OGH 11Os32/97

OGH11Os32/9715.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner, Dr.Schmucker und Dr.Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Fritz Schi***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach §§ 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG und 15 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.November 1996, GZ 4 b Vr 8009/96-124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Fritz Schi***** des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach §§ 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG und 15 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Karl Schr***** und Roland Schö***** als Mittäter am 4.Februar 1994 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich ca 1 kg Kokain aus Kolumbien ausgeführt und nach Brasilien einzuführen versucht hat, um das Suchtgift dann weiter nach Österreich verschaffen zu lassen, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmachte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.

Entgegen dem Vorbringen in der Verfahrensrüge (Z 4) wurde durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 7.November 1996 gestellten Antrages auf Übersetzung und Verlesung des - vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vorgelegten - Briefes des Ricardo Yano B. F***** (eines Anwaltes) zum Beweis dafür, "daß die Belastungen, die der Herr Schr***** sowohl hier und auch in Brasilien von sich gegeben hat, zu Protokoll gegeben hat, unrichtig sind, von seinem eigenen Anwalt als unglaubwürdig dargestellt werden" (S 248/III), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

Wie schon vom Erstgericht in seinem abweisenden Zwischenerkenntnis zutreffend dargelegt wurde (S 249/III), handelt es sich bei der beantragten Verlesung eines Schriftstückes, in welchem ein Zeuge, der keine Wahrnehmungen zum Tatgeschehen gemacht hat, seine persönliche Einschätzung über die Glaubwürdigkeit der (belastenden) Angaben des - im gegenständlichen Verfahren als Zeugen vernommenen Mittäters - Karl Schr***** darlegt, um einen bloß mittelbaren Beweis, dessen Aufnahme zum einen im Hinblick auf die eigenständige Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben dieses Zeugen (S 212 ff, 247/III) durch die Tatrichter, zum andern deshalb unterbleiben konnte, weil bei der gegebenen Sachlage - der zu übersetzende Brief stammt vom 3.Jänner 1995, Karl Schr***** hat seine Angaben auch in dez Hauptverhandlung vom 3.Oktober 1996 deponiert - der Beweisantrag nicht so substantiiert ist, daß bei Anlegen eines realitätsbezogenen Maßstabes eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten war (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19 b).

Soweit der Angeklagte erst in der Rechtsmittelschrift die Unterlassung der Einvernahme der Zeugin Doris W*****, deren Aussagen in der Hauptverhandlung lediglich verlesen worden waren (S 248/III), moniert, mangelt es ihm an der Beschwerdelegitimation, hat er doch in der - gemäß § 276 a StPO am 7.November 1996 neu durchgeführten - Hauptverhandlung keinen (neuerlichen) Antrag auf Vernehmung dieser Zeugin gestellt. Dem Beschwerdevorbringen, das Erstgericht sei von Amts wegen verpflichtet gewesen, die Zeugin auszuforschen und zu vernehmen, genügt die Erwiderung, daß der Richter zwar nach § 3 StPO verhalten ist, den unverteidigten Angeklagten darüber zu belehren, daß er die von ihm erwähnten Entlastungszeugen namhaft machen und deren Vernehmung beantragen könne, jedoch nicht einen Verteidiger in der Ausübung seiner Funktion zu kontrollieren oder gar anzuleiten hat (Mayerhofer aaO § 3 E 178).

Auch die in der Beschwerde vermißte Unterlassung der Gegenüberstellung der Zeugen Karl Schr***** und Roland Schö***** ist nicht von dem (hier allein maßgeblichen) Beweisbegehren in der Hauptverhandlung umfaßt, hat doch der Beschwerdeführer diesen in der Hauptverhandlung vom 3.Oktober 1996 gestellten Antrag (S 227/III) in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 7. November 1996 (ebenso wie den Antrag auf Einvernahme der Zeugin W*****) nicht wiederholt, sodaß es dem Angeklagten an der formellen Legitimation zur Geltendmachung des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes gebricht.

Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5) behauptet die Beschwerde

Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Hiebei versucht der Angeklagte die Glaubwürdigkeit seiner leugnenden Verantwortung darzutun, indem er auf einzelne Ergebnisse des Beweisverfahrens hinweist, welche er als für ihn günstig ansieht und damit die ihn belastenden Angaben des Zeugen Karl Schr***** zu entkräften trachtet. Solcherart versucht er lediglich erneut, auf der Basis dieser Depositionen die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes auf eine auch im Rahmen der Tatsachenrüge nicht zulässige Weise (NRsp 1994/176) in Zweifel zu ziehen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a und 9 lit b) entbehrt zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung; diese verlangt nämlich ein unbedingtes Festhalten am gesamten festgestellten Tatsachensubstrat, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den Nachweis, daß dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhaltes ein Rechtsirrtum oder/und ein Feststellungsmangel unterlaufen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 E 30, § 281 Z 9 a E 5). Diesem Gebot zuwider beschränkt sich der Beschwerdeführer nur auf die Behauptung von Feststellungsmängeln zur subjektiven Tatseite, indem er die Konstatierung des Schöffengerichtes zum Vorsatz des Angeklagten bezüglich aller objektiven Tatbildmerkmale des § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG (US 10) ebenso übergeht, wie die diejenige, daß "die gesamte Kokainmenge in den Tatplan einbezogen" war (US 11). Diese Feststellung bringt den unzweifelhaft auf die Ein- und Ausfuhr einer übergroßen Kokainmenge gerichteten Vorsatz des Angeklagten ebenso zum Ausdruck wie die - sich damit deckenden - Erwägungen zum Vorsatz des Angeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung (US 22).

Mit dem Einwand, "ausgehend von den Feststellungen" des Erstgerichtes sei lediglich der Tatbestand nach § 14 SGG verwirklicht worden, für den aber eine auf § 64 Abs 1 StGB gestützte inländische Gerichtsbarkeit nicht vorliege, wird der angezogene Nichtigkeitsgrund mangels Substantiierung nicht in einer der Erörterung zugänglichen Weise geltend gemacht; zudem werden dabei jene Urteilsfeststellungen übergangen, welche die für die Tatbestandserfüllung des § 12 SGG erforderliche Aus- bzw (versuchte) Einfuhr des Suchtgiftes von Kolumbien nach Brasilien und in weiterer Folge die (geplante) Ausfuhr einer übergroßen Kokainmenge nach Österreich konstatieren (US 10 f).

Soweit die Rechtsrüge unter Heranziehung der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO neuerlich die Beurteilung der Tat nach § 14 SGG anstrebt, indem sie - unter Vernachlässigung der Urteilsannahmen bezüglich der Täterschaft nach § 12 SGG in ihrer Gesamtheit - von der (urteilsfremden) Prämisse ausgeht, der Beschwerdeführer habe lediglich die gemeinsame Ausführung der in § 12 SGG bezeichneten strafbaren Handlung verabredet, entbehrt sie mangels Orientierung am gesamten Urteilssubstrat ebenfalls der gesetzmäßigen Darstellung, sodaß sich ein weiteres Eingehen auf die - vom Vorliegen eines Tatbestandes nach § 14 SGG ausgehenden - Argumente zum (vermeintlichen) "Entfall der Strafbarkeit der Tat nach § 64 Abs 4 StGB" erübrigt.

Der - lediglich allgemein gehaltene - Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), die dem Beschwerdeführer angelastete Handlung erfülle den Tatbestand des § 14 SGG, nicht jedoch den vom Erstgericht festgestellten Tatbestand des § 12 SGG, ist mangels jeglicher Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

In seiner Strafzumessungsrüge (Z 11) behauptet der Beschwerdeführer eine unrichtige Vorhaftanrechnung, weil der Umstand, daß "die Untersuchungshaft in einer entsprechenden Justizanstalt des Staates Brasilien erlitten werden mußte", zu einer mehrfachen - zumindest zweieinhalbfachen - Anrechnung hätte führen müssen.

Abgesehen davon, daß die reklamierte Vorhaftanrechnung "unter Berücksichtigung der Haftbedingungen in einer Justizanstalt in Brasilien" der österreichischen Rechtsordnung (§ 38 Abs 1 StGB) fremd ist, kann gemäß § 283 Abs 2 zweiter Satz StPO eine unterbliebene oder fehlerhafte Anrechnung nur mit Berufung geltend gemacht werden (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 36 j). Der Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers bei Antreten seiner Strafhaft in Österreich vorgelegen wären, bedarf im Hinblick auf den ausschließlich spekulativen Charakter dieses Vorbringens keiner Erörterung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird der hiefür gemäß § 285 i StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte