OGH 11Os40/96

OGH11Os40/967.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Gottweis als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann B***** wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26. September 1995, GZ 27 Vr 1258/95-86, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr.Bierlein, und des Verteidigers Dr.Lehner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 2 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) im Ausspruch, der Angeklagte habe eine der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmete Sache entzogen und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung des Diebstahls als schwerer Diebstahl nach § 128 Abs 1 Z 2 StGB, sowie demzufolge auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Vorhaft- anrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Johann B***** wird für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 2 StGB (I), des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (II) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III) unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 229 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 (neun) Monaten verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde ver- worfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die getroffene Sachentscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann B***** der Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 2 StGB (I), des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 2 StGB (II) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Darnach hat er - zusammengefaßt wiederge- geben - in Innsbruck und andernorts

(zu I/1) im Herbst 1993 aus einem Einbruchsdiebstahl in der Wallfahrtskirche "Höttinger Bild" stammende Sachen, nämlich vier Heiligenfiguren im Werte von 35.000 S, zwei Barockvasen im Werte von ca 10.000 S und sechs Messinggußkerzenleuchter unbestimmten Wertes, einem Dritten verschafft, indem er diese kommissionsweise übernommenen Gegenstände dritten Personen veräußerte;

(2) am 2.Dezember 1993 aus einem Diebstahl stammendes Werkzeug und Elektromaterial im Wert von ca 2.000 S an sich gebracht;

(3) nach dem 24.Februar 1994 einen gestohlenen Christuskorpus von einem Unbekannten zu einem nicht mehr feststellbaren Preis angekauft;

(zu II) im Dezember 1993 eine fremde, der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche gewidmete Sache, nämlich das in einer Stube des Gasthauses "T*****" befindliche Kruzifix im Wert von ca 8.000 S der Familie K***** mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz wegzunehmen versucht;

(zu III) im Zeitraum zwischen 14.März und 2.Mai 1994 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den für Herbert Josef S***** ausgestellten Führerschein, durch Entfernen des Lichtbildes des Berechtigten beschädigt und unterdrückt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Nachweis der Lenkerbefugnis des Genannten gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur die Schuldsprüche zu Punkt I und II bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich des auf gänzliche Urteilsaufhebung abzielenden Rechts- mittelantrages der Sache nach auch den Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung erfaßt, ist sie mangels näherer Substantiierung keiner sachlichen Erwiderung zugänglich und damit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO).

Entgegen den das Faktum I/1 (Veräußerung gestohlener Heiligenfiguren und anderer Gegenstände) betreffenden Ausführungen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 26. September 1995 gestellten Antrages auf Ausforschung und Vernehmung des Zeugen Robert H***** (651/III) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Abgesehen davon, daß der Aufenthalt dieses Zeugen nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (647/III) im Wege der Sicherheitsbehörde nicht geklärt werden konnte, sodaß insoweit ein nicht erreichbares Beweismittel vorliegt, und das Erstgericht bei seinen Urteilsannahmen ohnedies von dem angestrebten Beweisergebnis, nämlich der Existenz des (angeblichen) Übergebers der Sachen mit Rufnamen "M*****" ausgegangen ist, läuft das in der Beschwerde - und somit verspätet - relevierte Thema im Ergebnis auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus. Die in diesem Zusammenhang erst in der Rechtsmittelschrift (und daher ebenfalls verspätet) beantragte Ausforschung und Einvernahme (auch) dieser - unter der Bezeichnung "M*****" bekannten - Person ist nicht vom (allein maßgeblichen) Beweisbegehren umfaßt, sodaß es dem Angeklagten insoweit schon an der formellen Legitimation zur erfolgreichen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes gebricht (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Abs 1 Z 4 E 40 f).

Inwiefern aus der Aussage des Zeugen Robert H***** den Nichtigkeitswerber entlastendes Material gewonnen werden könnte, wird im Beweisantrag im übrigen nicht näher dargelegt und läßt sich auch aus dem Sachzusammenhang nicht erkennen, zumal der (in diesem Umfang entgegen dem - auf Diebstahl lautenden - Anklagevorwurf A/I/1 der ON 59/II ohnehin - bloß - wegen Hehlerei schuldig erkannte) Angeklagte nach seiner vor dem erkennenden Gericht gewählten Verantwortung bei Übernahme der in Rede stehenden Antiquitäten nicht nach deren Herkunft gefragt hat (633/III).

Soweit die Beschwerde in der Rechtsrüge (Z 10) die Subsumtion der Hehlereitaten (I) unter die "Qualifikation" des § 164 Abs 2 - ersichtlich gemeint aF - StGB mit der Begründung als rechtsirrig bemängelt, daß der tatsächliche, 25.000 S übersteigende Wert der verhehlten Gegenstände nach den ausdrücklichen erstrichterlichen Urteilsannahmen nicht von seinem Vorsatz erfaßt gewesen sei, orientiert sie sich nicht am tatsächlichen Urteilssach- verhalt, wurde doch eine Unterstellung der Tat unter die darauf Bezug habende Bestimmung des § 164 Abs 3 StGB nF vom Erstgericht gar nicht vorgenommen (US 20, 25).

Unbegründet ist schließlich die zum Faktum II - in bezug auf den Grundtatbestand (einfacher Diebstahl) - erhobene Tatsachenrüge (Z 5 a). Das diesbezügliche Vor- bringen des Beschwerdeführers erschöpft sich nämlich - unter teils spekulativen bzw hypothetischen Erwägungen sowie mit Bezugnahme auf unerhebliche Details (wie auf seinen angeblichen Bekanntheitsgrad in der Gastwirtschaft "T*****") - im Versuch, den aus dem (zugestandenen) äußeren Tatverhalten und der Gesamtheit der Beweisresultate empirisch einwandfrei und im Einklang mit der Lebenserfahrung abgeleiteten Schlußfolgerungen des Erstgerichtes zur subjektiven Tatseite andere, für ihn (vermeintlich) günstigere Überlegungen gegenüberzustellen. Damit werden aber keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen prozeßordnungsgemäß dargetan; vielmehr wird lediglich in unzulässiger Weise der den Tatrichtern vorbehaltene kritisch-psychologische Vorgang der Abwägung der Verfahrensergebnisse nach Art einer Schuldberufung in Frage gestellt.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Berechtigung kommt jedoch der (auch unter Z 9 lit a geltend gemachten, der Sache nach ausschließlich unter dem Aspekt der Z 10 erhobenen) Subsumtionsrüge zu, soweit sie sich zum Schuldspruch II (Vergehen des versuchten schweren Diebstahls) gegen die Annahme der Qualifikation des § 128 Abs 1 Z 2 StGB wendet:

Besonderen Schutz nach dieser Norm genießen Diebstähle e loco sacro (erste Alternative) und an res sacrae (zweite Alternative)

Nach den maßgeblichen Urteilsannahmen war das als Tatobjekt ausersehene Kruzifix an der Wand einer (unbenützten) Gasthausstube befestigt (US 20 f). Eine Tatbegehung im Sinne der erstgenannten Modifikation (e loco sacro) scheidet daher aus.

Die zweite Modifikation des in Rede stehenden alternativen Mischtatbestandes stellt ausschließlich auf die Beschaffenheit der Sache (unabhängig vom Ort, an dem sie sich befindet) ab. Dem Gottesdienst gewidmete Gegenstände im Sinne dieser Alternative sind solche, an oder mit denen nach der herkömmlichen Anschauung der betreffenden Kirche oder Religionsgesellschaft - hier der römisch-katholischen Kirche - gottesdienstliche Handlungen vorgenommen werden; ob ein Objekt der Verehrung durch eine Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet ist, hängt davon ab, ob der Sache aus geistig-religiöser Sicht der betreffenden Kirche (Religionsgesellschaft) widmungsgemäß die Funktion religiös motivierter Verehrung zukommt, also ihr gegenüber huldigende Ehrfurcht empfunden und zum Ausdruck gebracht werden soll (Leukauf-Steininger Komm3 § 128 RN 16; § 126 RN 4 ff swN).

Zwar sind Kruzifixe grundsätzlich für den Bereich der römisch-katholischen Kirche als dem Gottesdienst (vgl SSt 55/49) wie auch der Verehrung gewidmete Gegenstände (Leukauf-Steininger aaO § 126 RN 6) anzu- sehen, und zwar gleichgültig, ob sich diese in Kirchen, Kapellen, in Bildstöcken oder im Pfarrhaus befinden. Nach dem Rechtsgrund der in Rede stehenden Vorschrift (besondere Schutzwürdigkeit der dort bezeichneten Sachen im Interesse der Allgemeinheit - Leukauf-Steininger zuletzt aaO RN 2) fallen allerdings Objekte, die sich - wie hier - in einer (unbenützten) Gasthausstube befinden und nicht öffentlich verehrt werden, nicht unter die Qualifikation (Ber- tel-Schwaighofer BT I4 Rz 2; ähnlich Leukauf-Steininger aaO RN 6 aE; Kienapfel BT II2 Rz 7 aE, jeweils zu § 126).

Auf der Basis der erstgerichtlichen Konsta- tierungen kann die zur Annahme der Qualifikation erfor- derliche - auch nach den Verfahrensergebnissen nicht indi- zierte - spezifische Widmung des Tatobjekts ungeachtet seines grundsätzlichen Symbolwertes sohin nicht abgeleitet werden.

Damit ist das angefochtene Urteil aber in Ansehung der Annahme des strafsatzerhöhenden Umstandes nach § 128 Abs 1 Z 2 StGB mit einem (zutreffend auf- gezeigten) Subsumtionsfehler im Sinne der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet, der die teilweise Kassation des Urteils erforderlich macht.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeits- beschwerde war daher insoweit wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen von Vergehen derselben und verschiedenen Art, die (bezüglich der Eigentumsdelikte) einschlägigen, über die Voraussetzungen des § 39 StGB hinausgehenden Vorstrafen, als mildernd hingegen das Teilgeständnis zur Hehlerei und die insoweit vorliegende Schadensgutmachung, ferner den Umstand, daß es beim Diebstahl beim Versuch geblieben ist.

Ausgehend von diesen Strafbemessungstatsachen entspricht eine Freiheitsstrafe von neun Monaten der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten.

Die Wirkungslosigkeit bisheriger bedingter Strafmaßnahmen und des Vollzuges von (mehrmonatigen) Freiheitsstrafen läßt die Annahme, die bedingte Nachsicht (auch nur eines Teiles) der Strafe werde genügen, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, nicht mehr zu.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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