OGH 11Os42/01

OGH11Os42/0111.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner und Dr. Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bajro M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 und Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 16 Vr 202/01 des Landesgerichtes Linz, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Arif Z***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 23. Februar 2001, AZ 9 Bs 52/01 (= ON 56 des Strafaktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Arif Z***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 8.000 S zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Text

Gründe:

Über Arif Z***** wurde vom Landesgericht Wels zum AZ 8 Ur 29/01 am 2. Februar 2001 wegen des (dringenden) Verdachtes des Vergehens der Weitergabe nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 StGB die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und -ausführungsgefahr nach § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit b und d StPO verhängt (ON 5 in ON 21, wobei den Entscheidungsgründen zufolge auch Verdunkelungsgefahr nach § 180 Abs 1 Z 2 StPO angenommen wurde). Nach Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Linz zum AZ 16 Vr 202/01 wurde die Untersuchungshaft mit Beschluss des Untersuchungsrichters dieses Gerichtes vom 15. Februar 2001 aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 3 lit b und d StPO fortgesetzt (ON 47).

Dem Beschuldigten wird darin angelastet, zwischen 10. und 15. Dezember 2000 in Wels eine falsche 1.000 S Note, mithin nachgemachtes Geld, mit dem Vorsatz, dass es als echt und unverfälscht ausgegeben werde, von einem Mitglied einer "Geldfälscherbande" (aus Traun) übernommen und am 19. Dezember 2000 in Wels einem verdeckten Ermittler übergeben, diesem weitere 100 Stück Falsifikate zum Kauf angeboten sowie schon zuvor 20 falsche Geldscheine in Wels verteilt zu haben.

Der Beschwerde des Beschuldigten gegen den Fortsetzungsbeschluss gab das Oberlandesgericht Linz, welches das inkriminierte Verhalten - zutreffend (und in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft) - dem Tatbestand des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB unterstellte, nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit a und b StPO mit Wirksamkeit bis zum 23. April 2001 an.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten, in der er insbesondere den dringenden Tatverdacht und das Vorliegen des angenommenen Haftgrundes bestreitet und zudem die Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Den dringenden Tatverdacht - konkret der Übernahme von zumindest zwanzig durch Computerausdruck gefälschten 1.000 S Banknoten im Einverständnis mit einem an der Fälschung Beteiligten oder einem Mittelsmann zur weiteren Inverkehrsetzung als echt und unverfälscht und der tatsächlichen Inverkehrbringung - vermögen die Beschwerdeeinwendungen zwar nicht zu entkräften. Denn die spekulativen Überlegungen des Beschwerdeführers zum Ablauf seiner Festnahme und seiner Vernehmung vor der Gendarmerie stehen in keinem relevanten Konnex zur Aussage der ihn massiv belastenden "Vertrauensperson". Wenngleich die Vorgangsweise der Ermittlungsbehörden, die ihr bekannte Identität dieser Vertrauensperson nicht bekanntzugeben, nicht unbedenklich ist und das Ergebnis der Gegenüberstellung vom 8. Februar 2001 (S 219) durch eine vorangegangene, den kriminologischen Anforderungen nicht entsprechende Gegenüberstellung (S 215) an Wert verliert, stellen diese Angaben in Verbindung mit der Sicherstellung des einer bestimmten Fälschergruppe zuzuordnenden Falsifikates und der vom Informanten notierten Telefonnummer (Festnetzanschluss des Beschuldigten) konkrete Hinweise für die Annahme dar, dass der Beschuldigte die ihm angelastete Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen hat.

Ob es sich bei der "Vertrauensperson" um einen verdeckten Ermittler handelt, wovon - obgleich nach dem Inhalt des Aktes nicht verifiziert - das Untersuchungsgericht ausgeht (ON 47), wird vom erkennenden Gericht zu klären und zu würdigen sein. Zur Begründung einer qualifizierten Verdachtslage reicht deren Aussage im Zusammenhang mit den weiters angeführten Umständen jedenfalls hin.

Im Recht ist die Beschwerde hingegen, soweit sie sich gegen den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr richtet.

Der zunächst (nur vom Beschwerdegericht) für gegeben erachtete Haftgrund nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO setzt als Anlasstat wie als Prognosetat jeweils eine Tat mit schweren Folgen voraus, deren Begehung ungeachtet des gegen den Beschuldigten geführten Strafverfahrens aufgrund bestimmter Tatsachen befürchtet werden muss. Die nach der Verdachtslage erfolgte Inverkehrsetzung von zumindest zwanzig gefälschten 1.000 S Banknoten stellt nun aber keine (Anlass-)Tat mit schweren Folgen dar, und zwar auch dann nicht, wenn man das Anbot der Beschaffung weiterer 100 Falsifikate berücksichtigt, weil damit die für die Beurteilung einer Tat als solche mit schweren Folgen nach der Judikatur erforderliche Wertgrenze von rund 500.000 S bei weitem nicht erreicht wird. Dass die Tathandlungen des Beschuldigten über den errechenbaren Schaden hinausgehende vermögensrechtliche oder sonstige Folgen hätten, wird vom Beschwerdegericht nur floskelhaft und damit unzureichend begründet und ist nach der Aktenlage auch sonst nicht zu erkennen. Die Annahme des Haftgrundes nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO ist daher schon aus diesem Grunde verfehlt.

Das Anbot der Lieferung weiterer 100 Falsifikate könnte hingegen die Annahme einer Prognosetat mit nicht bloß leichten Folgen im Sinne des § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO rechtfertigen. Da dem Beschuldigten wiederholte Tathandlungen vorgeworfen werden, lägen die Voraussetzungen dieses Haftgrundes an sich vor.

Allerdings ist nicht zu sehen, aufgrund welcher bestimmter Tatsachen angesichts des eingeleiteten Strafverfahrens die Realisierung dieses Vorhabens oder überhaupt die Gefahr weiterer, gegen dasselbe Rechtsgut gerichteter Delinquenz des bislang unbescholtenen und sozial integrierten Beschuldigten zu befürchten wäre. Denn soweit überblickbar wurden der Produzent der falschen Banknoten ebenso wie jene Person, welche ihn zur Fälschung bestimmte und deren beider Kontaktmann bereits in Untersuchungshaft genommen, die im angefochtenen Beschluss als "Geldfälscherbande" bezeichnete Personengruppe somit zerschlagen. Damit haben sich aber, worauf gemäß § 180 Abs 3 letzter Satz StPO bei Beurteilung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr Bedacht zu nehmen ist, die Verhältnisse, unter denen der Beschuldigte die ihm angelasteten Taten beging, entscheidend verändert.

Weil auch nicht nachzuvollziehen ist, worin sich die vom Oberlandesgericht zur Rechtfertigung der Tatbegehungsgefahr herangezogene "erhebliche kriminelle Energie" des Beschuldigten, der nach den bisherigen Verfahrensergebnissen weder an der Produktion der - primitiven - Fälschungen mitgewirkt noch sonst führend beteiligt war, manifestieren soll, ist die Gefahr einer weiteren Tatbegehung in einem Maße gemindert, dass mangels anderer Anhaltspunkte für eine negative Prognose der in Rede stehende Haftgrund verneint werden muss, ohne dass es noch einer Erörterung des weiteren - durchaus gewichtigen - Beschwerdevorbringens bedarf.

Der Grundrechtsbeschwerde war somit Folge zu geben und festzustellen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Beschluss in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.

Die Kostenentscheidung ist in § 8 GRBG begründet.

Gemäß § 7 Abs 2 GRBG sind die Gerichte verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich einen der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden Zustand herzustellen; der Beschwerdeführer ist demnach aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

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