OGH 11Os35/99 (11Os36/99)

OGH11Os35/99 (11Os36/99)27.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vielhaber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Johann P***** wegen des Verbrechens nach § 14 Abs 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 11. Jänner 1999, GZ 39 Vr 2993/98-253, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gemäß § 494a Abs 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Heigl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 26. Jänner 1999, AZ 7 E Vr 25/99, auf fünf Jahre herabgesetzt wird.

Der Beschwerde wird Folge gegeben, gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 37 E Vr 2668/92 des Landesgerichtes Salzburg abgesehen und gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz Johann P***** (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens nach § 14 Abs 1 SGG schuldig erkannt und im Zusammenhalt mit dem bereits im ersten Verfahrensgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch wegen des teilweise im Stadium des Versuchs nach § 15 StGB gebliebenen Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 12 Abs 3 SGG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gleichzeitig widerrief das Erstgericht eine Franz Johann P***** im Verfahren AZ 37 E Vr 2668/92 des Landesgerichtes Salzburg gewährte bedingte Nachsicht eines Strafteiles im Ausmaß von zwölf Monaten.

Nach dem Schuldspruch hat Franz Johann P***** von Februar bis Oktober 1996 in Salzburg und anderen Orten im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Hans G*****, Friedrich V*****, Hermann Z*****, Johann H*****, Rainer S***** sowie weiteren namentlich unbekannten Personen die gemeinsame Ausführung einer im § 12 SGG bezeichneten strafbaren Handlung, nämlich den Transport von rund 1.700 bis 1.800 kg Haschisch von Marokko nach Holland verabredet, wobei jeweils im Februar und im Juli 1996 Lastfahrzeuge mit präparierten Kühlanhängern, gelenkt von Z***** und V***** in Casablanca waren, es jedoch auf Grund von Schwierigkeiten bei der Grenz- bzw Zollabfertigung zu keiner Suchtgiftübernahme kam.

Gegen den Schuldspruch richtet sich eine auf die Gründe der Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit c und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Unter den Z 5, 5a und 9 lit a leg. cit. bekämpft der Angeklagte die Urteilsfeststellungen, welche zur Annahme des Verbrechens des Komplottes führten, und diese rechtliche Beurteilung.

Erfolgreiche Rechtsmittel setzen aber eine Beeinträchtigung der Rechte dessen voraus, zu dessen Gunsten sie ergriffen worden sind. Die Nichtigkeitsbeschwerde eines Angeklagten erweist sich daher als unbegründet, wenn die Tat, deren der Angeklagte schuldig erkannt worden ist, bei richtiger Anwendung des Gesetzes nicht dem vom angefochtenen Urteil angewendeten, sondern einem anderen - gleich strengen oder strengeren - Strafgesetz zu unterstellen gewesen wäre (Mayerhofer StPO4 § 282 E 1).

Das Erstgericht hat - gestützt auf die insoweit immer geständige Verantwortung des Angeklagten - festgestellt, daß dieser über den gesondert verurteilten Hans G***** zunächst einen, später zwei Lastkraftwagenlenker dazu bestimmt hat, mit einem Fahrzeug samt präpariertem Kühlanhänger nach Marokko zu fahren, dort rund 1.700 bis

1.800 kg Cannabisharz zu übernehmen und dieses Suchtgift nach Europa zu schmuggeln. Die Vollendung der Tat scheiterte zweimal, weil es auf Grund von Schwierigkeiten bei der Grenz- bzw Zollabfertigung zu keiner Übernahme der Suchtstoffe kam.

Das konstatierte Verhalten des Angeklagten wäre bei richtiger rechtlicher Beurteilung als eine versuchte Bestimmung zum Suchtgiftschmuggel nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB, § 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG (bzw § 28 Abs 2, Abs 4 Z 3 SMG) zu beurteilen gewesen. Dieses Verbrechen ist mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren, somit mit wesentlich höherer Strafe als jenes nach § 14 Abs 1 SGG bedroht.

Auf Grund der zwar unrichtigen, aber sich zu Gunsten des Angeklagten auswirkenden rechtlichen Unterstellung der Tat liegt eine Beeinträchtigung seiner Rechte nicht vor und war daher die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Umfang bereits aus rechtlichen Gründen zu verwerfen.

Nicht im Recht ist die Beschwerde auch, soweit sie sich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit c und 11 des § 281 Abs 1 StPO stützt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit c) behauptet, das Gericht habe dem Ankläger rechtsirrig ein Strafanklagerecht zugebilligt. Gemäß § 293 Abs 1 StPO hätte es nämlich - sofern der Oberste Gerichtshof Abweichungen nicht angeordnet hat - im neu durchzuführenden Verfahren die ursprüngliche Anklage zugrunde zu legen gehabt und hätte daher nicht der in der Hauptverhandlung des zweiten Rechtsganges modifizierten Anklage folgen dürfen.

Die Bestimmung des § 293 Abs 1 StPO hat aber lediglich die Bedeutung, daß der vom Erstgericht durchzuführenden neuen Verhandlung die ursprüngliche Anklage, das heißt die in der Anklageschrift bezeichnete Tat, nicht aber deren rechtliche Beurteilung zugrunde zu legen ist. Dem Erstgericht ist es daher in keinem Verfahrensstadium verboten, die rechtliche Einordnung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern (Mayerhofer StPO4 § 293 E 2 f). Ebenso ist der Staatsanwalt berechtigt, die in der Anklage in rechtlicher Hinsicht vorgenommene Qualifikation des Sachverhaltes zu ändern, zumal ja letztlich das Gericht über die endgültige Beurteilung zu befinden hat. Lediglich eine solche zulässige Änderung der rechtlichen Qualifikation des vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens hat die Staatsanwältin eingangs der Hauptverhandlung vom 11. Jänner 1999 vorgenommen (S 196 f/VI).

Es fehlt demnach weder an der nach dem Gesetz erforderlichen Anklage noch wurde hiedurch ein anderer Nichtigkeitsgrund verwirklicht.

In der Strafzumessungsrüge (Z 11) behauptet der Angeklagte einen Verstoß gegen das in den §§ 290 Abs 2, 299 Abs 3 StPO festgehaltene Verbot der reformatio in peius, weil über ihn im ersten Rechtsgang lediglich eine fünfjährige, nun aber eine sechsjährige Freiheitsstrafe verhängt worden sei.

Dem ist jedoch zu erwidern, daß das erkennende Gericht im neuen Verfahren eine höhere Strafe aussprechen darf, wenn die im ersten Urteil festgesetzte Strafe mit einer zulässigen und rechtzeitig erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft angefochten worden war (Mayerhofer StPO4 § 293 E 33). Im vorliegenden Fall meldete die Staatsanwaltschaft noch in der Hauptverhandlung vom 1. Dezember 1997 die Berufung an (S 21/VI) und führte dieses Rechtsmittel mit dem Antrag auf Erhöhung der Freiheitsstrafe auch rechtzeitig aus (ON 234/VI). In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. September 1998, AZ 11 Os 93,99/98, wurde die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die den Strafausspruch teilweise (und den Beschluß nach § 494a StPO) aufhebende Entscheidung verwiesen (ON 244), sodaß das Erstgericht bei der Neubemessung der Strafe durch das im ersten Rechtsgang gefällte Straferkenntnis in keiner Weise gebunden war.

Die behauptete irrige Einordnung von Vorverurteilungen des Angeklagten als einschlägig und damit als einen nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung relevanten Umstand im Sinne eines besonderen Erschwerungsgrundes stellt lediglich ein Berufungsvorbringen dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte oder teilbedingte Nachsicht anstrebt. Den Widerrufsbeschluß bekämpft er unter Hinweis auf das Verschlimmerungsverbot mit Beschwerde.

Bei der Strafzumessung wertete das Schöffengericht unter Einbeziehung der im ersten Rechtsgang angenommenen Strafzumessungsgründe als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, den Umstand, daß die übergroße Menge des Suchtgiftes beinahe um das Dreifache überschritten wurde, und (neu) die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd das Teilgeständnis sowie den Umstand, daß es hinsichtlich der Kokaineinfuhr in zwei Fällen beim Versuch geblieben ist.

Entgegen der Berufung wurden die wegen der Begehung von Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit ergangenen Vorstrafen zu Recht als zu den Verbrechen nach dem SGG einschlägig und damit als erschwerend gewertet; richten sich doch beide mit Strafe bedrohten Handlungen gegen das Rechtsgut der körperlichen Integrität (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 71 E 6a).

Das längere Zurückliegen der Taten kann nicht als mildernd gewertet werden. Hiezu wäre nämlich das Verstreichen eines Zeitraumes zwischen Tat und Urteil erforderlich, der etwa der Rückfallsverjährungsfrist entspricht (Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 27), und nicht wie hier lediglich ein solcher von rund 3 Jahren.

Die behauptete untergeordnete Rolle des Angeklagten widerspricht den Urteilsfeststellungen und kommt daher nicht als mildernder Umstand in Betracht.

Ergänzungsbedürftig sind die Milderungsgründe im Sinne des Berufungswerbers aber dahingehend, daß nunmehr ein volles reumütiges Geständnis vorliegt.

Ausgehend vom gesetzlichen Strafrahmen des § 12 Abs 3 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren) und dem darin zum Ausdruck gebrachten Unwert von Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz kann - entgegen der Berufung - nicht davon gesprochen werden, daß das Verhalten des Angeklagten "knapp über der Strafbarkeitsschwelle angesiedelt ist". Auch stellt es keinen berücksichtigungswürdigenden Umstand dar, daß der Berufungswerber durch die von ihm vorsätzlich begangenen Verbrechen in seiner Existenz als Bordellbetreiber beeinträchtigt wurde.

Im Hinblick auf das reumütige Geständnis und die Tatsache, daß es bei der Einfuhr einer erheblichen Menge Kokains beim Versuch geblieben ist, erscheint die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe etwas überhöht und war demnach auf fünf Jahre herabzusetzen, wobei gemäß §§ 31, 40 StGB auf das während des Rechtsmittelverfahrens gegen den Angeklagten ergangene (rechtskräftige) Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis Bedacht zu nehmen war.

Da die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände nicht beträchtlich überwiegen, kommt eine bedingte oder teilbedingte Nachsicht dieser Strafe nicht in Betracht.

Der Berufung kommt daher teilweise Berechtigung zu.

Auch die Beschwerde ist begründet.

Im Hinblick auf die verhängte mehrjährige (unbedingte) Freiheitsstrafe bedarf es aus spezialpräventiven Gründen nicht zusätzlich auch des Vollzuges des durch das Landesgericht Salzburg bedingt ausgesprochenen Strafteiles.

Es war daher der Beschwerde gegen den Widerruf Folge zu geben, jedoch gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit des betroffenen Strafausspruches auf 5 Jahre zu verlängern.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte