Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Monate herabgesetzt wird.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.Februar 1915 geborene Angeklagte Andre de L*** 1./ des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB und 2./ des Verbrechens der versuchten Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und b (inhaltlich nur 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte nur den zu Punkt 2./ des Urteilssatzes ergangenen Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung, laut dem ihm zur Last liegt, am 14. und 15.Mai 1987 Maria N*** durch die Aufforderung, 3.000 S an ihn zu bezahlen, wenn sie die unter 1./ genannten Urkunden ( = Fahrzeugpapiere und Führerschein) wieder erhalten wolle, sowie durch die sinngemäße Drohung, er wisse, daß sie ein neues Auto habe und werde dieses beschädigen, sollte sie nicht zahlen, sohin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, zu einer Handlung zu nötigen versucht zu haben, die Maria N*** am Vermögen schädigen sollte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern. Als willkürlich und unzureichend begründet (Z 5) bezeichnet der Angeklagte die Urteilsfeststellung, wonach er durch die - im übrigen aus dem Zusammenhang gelöste - telefonische Äußerung "Sie haben ein neues Auto", mit einer Beschädigung dieses Fahrzeuges drohte (AS 49). Insbesondere beruhe die vom Schöffensenat für diese Schlußfolgerung (angeblich) herangezogene Argumentation, es wäre dem Angeklagten aufgrund der in seinen Händen befindlichen Urkunden, aus denen ihm der Wohnort der Zeugin (und das polizeilich Kennzeichen des Fahrzeuges) bekannt war, ein Leichtes gewesen, den PKW in der Nähe des Wohnortes zu suchen "und zu beschädigen" (AS 51), nicht auf denkrichtigen und der Lebenserfahrung entsprechenden Überlegungen, weil der 72-jährige Angeklagte nach der Aktenlage "schwer gehbehindert" sei.
Rechtliche Beurteilung
Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Zum einen übergeht der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht die bekämpfte Interpretation der Äußerungen des Angeklagten denkmöglich aus dem gesamten Gespräch erschließt, das unter Berücksichtigung nicht nur der Aussage des Tatopfers Maria N*** (vgl. insbes. AS 39 f) sondern auch aller äußeren Umständes des Falles die vom Erstgericht keineswegs - wie der Beschwerdeführer
meint - "willkürlich" gezogene Schlußfolgerung zuläßt. Zum anderen kommt es nicht darauf an, ob der Drohende das in Aussicht gestellte Übel tatsächlich verwirklichen kann oder will (vgl. Kienapfel BT I2 § 105 RN 42), sondern darauf, ob die Verwirklichung ernst gemeint scheint und die Drohung solcherart objektiv geeignet ist, dem Bedrohten im konkreten Fall begründete Besorgnisse einzuflößen. Hiezu verweist aber der Schöffensenat im Urteil - gleichfalls denkmöglich - darauf, daß die Bedrohte nach den Umständen des Falles und nach der Vorstellung des Angeklagten - der übrigens nach der Aktenlage (vgl. insbes. S 14 in ON 2) durchaus nicht so schwer behindert ist, wie die Beschwerdeausführungen glauben machen wollen - den Eindruck haben mußte, der Angeklagte sei infolge Kenntnis ihrer Wohnanschrift (und des polizeilichen Kennzeichens des PKWs) in der Lage, das angedrohte Übel einer Beschädigung ihres Fahrzeuges auch wirklich herbeizuführen, zumal Maria N*** weder das Alter des Angeklagten kannte noch um dessen "Gehbehinderung" wußte. Von einer i.S. des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO unzureichenden Begründung entscheidungswesentlicher Tatsachenfeststellungen kann daher nicht gesprochen werden. Damit erledigt sich aber auch der rechtliche (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) Einwand, das Urteil sei - soweit die Drohung mit dem Zurückbehalten von Urkunden in Rede stehe - deshalb mit einem Feststellungsmangel behaftet, weil die bloße Drohung, einen Führerschein, einen Zulassungsschein und eine Kfz-Steuerkarte nur gegen Zahlung eines Betrages von 3.000 S zurückzugeben, schon objektiv nicht geeignet sei, der Bedrohten begründete Besorgnis einzuflößen. Denn insoweit stellt der Beschwerdeführer nicht auf den gesamten im Urteil (wie bereits dargelegt mängelfrei) festgestellten, auch die sinngemäße Drohung mit einer Beschädigung des PKWs umfassenden Sachverhalt ab. Das weitere Beschwerdevorbringen, es sei fraglich, ob ein Telefonanruf wirklich geeignet sei, Besorgnis einzuflößen, weil es "dem Verlustträger aufgrund der ihm bekannten Adresse leicht möglich gewesen wäre, einen Kontakt mit dem Finder herzustellen", entzieht sich einer sachbezogenen Erörterung, weil Maria N*** nach den Urteilsfeststellungen die Adresse des Finders nicht kannte und nicht einzusehen ist, weshalb die theoretische Möglichkeit der Erpreßten, mit dem Erpresser bei der Übergabe des abgenötigten Geldbetrages Kontakt aufzunehmen, letzteren exkulpieren sollte.
Richtig ist, daß das Erstgericht "davon ausgeht, daß der vom Angeklagten geforderte Betrag von 3.000 S (für die Erpreßte) einen Vermögensnachteil darstellt". Dies ist aber - was der Beschwerdeführer ersichtlich verkennt - entscheidungswesentliches Abgrenzungskriterium des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB als Sonderfall der Nötigung vom allgemeinen Nötigungstatbestand nach dem § 105 Abs 1 StGB. Denn Erpressung begeht, wer mit Bereicherungsvorsatz jemanden mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt. Auch der Vorwurf, das Erstgericht habe "den angedrohten Vermögensnachteil mit der von der Bedrohten auszuführenden Handlung vermengt", trifft nicht zu. Denn das Erstgericht unterscheidet - dem Beschwerdevorbringen zuwider - klar zwischen dem angedrohten Vermögensschaden (Kosten der Neuausstellung der zurückbehaltenen Urkunden; Reparaturkosten für einen beschädigten PKW) und jenem Vermögensschaden (in der Höhe von 3.000 S), der der Erpreßten durch die Nötigungshandlung erwachsen sollte (AS 50, 53). Insoweit entbehrt die Rechtsrüge einer gesetzmäßigen Darstellung. