Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Paula Ingeborg B***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil sie (verkürzt wiedergegeben) am 13. Februar 2000 in Kufstein ihren Ehegatten Gunter B***** durch Schüsse aus einer Faustfeuerwaffe vorsätzlich getötet hat.
Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Gründe des § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 10a gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht sie mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge (Z 5), mit welcher die Beschwerdeführerin die Ablehnung von Beweisanträgen als maßgebliche Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsrechte kritisiert, ist unbegründet:
So wurde der Antrag auf Einholung eines "kriminologischen Spurensachverständigengutachtens" zum Beweis dafür (S 217/XIII f), dass
- Teile der Gesamtspur 19 ( ON 67 S 255/V) nicht nur den Schuhen der Angeklagten, sondern auch Hundepfoten zugeordnet werden können, diese Spur aber jedenfalls nicht vom Schuhabdruck eines Einsatzbeamten stammt
- aus der Intensität einer Luminiszenz eine Gehrichtung technisch nicht ermittelt werden kann,
- es denkunmöglich sei, dass die Spur 18 (ON 67 S 255 und 305/V) nur einmal abgezeichnet wurde, ebenso, dass von zehn Personen, die am Tatort mit dem Blut des Opfers in Berührung gekommen sein müssen, keine entsprechenden Spuren vorhanden waren und
- dass die "violetten Spuren" (Tatortfotos S 255/V) von den Schuhen eines unbekannten Täters stammen können,
zu Recht abgewiesen.
Zunächst ist zu beachten, dass es sich beim für die Spurenuntersuchungen verantwortlichen Zeugen Roger T*****, wie aus den Akten (s insb S 57 ff/XIII) und den Angaben des Sachverständigen Dr. R*****, in dessen Fachgebiet auch Spurenkunde fällt, hervorgeht (S 101 und 107 f/XIII), um einen hochqualifizierten Ermittlungsbeamten handelt. T***** hatte den Tatort und dessen nähere Umgebung nach Blutspuren, insbesondere nach solchen, welche mit freiem Auge nicht wahrnehmbar sind, untersucht und sich dabei der sogenannten Luminolmethode bedient. Durch Aufsprühen von Luminol beginnen mit Blut (aber auch mit anderen Stoffen wie Blattgrün oder Reinigungsmitteln) kontaminierte Stellen kurzfristig zu fluoriszieren (Chemieluminiszenz) und können solcherart auch photographisch festgehalten werde. Ob es sich tatsächlich um Blut handelt, kann letztlich erst durch chemische Analyse eines davon entnommenen Feuchtabriebes geklärt werden. Blutspuren am Boden können in einem Fall wie dem vorliegenden durch das Opfer, Personen, deren Schuhwerk mit dessen Blut in Berührung kam, aber auch durch Gegenstände oder Tiere verursacht ("vertragen") werden. Im Einzelfall und bei intensiven Blutablagerungen können Fußsohlenabdrücke erkannt, gegebenenfalls nach Größe und Profil unterschieden und bestimmten Spurenträgern zugeordnet werden, wenngleich eine zweifelfreie Identifizierung nicht möglich ist.
Der Zeuge T***** hat nun seine Ermittlungsergebnisse detailliert beschrieben und, soweit sie photographisch dokumentiert wurden, ausführlich erläutert (ON 232, S 37 ff/XIII, ON 102, 159, 240 S 207 ff/XIII). Dabei differenzierte er zwischen Spuren, welche sich eindeutig als Sohlenabdrücke erkennen ließen (vgl Skizze 171/V; S 215/VIII, 75/XII) und jenen, bei denen Rückschlüsse auf ihre Verursachung nicht möglich waren, wies auf die unterschiedliche Intensität des Spurenmaterials hin und bezeichnete auch jene Bereiche, in denen sich überhaupt keine durch die Luminolmethode nachweisbaren (Blut-)Spuren fanden.
