OGH 11Os4/12s

OGH11Os4/12s16.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Krasa als Schriftführer, in der Strafsache gegen Etienne F***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Oktober 2011, GZ 37 Hv 153/11a-117, sowie dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Etienne F***** - unter Einbeziehung des rechtskräftigen Schuldspruchs im Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 20. Jänner 2011, ON 96 der Hv-Akten, vgl 11 Os 78/11x-4 vom 14. Juli 2011 - des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit bislang unbekannten Mittätern (mit den Aliasnamen Alessandro M*****, Matey Fa***** und Maurizio Fac*****) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, nachgenannte Autovermietungsunternehmen durch die Behauptung, die angemieteten Fahrzeuge nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer wieder zurückzustellen, obwohl die Fahrzeuge in Wirklichkeit in das Ausland verbracht und nicht mehr zurückgebracht wurden, sowie zu 1. und 4. unter Verwendung falscher Urkunden, nämlich von Totalfälschungen von italienischen Personalausweisen und Führerscheinen, lautend auf die Aliasdatensätze „Alessandro M*****“ und „Maurizio Fac*****“ zur Übergabe von Fahrzeugen, mithin zu Handlungen verleitet, welche die Unternehmer in einem jeweils 3.000 Euro und insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigten, und zwar:

1. am 19. Juni 2009 in O***** den Peter G***** zur Ausfolgung des Pkw Smart mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 5.000 Euro,

2. am 27. Juni 2009 in W***** Verfügungsberechtigte der C***** GmbH zur Ausfolgung eines Lkw Mercedes Sprinter mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 42.000 Euro,

3. am 1. Juli 2009 in Wien Franz W***** zur Ausfolgung des Lkw VW Transporter mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 26.000 Euro,

4. am 7. Juli 2009 in Wien Verfügungsberechtigte von O***** zur Ausfolgung des Pkw Opel Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen ***** im Wert von cirka 17.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO.

Der auf den Vorwurf einer unzureichenden Begründung hinauslaufenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist grundsätzlich entgegenzuhalten, dass eine solche nur dann vorliegt, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht, also als willkürlich zu werten ist (RIS-Justiz RS0118317; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Der Nichtigkeitsgrund ist jedoch nicht verwirklicht, wenn die angeführten Gründe dem Rechtsmittelwerber bloß nicht genug überzeugend scheinen oder wenn neben dem mängelfrei gezogenen Schluss auch noch andere, dem Angeklagten günstigere Folgerungen denkbar wären (Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 46a).

Ob die gefälschten italienischen Ausweisdokumente vom Angeklagten oder seinen Mittätern selbst hergestellt wurden (US 11), betrifft keine entscheidende Tatsache, also keine solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend ist oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes - die Subsumtion - Einfluss übt. Es genügt vielmehr die - unangefochten - festgestellte dolose Verwendung (US 12, 16, 18).

Das Abstützen der Schuldsprüche (auch) auf die (durchgehende) Benützung ein und desselben gefälschten Meldezettels (US 7 ff) begründeten die - bloß zufälliges Zusammentreffen ausdrücklich ausschließenden - Tatrichter formell mängelfrei mit einer vernetzten, lebensnahen (vgl dazu bereits 11 Os 78/11x, ON 110 der Hv-Akten) Betrachtung aller im Verfahren hervorgekommenen Umstände (US 12 ff, vor allem 16 f und 19 f - gleiche Identitätsnummer der gefälschten Ausweise sowie die Verwendung eben dieser Nummer durch den Angeklagten in einem gleichartigen Betrugsfall im Mai 2009, der im April 2010 in Ungarn zu einer [rechtskräftigen] Verurteilung führte; Verwendung des Mobiltelefons des Angeklagten zur Kontaktaufnahme sowie als Rückrufnummer). Dies gilt gleichermaßen für den auf die Verwendung gefälschter Urkunden gerichteten Vorsatz des Angeklagten und das bewusste und gewollte Zusammenwirken mit den unmittelbaren Tätern. In diesem Zusammenhang ist dem Rechtsmittelwerber einzuräumen, dass die erstgerichtlichen Annahmen zu dessen Tathandlungen zwar nicht die rechtliche Beurteilung als unmittelbare, wohl aber als Beitragstäterschaft zulassen (US 12: Festlegen des gemeinsamen Tatplans; US 16 f, 19 f: Zurverfügungstellen des Mobiltelefons). Dies, kann zufolge der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde auf sich beruhen (Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 69).

Indem aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nur das angebliche Fehlen aktenkundiger Beweisergebnisse für die Schuld des Angeklagten, nicht aber gegen dessen Schuld sprechende Tatumstände releviert werden, gelangt die Tatsachenrüge nicht zu prozessförmiger Darstellung (13 Os 28/09f, 11 Os 127/09z ua).

Soweit der Beschwerdeführer - teils mit eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen - die Erwägungen der Tatrichter (US 12 ff) als solche in Zweifel zieht, ohne einen direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial herzustellen, verfehlt er den Anfechtungsumfang der Tatsachenrüge (RIS-Justiz RS0119424).

Die vom Nichtigkeitswerber - ohne konkreten Hinweis auf das Vorkommen in den vierbändigen Akten (RIS-Justiz RS0117446) - aufgeworfene Behauptung, das bei den Taten verwendete Mobiltelefon sei „erst ... rund sechs Monate nach den angeführten Tathandlungen beim Angeklagten aufgefunden worden“, vermag beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Denn die Tatsachenrüge will nur völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung und daraus resultierende unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen verhindern.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565, RS0117247, RS0099724; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584, 588).

Aus der Gesamtheit des angefochtenen Urteils ist nunmehr - anders als im ersten Rechtsgang (vgl 11 Os 78/11x-4, ON 110 der Hv-Akten) - ein für die Verurteilung wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB zureichendes Sachverhaltssubstrat zu entnehmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19): Die Tatrichter gingen nämlich von subsumtionsrelevanten Beiträgen des Angeklagten zu den verübten Betrügereien aus (US 12 zur Festlegung des gemeinsamen Tatplans, US 12 ff, 16 f und 19 f zur Beistellung des zur Tatbegehung verwendeten Mobiltelefons).

Soweit der Beschwerdeführer unter Außerachtlassung der zitierten Teile der angefochtenen Entscheidung „Feststellungsmängel“ (gemeint: Rechtsfehler mangels Feststellungen, vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605) einwendet, entzieht sich die Rüge somit einer meritorischen Erwiderung. Auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen des § 12 StGB wurde bereits hingewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (im Rahmen der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe ausgeführte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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