegen erforderlich gewesen, weil das Erstgericht der Verantwortung der Angeklagten dahin gefolgt ist, daß sie Weihnachten (1991) in Rumänien verbringen und das Diebsgut dorthin mitnehmen wollten. Die Begehung von Diebstählen aus einem bestimmten Anlaß, insbesondere zum konstatierten Zweck der Beschaffung von Weihnachtsgeschenken, könnte zur Herstellung der Qualifikation nach § 130, erster Fall, StGB allein aber nicht ausreichen. Infolge Rechtsirrtums über die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Qualifikation erweisen sich somit die Feststellungen des Erstgerichtes zur gewerbsmäßigen Begehung der Diebstähle als unzureichend.

Ein Eingehen auf die Tatsachenrüge (Z 5 a) erübrigt sich daher. Die Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO stellen sich im Ergebnis gleichfalls als Subsumtionsrüge dar und bedürfen keiner gesonderten Erörterung.

Die dem Erstgericht unterlaufene materielle Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO kommt auch dem Angeklagten K*****, dessen angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde vom Erstgericht gemäß § 285 a Z 2 StPO zurückgewiesen wurde, zustatten und bietet Anlaß für eine amtswegige Wahrnehmung nach § 290 Abs. 1 StPO. An den (materiellrechtlichen) Feststellungsmängeln zur Gewerbsmäßigkeit des nachgewiesenen Diebstahlsversuches vermag nach Lage des Falles auch der Umstand nichts zu ändern, daß dieser Angeklagte vor der Polizei zugegeben hatte (S 35), in der Vergangenheit in Österreich von Gelegenheitsarbeiten sowie von Diebstählen, bei denen er jedoch "immer" betreten wurde, gelebt zu haben. Die in der Hauptverhandlung nicht erörterte Frage nach der allfälligen Tendenz des Karoly K*****, sich auch in Hinkunft durch wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, blieb damit - trotz der zwei aktenkundigen Vorverurteilungen - im Hinblick auf die Verantwortung, nur für einen bestimmten Anlaß (kleine) Geschenke gestohlen zu haben, unbeantwortet.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Gyula R***** teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, hinsichtlich dieses Angeklagten sowie gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch hinsichtlich Karoly K***** im Ausspruch, die Angeklagten hätten gewerbsmäßig gehandelt, ferner in der rechtlichen Beurteilung der ihnen angelasteten Tat (auch) als Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 130, erster Fall, StGB und demgemäß auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Beschlüsse gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO) aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R***** zu verwerfen.

Mit ihren Berufungen waren beide Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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