OGH 11Os41/87

OGH11Os41/879.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juni 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Hon.- Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Wolfgang H*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung des Angeklagten, sowie der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 18.Dezember 1986, GZ 16 Vr 999/86-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Das Rechtsmittelverfahren wird abgebrochen; die Akten werden dem Landesgericht St.Pölten zur Beendigung des Strafverfahrens zurückgestellt.

Text

Gründe:

Dr. Wolfgang H*** führte gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem er des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aus. Außerdem erhob die Staatsanwaltschaft eine Berufung. Zur Entscheidung über diese Rechtsmittel wurden die Akten am 31.März 1987 dem Obersten Gerichtshof vorgelegt, der sie gemäß dem § 285 c StPO der Generalprokuratur zur Stellungnahme zuleitete.

Noch vor Einlangen dieser Stellungnahme verstarb - wie sich aus der nunmehr vorliegenden Sterbeurkunde des Standesamtes Wien-Hietzing ergibt - Dr. Wolfgang H*** am 5.Mai 1987.

Rechtliche Beurteilung

Der Tod des Angeklagten (Beschuldigten) schließt jede weitere Strafverfolgung aus, der staatliche Strafanspruch ist erloschen. Ein noch zu Lebzeiten des Verurteilten - zu seinen Gunsten oder zu seinem Nachteil - ergriffenes Rechtsmittel wird gegenstandslos, weil eine - hier - durch Nichtigkeitsbeschwerde angestrebte Überprüfung des (inzwischen erloschenen) Strafanspruchs schon begrifflich nicht mehr möglich ist (SSt 24/37, 42/55 u.a.). Auch eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach dem Tod des Verurteilten (§ 354 StPO) führt zu keiner abschließenden materiellen Prüfung der Anklage, sondern lediglich zur Aufhebung des rechtskräftigen Schuldspruchs und zur Beendigung des Verfahrens. Der gegenteiligen, in einem Beitrag in der Festschrift zur Hundertjahrfeier des österreichischen Obersten Gerichtshofs dargelegten Meinung Kadeckas, daß eine Überprüfung des Schuldspruches auf Verlangen des Verurteilten selbst noch nach seinem Tod keine Verfolgungshandlung darstelle und daß daher über ein zugunsten des inzwischen verstorbenen Verurteilten erhobenes Rechtsmittel zu entscheiden sei, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen: Da ein Strafurteil mit dem Tod des Verurteilten wirkungslos (unvollstreckbar) wird, muß auch ein Rechtsmittel gegen ein derartiges Urteil jede Wirkung verlieren, sodaß der Rechtszustand zum Zeitpunkt des Todeseintrittes perpetuiert wird (vgl. hiezu auch Roeder, Der Einfluß des Todes der Prozeßsubjekte auf das Strafverfahren, JBl 1970, S 497 ff.). Allerdings läßt sich der Schluß Roeders, durch den Tod werde die (formelle) Rechtskraft des Strafurteils bewirkt, nicht nachvollziehen, zumal er dafür keine mit der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK in Einklang zu bringende Norm anzuführen vermag. Der Oberste Gerichtshof hält daher an seiner ständigen Rechtsprechung fest, daß ein nicht schon zu Lebzeiten des Angeklagten rechtskräftig gewordenes Strafurteil nach Todeseintritt niemals mehr in Rechtskraft erwachsen kann. Das Erstgericht wird darum das Strafverfahren zu beenden haben.

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