Im Hinblick darauf ist nicht zu sehen - und wurde auch nicht dargetan - inwieweit ein kriminologisches Spurensachverstädigengutachten die tatsächlichen Wahrnehmungen des Ermittlungsbeamten über Existenz, Lage, Intensität und Einordnung der Spuren (als Fußsohlenabdrucksfragmente) hätte in Zweifel ziehen können. Im Übrigen war der Verursacher der Spur Nr 19 nach den Angaben des Zeugen T***** aufgrund des Erscheinungsbildes nicht bestimmbar (S 207/XIII: unbrauchbar), weshalb die Urheberschaft der Angeklagten oder des Hundes für diese Blutablagerungen ebensowenig ausgeschlossen werden kann wie die eines Einsatzbeamten. Gleiches gilt für die vom Zeugen in der Tatbestandsmappe violett eingezeichneten Spuren, welche somit von jedem beliebigen Spurenträger stammen können (S 79 und 85/XIII). Die Spur 18 war überlagert und deshalb schon nicht eindeutig zuordenbar (T*****, S 43 und 85/XIII). Auf welche Weise durch das beantragte Gutachten demgegenüber eine eindeutige Spurenidentifikation möglich sein sollte, wurde von der Beschwerdeführerin nicht begründet, weshalb die Ablehnung dieses Beweisantrages zu Recht erfolgte.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Einholung des Gutachtens eines zweiten gerichtsmedizinischen Sachverständigen wendet, ist sie schon deshalb nicht berechtigt, weil dafür gemäß §§ 125 f StPO vorausgesetzt ist, dass der Befund oder das Gutachten dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen ist oder das Gutachten nicht den Denkgesetzen entsprechende Schlüsse enthält, und diese Bedenken durch eine nochmalige Vernehmung des Sachverständigen nicht beseitigt werden können. Mit ihrem Vorbringen versucht die Beschwerdeführerin zunächst die vom Sachverständigen Dr. R***** als möglich genannte Position des Täters bei Anbringung des Kopfschusses rechts vom Opfer (S 127 f/XIII) als falsch darzustellen, übersieht dabei aber, dass der Sachverständige selbst von einer wahrscheinlichen Position links vom Opfer ausgegangen ist (S 113/XIII). Keine Bedenken der vorangeführten Art vermag die Beschwerde aufzuzeigen, indem sie die Schlussfolgerung des Sachverständigen, es sei durch die Tat zu keinen wesentlichen Anblutungen des Täters gekommen, als unzutreffend bezeichnet und mit dem Antrag auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen die Bestätigung der Behauptung anstrebt, nicht nur die Kleidung der Angeklagten, wäre sie die Täterin gewesen, sondern auch deren Schuhsohlen hätten wesentlich blutiger sein müssen. Dass die Ausführungen des Sachverständigen nämlich mit den in §§ 125 f angeführten Mängeln behaftet wären, wird damit nicht behauptet, ganz abgesehen davon, dass keinesfalls feststeht, dass die Angeklagte ihre Kleidung vor Verständigung und Eintreffen der Gendarmerie nicht gewechselt hat. Dass aber die Tatortsituation und die dort festgestellten Blutspuren ein Kampfgeschehen mit geringer Dynamik nicht ausschließt (Beweisantrag S 219/XIII, Beschwerde S 321/XIII), hat der Sachverständige ohnedies angenommen (S 105/XIII). Die Vernehmung des Zeugen Kriminalkommissar W***** wurde zum Beweis dafür beantragt, dass es sich bei der vor ihm abgegebenen Aussage der Zeugin Gina S*****, in welcher sie erklärte, den Täterkreis zu kennen, um eine durchaus ernstzunehmende handelte und für ihn Anlass genug war, sie zu protokollieren und dass es sich nach seinem persönlichen Eindruck dabei nicht nur um eine Wichtigtuerei der Zeugin gehandelt habe (ON 220 S 415/XII iVm S 133/XIII). Damit hätte der Zeuge über persönliche Eindrücke, nicht aber über die Wahrnehmung von Tatsachen, die allein Gegenstand einer Zeugenvernehmung sein können, aussagen sollen, weshalb der darauf abzielende Antrag schon aus diesem Grund zu Recht abgewiesen wurde.
Der Antrag wiederum, den Rechtsvertreter der Gina S*****, Rechtsanwalt Christian K*****, zum Beweis dafür als Zeugen zu vernehmen, dass Gina S***** auch ihm gegenüber angegeben habe, im Mordfall B***** den wahren Täter zu kennen, enthält kein ausreichendes Substrat für die Annahme einer derartigen Äußerung gegenüber dem Zeugen, weshalb die Beschwerdeführerin verhalten gewesen wäre, zu begründen, warum von K***** eine dieses Beweisthema betreffende positive Aussage erwartet werden könnte, sodass abgesehen davon, dass es sich bei diesem Beweisantrag demnach lediglich um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handelt, die Nichtigkeitswerberin zur Geltendmachung des relevierten Nichtigkeitsgrundes in diesem Punkt gar nicht legitimiert ist.
Soweit die Beschwerdeführerin unter Berufung auf das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. T*****, die unter der Voraussetzung, dass ein (heftiger) Streit der Angeklagten mit ihrem Gatten stattgefunden habe, eine "Beeinflussung" der Dispositionsfähigkeit (und somit nicht auch deren Ausschluss) für möglich hielt (ON 41 iVm ON 214 S 367/XII), die Stellung einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (Z 6) moniert, übersieht sie, dass nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens Anhaltspunkte für einen solchen, von ihr zudem bestrittenen, Streit nicht vorliegen. Schließlich versagt auch die Tatsachenrüge (Z 10a), vermögen doch die geltend gemachten Zweifel an der Würdigung der vorliegenden Verfahrensergebnisse, wie deren Überprüfung an Hand der gesamten Aktenlage ergab, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen nicht zu erwecken. So liegt zwar nahe, dass der am Tatort aufgefundene Knopf, an dem Blut des Opfers anhaftete (vgl S 77, 289 und 329/I, ON 67 S 39: S 41/VII) ebenso wie die zwischen Daumen und Zeigefinger des Getöteten festgestellten ungebleichten Schafwollfasern (S 397/II) von der Bekleidung des Täters stammen, doch steht dies mit der Annahme der Täterschaft der Beschwerdeführerin auch dann nicht in Widerspruch, wenn Kleidungsstücke, welchen Knopf und Fasern zugeordnet werden können, nicht aufgefunden wurden, weil die Angeklagte, so sie diese Kleidungsstücke getragen hat, sie noch vor Eintreffen der Gendarmerie verborgen oder vernichtet haben könnte. Zudem wurde festgestellt, dass die sichergestellten Wollfasern mit dem gleichen Waschmittel behandelt worden sein können, welches bei anderen Kleidungsstücken der Angeklagten verwendet wurde (S 399/II).
Dass diese Beweisergebnisse in der Niederschrift der Geschworenen nicht angeführt sind, sagt nichts darüber aus, dass sie von den Geschworenen nicht beachtet wurden, muss doch die - deshalb auch nicht anfechtbare - Niederschrift keinesfalls eine erschöpfende Würdigung aller Beweisergebnisse beinhalten.
Der Beschwerde zuwider wurde die an der Schusshand der Angeklagten - mit negativem Ergebnis - vorgenommene Mikrospurenuntersuchung auf Schmauchspuren (S 411 f/II) ebenso wie das den am Tatort aufgefundenen Revolver des Gunter B***** betreffende Schießgutachten (S 419/II) durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt (S 387/XII) und damit den Geschworenen zur Kenntnis gebracht. Dass sich hieraus kein unmittelbarer Hinweis auf die Tatbegehung durch die Angeklagte ergibt und sie auch durch Fingerabdrücke an dieser Waffe nicht belastet wird, hatten die Geschworenen im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Erhebliche Bedenken gegen die Täterschaft der Beschwerdeführerin ergeben sich daraus jedoch nicht, wird doch der Beweiswert der Mikrospurenuntersuchung schon dadurch relativiert, dass die Schusshandsicherung erst am 14. Februar gegen 17.00 Uhr erfolgte und zudem Schmauchspuren an der Hand auch auf andere Art vermeidbar sind (etwa durch Handschuhe). Desgleichen sagt das Fehlen von Fingerabdrücken an der Tatwaffe nichts aus. Die Beurteilung der waffentechnischen Untersuchungsergebnisse durch den Zeugen E***** wiederum (S 279/II) ist keinesfalls unschlüssig und steht der von den Geschworenen angenommenen Tatversion nicht entgegen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 2 iVm 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)