OGH 11Os38/85

OGH11Os38/8516.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.April 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta (Berichterstatter), Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Loidl als Schriftführers, in der Strafsache gegen Norbert A und andere wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Norbert A und Frank A und die Berufung der Staatsanwaltschaft bezüglich der Angeklagten Norbert A und Frank A sowie Brigitta B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichts vom 5.Dezember 1984, GZ 35 Vr 3364/84-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Bassler als Vertreters des Generalprokurators sowie der Verteidiger Dr. Burka und Dr. Herle, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Norbert A, Frank A und Brigitta B zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Norbert A wird verworfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Schuldberufung des Angeklagten Frank A werden zurückgewiesen.

Gemäß dem § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch (IV) des Norbert A wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach den § 35 Abs 1, 38

Abs 1 lit a FinStrG sowie in den Schuldsprüchen (V) des Frank A und (VI) der Brigitta B je wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs 1 lit b FinStrG und demzufolge in den entsprechenden, auf die § 35 Abs 4 und 38 Abs 1 bzw 37 Abs 2 FinStrG gegründeten Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung gegen die nach den § 35 Abs 4, 38 Abs 1 FinStrG verhängte Strafe wird der Angeklagte Norbert A auf diese Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird den Berufungen nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Norbert und Frank A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 29.März 1957 geborene Norbert A (Punkt I/ des Schuldspruches), der am 22.März 1964 geborene Frank A (Punkt III/ des Schuldspruches) und die am 26.April 1963 geborene Brigitta B (Punkt II/ des Schuldspruches) des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG, teils in der Erscheinungsform des Versuches (§ 15 StGB) - der erstgenannte Angeklagte als unmittelbarer Täter, die beiden anderen Angeklagten als Beitragstäter im Sinn des dritten Falls des § 12 StGB - sowie überdies Norbert A des tateinheitlich begangenen Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach den § 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (Punkt IV/ des Schuldspruches) und Frank A und Brigitta B je des ebenfalls tateinheitlich begangenen Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs 1 lit b FinStrG (Punkte V/ und VI/ des Schuldspruches) schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilskonstatierungen ließ Norbert A im August oder Anfang September 1984 3.161 Gramm Cannabisharz in einem PKW versteckt aus Damaskus in die Bundesrepublik Deutschland bringen und führte das Suchtgift, weil er es dort nicht verkaufen konnte, am 15. September 1984

nach Tirol ein. über diese Einfuhr informierte Norbert A seine Freundin Brigitta B und seinen Bruder Frank A, die ihm in der Folge beide in Wängle (Tirol) beim Zerkleinern und Verpacken eines Teiles des Suchtgifts in verkaufsgerechte Portionen behilflich waren. In der Zeit zwischen dem 15. oder 16.September und dem 22.September 1984 gelang es Norbert A nach Herstellung der entsprechenden Kontakte durch seinen Bruder Frank, insgesamt 300 Gramm Cannabisharz in Teilmengen von 5 Gramm bis zu 150 Gramm im Bereich von Reutte und Imst an überwiegend unbekannte Personen zu verkaufen. Am 29. September 1984 fuhren Norbert A und Brigitta B im PKW nach Imst, um dort neuerlich Suchtgift zu verkaufen, wobei sie im Verbandskissen des PKWs verborgen 563 Gramm Cannabisharz mitführten. Nachdem der Versuch, in einem Lokal in Imst Suchtgift abzusetzen, gescheitert war, fuhren Norbert A und Brigitta B weiter nach Telfs-Pfaffenhofen, wo A in einer Diskothek wieder Suchtgift anbot, dabei aber auf einen Gendarmeriebeamten stieß, sodaß ein Verkauf nicht mehr zustande kam.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Norbert A:

Rechtliche Beurteilung

Dieser Angeklagte bekämpft das Urteil aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO der Sache nach nur in bezug auf den zuletzt erwähnten Versuch des Inverkehrsetzens von Suchtgift. Die Verfahrensrüge versagt.

