OGH 11Os32/22y

OGH11Os32/22y14.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * G* und eine weitere Person wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. März 2021, GZ 10 Hv 39/18s‑65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00032.22Y.0614.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch der Angeklagten enthält, wurden * G* und * A* von der wider sie erhobenen Anklage, sie hätten zwischen 1. Jänner 2012 und 31. Mai 2015 in Graz im bewussten und gewollten Zusammenwirken gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Vertreter des Sozialamts der Stadt Graz durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, kein meldepflichtiges Handelsgewerbe zu betreiben, keine meldepflichtigen Einnahmen zu erzielen und keine meldepflichtigen Auslandsaufenthalte zu absolvieren, zu einer Handlung, nämlich zur fortlaufenden Auszahlung von Sozialleistungen (bedarfsorientierte Mindestsicherung) von insgesamt 22.595,09 Euro verleitet, die den Bund, das Land Steiermark und die Stadt Graz in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[3] Den (Teil‑)Freispruch gründete das Schöffengericht darauf, dass die Angeklagten im relevanten Zeitraum – bereits in objektiver Hinsicht – keine die bedarfsorientierte Mindestsicherung kürzenden (und daher meldepflichtigen) Einkünfte aus einem Handelsgewerbe erzielten, das Verschweigen einer erfolglosen Geschäftsgründung durch den Angeklagten G* nicht geeignet war, die Beurteilung der Vermögens- und Einkommenslage der Angeklagten zu beeinflussen und eine geänderte Bemessungsgrundlage für die Mindestsicherung herbeizuführen, und auch keine der im maßgeblichen Zeitraum getätigten Auslandsreisen der Angeklagten eine (die Mindestsicherung kürzende) Dauer von mehr als 14 Tagen erreichte (US 7, 13, 15 f).

[4] Überdies ist dem Urteil (US 6 ff) zu entnehmen, dass ausschließlich der Angeklagte G* (für sich, seine Ehefrau A* und für die gemeinsamen Kinder) bedarfsorientierte Mindestsicherung beantragte (US 12) und auch nur er mündlich darüber belehrt wurde, dass Änderungen der Umstände – etwa durch Einkünfte – bekanntzugeben seien (US 6, 12); ihn betreffend wurde für den hier maßgeblichen Zeitraum ein Handeln mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz explizit verneint (US 16).

[5] Hinsichtlich der Angeklagten A* konstatierte der Schöffensenat, dass sie bei keinem Behördentermin anwesend war, die in den Bescheiden enthaltenen (deutschen) Rechtsbelehrungen nicht durchlas und diese auch nicht ausreichend verstanden hätte (US 6 f, 12). Damit trafen die Tatrichter der Sache nach – für den hier relevanten Zeitraum – eine Negativfeststellung zu einem vorsätzlichen Täuschen durch die Angeklagte A* (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 114).

Rechtliche Beurteilung

[6] Gründet das Gericht – wie hier – einen Freispruch auf die Annahme, dass mehrere Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind, und trifft es zu diesen hinreichende (negative) Feststellungen, ist es unter dem Aspekt erfolgreicher Urteilsanfechtung erforderlich, alle die Tatbestandsverwirklichung ausschließenden (negativen) Konstatierungen deutlich und bestimmt als mangelhaft begründet (Z 5) oder unter Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4 zu bekämpfen (RIS‑Justiz RS0127315 [T4]).

[7] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) bekämpft ausdrücklich (nur) die zur Verneinung der Erzielung von Einkünften aus einer Handelstätigkeit getroffenen Feststellungen (US 7) als „gar nicht“ bzw „unzureichend“ oder „mangelhaft begründet“ und „teilweise widersprüchlich“. Die Festellung zum Fehlen eines auf Täuschung, Schädigung und Bereicherung gerichteten Vorsatzes des Angeklagten G* (US 16) sowie die zum Ausdruck gebrachten Negativfeststellungen betreffend ein vorsätzliches Täuschungsverhalten der Angeklagten A* (US 6 f, 12) werden hingegen nicht deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) als mangelhaft begründet (Z 5) beanstandet.

[8] Diese – nicht bekämpften – (Negativ‑)Feststellungen stehen dem von der Staatsanwaltschaft angestrebten Schuldspruch und damit einer erfolgreichen Urteilsanfechtung entgegen.

[9] Solcherart erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere, den – für die Bemessung der Mindestsicherung relevanten – objektiven Sachverhalt betreffende Vorbringen der Mängelrüge (Z 5), womit es auch keiner Erörterung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) bedarf.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[11] Eine Kostenentscheidung hatte gemäß § 390a Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz StPO zu unterbleiben.

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