Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Tat und im Strafausspruch aufgehoben und in Ergänzung des Schuldspruches des Erstgerichtes gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3
StPO. in der Sache selbst erkannt:
Die im angefochtenen Urteil umschriebene Tat hatte eine schwere Schädigung des Sehvermögens des Heinrich B, nämlich den Verlust des rechten Auges, zur Folge.
Der Angeklagte Ambros A hat hiedurch das Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 Abs. 1, 85 Z. 1 StGB. begangen und wird hiefür nach dem § 85 StGB. unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB. zu einer Geldstrafe in der Höhe von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 180 (einhundertachtzig) Tagen, verurteilt.
Die Höhe des Tagessatzes wird mit 120 S bemessen.
Gemäß den §§ 389 und 390 a StPO. hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.November 1932 geborene Staplerfahrer Ambros A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen wurde der Angeklagte am 22.November 1977 (kurz vor Mitternacht) in einem Gasthaus in Wien 20. von dem alkoholisierten Heinrich B wiederholt belästigt, worauf er ihm - eine Verletzung des B zumindest ernstlich für möglich haltend und sich damit abfindend - aus Zorn ein Weinglas in das Gesicht schleuderte. B erlitt dadurch eine Wunde unmittelbar über dem rechten Oberlid und eine perforierende Verletzung des rechten Auges mit Blutung in die Augenvorderkammer. Noch in derselben Nacht wurde die Wunde über dem rechten Oberlid in der II.Universitätsklinik für Unfallschirurgie des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien genäht. Der Angeklagte wurde am nächsten Tag (das ist unmittelbar nach der Versorgung der Wunde über dem Auge) in die Erste Augenklinik des genannten Krankenhauses überwiesen, wo man die erwähnte schwere Augenverletzung feststellte und dem Verletzten dringend die stationäre Aufnahme sowie eine sofortige Operation des Auges empfahl, was er jedoch gegen Unterfertigung eines Reverses ablehnte. Er ließ sich lediglich am 5. Dezember 1977 im Krankenhaus Braunau die Nähte (über dem rechten Oberlid) entfernen. Dabei wurde er wegen Beeinträchtigung des Sehvermögens an einen Augenarzt überwiesen, suchte diesen Arzt jedoch nicht auf, sondern behandelte das Auge selbst mit Borwasser. In der Folgezeit kam es zu einer fortschreitenden Verschlechterung des Zustandes des Auges und zunehmenden Schmerzen. Schließlich mußte am 21.März 1978 das Auge im Krankenhaus Wels operativ entfernt werden.
Das Erstgericht verneinte - abweichend von der Anklage - die Annahme der Qualifikation nach dem § 85 Z. 1
StGB. unter Bezugnahme auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten, nach dessen Inhalt es bei Vornahme der angeratenen Augenoperation mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zum Verlust des Auges gekommen wäre. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, die vorliegend eingetretene Dauerfolge sei nicht als typischer Erfolg der Handlungsweise des Angeklagten anzusehen und der Verletzte habe zumindest grob fahrlässig den Verlust des rechten Auges herbeigeführt; die Zurechnung eines auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Opfers zurückzuführenden Erfolges sei gegenüber dem Erstverursacher abzulehnen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die nur die Unterstellung der Tat auch unter die Bestimmung des § 85 Z. 1 StGB. zum Ziel hat.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.
Entgegen der (Rechts-) Meinung des Erstgerichtes war bei dem festgestellten tatsächlichen Verhalten auch der Eintritt einer schweren Dauerfolge im Sinn des § 85 Z. 1
StGB., nämlich eine immerwährende Schädigung des Sehvermögens, als Tatfolge weder atypisch noch unvorhersehbar:
Denn im vorliegenden Fall warf der Angeklagte ein Trinkglas in Verletzungsabsicht gegen das Gesicht eines alkoholisierten Menschen. Bei einer solchen Tathandlung lag es für ihn erkennbar nahe, daß eine schwere Dauerfolge durch Verlust des Sehvermögens eines Auges eintreten werde (vgl. hiezu insbesondere EvBl. 1977/103). Für den Bereich der Verletzungsdelikte muß aber der objektive Risikozusammenhang zwischen der schuldhaften Handlung und der eingetretenen (nicht gerade atypischen) Folge auch dann bejaht werden, wenn sich zwischen die Tathandlung und den Erfolg ein fahrlässiges Verhalten eines Dritten (oder des Verletzten) schiebt, das unter den vom Täter herbeigeführten Umständen nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht gerade ungewöhnlich ist (SSt. 47/1 = EvBl. 1976/203; EvBl. 1977/103; EvBl.
1976/403; RZ. 1976/52 u.a.):
Eine strafrechtliche Haftung des Täters für die in Rede stehende Tatfolge ließe sich demgemäß etwa dann nicht bezweifeln, wenn die Operation von Dritten fahrlässig verzögert oder wenn ihre Notwendigkeit unachtsam nicht erkannt oder der Verletzte nicht auf ihre Gebotenheit hingewiesen worden wäre.
Nicht anders kann aber die Beurteilung ausfallen, wenn es der Verletzte - und sei dies auch fahrlässig -
ablehnt, sich einer risikobehafteten Operation zu unterziehen: Wie vom Erstgericht auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt wurde, kann es bei Augenverletzungen der besagten Art auch bei sofortiger Vornahme einer Operation zu einer Infektion mit nachfolgender Eintrübung der Linse und Netzhautabhebung kommen, wenngleich die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß durch den Eingriff ein Verlust des Auges zu vermeiden ist. Jedenfalls ergibt sich aus dem medizinischen Gutachten, daß die vorgeschlagene Operation nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zum Erfolg geführt hätte. Die Entscheidung, sich einer derartigen Operation zu unterziehen, muß der Verletzte letztlich stets nach eigenem Gutdünken treffen, weshalb sich das von Burgstaller (Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, S. 121 ff.) erörterte Problem einer - hier nicht in Betracht kommenden - grob unvernünftigen Ablehnung des Eingriffs zur Verminderung der Tatfolgen gar nicht stellt und die Bezugnahme des Erstgerichtes auf diese Lehrmeinung ins Leere geht.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß der Verletzte unter erheblicher Alkoholeinwirkung stand (vgl. hiezu S. 14, 22 und 81 in ON. 2), was der Angeklagte - aus den vorausgegangenen Belästigungen - wußte (s. hiezu auch S. 45 in ON. 2). Nach dem Bericht der Ersten Universitätsaugenklinik vom 23.November 1977 (S. 22 in ON. 2) war er auch dort wegen seiner Alkoholisierung noch nicht vernehmungsfähig. Angesichts dieses Zustands mußte (überdies) auch damit gerechnet werden, daß der Verletzte die Diagnose nicht erfassen oder an der Richtigkeit der ihm mitgeteilten ärztlichen Prognose oder am Erfolg einer Operation Zweifel hegen könnte.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich somit, daß der Angeklagte für den eingetretenen Augenverlust ebenso wie für die Schwere der Verletzung an sich als ihm objektiv zuzurechnenden und subjektiv vorhersehbaren schweren Dauererfolg seiner Tat strafrechtlich einzustehen hat. Es war somit das erstgerichtliche Urteil im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Tat und im Strafausspruch aufzuheben, gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3
StPO. in der Sache selbst zu erkennen und der Angeklagte wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 Abs. 1, 85 Z. 1 StGB. schuldig zu sprechen.
Bei der vom Obersten Gerichtshof vorzunehmenden Neubemessung der Strafe konnten die vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe übernommen werden. Gleich dem Erstgericht hält auch der Oberste Gerichtshof dafür, daß angesichts der andauernden Provokationen des Verletzten, welche die Tat auslösten, die Umwandlung in eine Geldstrafe trotz der einschlägigen - allerdings bereits erhebliche Zeit zurückliegenden - Vorstrafen des Angeklagten angezeigt ist. Auch angesichts der geänderten rechtlichen Beurteilung bedarf es im vorliegenden Fall nicht der Verhängung einer Freiheitsstrafe.
Es war somit unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB. mit der Verhängung einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen vorzugehen, die mit der Untergrenze des Strafrahmens des § 85 StGB. korrespondiert. Die Bemessung der Höhe des Tagessatzes hatte von einem monatlichen Nettoeinkommen des für niemanden sorgepflichtigen Angeklagten in der Höhe von 6.400 S auszugehen. Bei Vornahme einer Abschöpfung bis zum Existenzminimum (ÖJZ-LSK. 1975/180, 1975/116 u.a.) ergibt sich ein Tagessatz von 120 S.
Die Kostenentscheidung beruht auf den im Spruch angeführten Gesetzesstellen.
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