Der vom Erstgericht abgelehnte Antrag dieses Angeklagten auf Ausforschung und Vernehmung des Gendarmeriebeamten, der Norbert A (angeblich) zum Haschischverkauf anstiftete (S 367 d.A), betraf keinen entscheidungswesentlichen Tatumstand. Selbst wenn nämlich der Angeklagte von einem als Lockspitzel agierenden Sicherheitsorgan entgegen der Vorschrift des § 25 StPO zur Tat verleitet worden sein sollte, könnten hier daraus materiellrechtlich bedeutsame Folgerungen nicht abgeleitet werden:

Insbesondere wäre eine solche Bestimmung durch einen agent provocateur im vorliegenden Fall ohne Einfluß auf die Frage der Versuchstauglichkeit der Tat im Sinn des § 15 Abs 3 StGB (vgl ua Mayerhofer-Rieder 2 , E Nr 15 zu § 25 StPO; SSt 50/30; Steininger ÖJZ 1981/308). Da der Beschwerdeführer seiner Verantwortung nach (vgl insbes S 358 f) darnach trachtete, das Suchtgift ehestens zu verkaufen, und keineswegs behauptet, daß er zur Tatzeit zu einem solchen Verkauf des (bereits im PKW mitgeführten) Suchtgiftes in näherer zeitlicher Folge nicht bereit gewesen wäre, also die Ausführungsnähe seines Verhaltens (§ 15 Abs 2 StGB) außer Zweifel steht, ist es ohne Bedeutung, ob er dem Gendarmen von sich aus das Suchtgift zum Kauf anbot oder dieser Beamte das Gespräch anbahnte, wie dies der Beschwerdeführer und die Angeklagte B (entgegen ihren früheren Einlassungen, S 61, 71, 89, 118 f, 126 f d.A) erstmalig in der Hauptverhandlung vorbrachten (S 359, 361 d.A).

Davon abgesehen ergibt sich aus der Gendarmerieanzeige ausdrücklich, daß ein Beamter der Erhebungsabteilung vom Beschwerdeführer 'auf Haschisch angesprochen' wurde (S 39, 41 d.A). Da der Beschwerdeführer anläßlich seiner Antragstellung keinerlei Umstände behauptete, die nunmehr eine mit diesem Inhalt der Gendarmerieanzeige in Widerspruch stehende Beweisaussage des betreffenden Gendarmeriebeamten erwarten ließen, fehlt es auch an den formellen Voraussetzungen eines erheblichen Beweisantrages. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Norbert A war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde und Schuldberufung des Angeklagten Frank A:

Die (laut einem Amtsvermerk des Schöffensenatsvorsitzenden - S 409 - weder schriftlich noch zu Protokoll zurückgezogene) Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten war zurückzuweisen, weil Frank A weder bei der Anmeldung noch in einer Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde einen der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnete. In gleicher Weise war mit seiner Schuldberufung zu verfahren, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen Schöffengerichtsurteile in der StPO nicht vorgesehen ist. Zur Maßnahme nach dem § 290 Abs 1 StPO und zur Berufung des Angeklagten Norbert A gegen den Strafausspruch nach dem FinStrG:

In Ansehung der den drei Angeklagten in Tateinheit mit dem Verbrechen nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG zur Last liegenden Finanzvergehen beruht die gerichtliche Zuständigkeit lediglich auf der Annahme, der Angeklagte Norbert A habe den Suchtgiftschmuggel gewerbsmäßig (§ 38 Abs 1 lit a FinStrG) begangen (§ 53 Abs 1 lit a bzw Abs 4 FinStrG), weil die strafbestimmenden Wertbeträge (in der Höhe von 46.445 S bzw 4.411 S bzw 8.271 S) den im § 53 Abs 2 FinStrG genannten Wertbetrag von 200.000 S nicht übersteigen. Das Ersturteil enthält außer dem Wort 'gewerbsmäßig' im Urteilsspruch zu Punkt IV keinerlei Feststellung in tatsachenmäßiger Beziehung, aus der hervorginge, daß es dem Angeklagten Norbert A beim Schmuggel darauf angekommen wäre, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 38 Abs 1 lit a FinStrG). Für die im Sinn der Gewerbsmäßigkeit begriffsessentielle Tätertendenz reicht aber einmalige Begehung ohne Wiederholungsabsicht nicht aus (SSt 46/16, 50/30 u.v.a.). Somit leidet das Ersturteil insofern an einem Nichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO bewirkenden Feststellungsmangel, der auch eine abschließende Beurteilung der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit zur Ahndung der den drei Angeklagten zur Last liegenden Finanzvergehen noch nicht zuläßt (§ 53 Abs 1 bis 3 FinStrG). In den Schuldsprüchen der drei Angeklagten wegen der Finanzvergehen und in den entsprechenden (gesonderten) Strafaussprüchen war das angefochtene Urteil daher zwecks Verfahrenserneuerung durch die Tatsacheninstanz aufzuheben und demgemäß der Angeklagte Norbert A mit seiner Berufung gegen die nach den § 35 Abs 4, 38 Abs 1 FinStrG verhängte Strafe auf diesen kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Sollte eine gewerbsmäßige Absicht des Angeklagten Norbert A bei Begehung des verfahrensgegenständlichen Schmuggels im zweiten Rechtsgang nicht feststellbar sein, wird das Erstgericht vor einer Entscheidung im Sinn des § 214 FinStrG auch noch zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 53 Abs 1 bis 3 FinStrG auf Grund objektiver Konnexität (§ 53 Abs 4 FinStrG) nicht bei anderen, unter Umständen auch gesondert verfolgten Personen gegeben sind (vgl das Verfahren 25 Vr 3634/84 des Landesgerichtes Innsbruck).

Zu den Berufungen gegen die Strafaussprüche nach dem Suchtgiftgesetz:

Das Schöffengericht verhängte wegen der Suchtgiftdelikte nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG über Norbert A eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten, über Frank A sowie über Brigitta B Freiheitsstrafen in der Dauer von je einem Jahr, wobei es die beiden letztgenannten Strafen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Ferner erkannte das Schöffengericht nach dem § 12 Abs 4 SuchtgiftG auf Verfallsersatzstrafen, und zwar bei Norbert A im Betrag von 20.000 S, im Nichteinbringungsfall zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, und bei Frank A sowie Brigitta B im Betrag von je 5.000 S, im Nichteinbringungsfall je vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es bei Frank A und Brigitta B keinen Umstand, bei Norbert A (ersichtlich) 'die große Menge des eingeführten Suchtgiftes' als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte es bei allen Angeklagten die (im Fall Brigitta B nur teilweise) geständige Verantwortung, die Sicherstellung des größten Teiles des Suchtgiftes und den Umstand, daß es sich nicht um harte Drogen handelte; bei Frank A und Brigitta B überdies die bisherige Unbescholtenheit, bei Frank A auch das Alter unter 20 Jahren und bei der Angeklagten B ihre Abhängigkeit von Norbert A.

Während Norbert A die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG sowie der Verfallsersatzstrafe nach dem § 12 Abs 4 SuchtgiftG begehrt, strebt die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung die Erhöhung sämtlicher (primärer) Freiheitsstrafen nach dem Suchtgiftgesetz sowie die Ausschaltung des Ausspruches über die bedingte Strafnachsicht bei Frank A und Brigitta B an.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Die in erster Instanz zuerkannten Freiheitsstrafen nach dem Suchtgiftgesetz entsprechen nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Verfehlungen und dem Verschuldensgrad der Angeklagten. Zu einer Korrektur der vom Erstgericht festgesetzten Höhe der Freiheitsstrafen bestand sohin in keiner der beantragten Richtungen hin ein Anlaß.

Auch der Berufung des Angeklagten Norbert A gegen das Ausmaß der Verfallsersatzstrafe konnte kein Erfolg beschieden sein, weil die Behauptung einer fehlenden Begründung dieses Strafausspruches aktenwidrig ist (S 405) und im übrigen gegen die - allein dem richterlichen Ermessen unterliegende - Aufteilung der Strafen auf die Tatbeteiligten keine Bedenken bestehen.

Die bisherige Unbescholtenheit, der nicht auszuschließende ungünstige Einfluß des Haupttäters (insbesonders auf Brigitta B), die nicht allzu großen von den beiden Beitragstätern zu verantwortenden Mengen und die Art des Suchtgiftes ließen entgegen der Auffassung der Anklagebehörde bei Frank A und Brigitta B - vor allem auch unter Bedachtnahme auf die bereits mehrmonatige Dauer der Untersuchungshaft - die vom Erstgericht gewährte bedingte Strafnachsicht als vertretbar und geboten erscheinen. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte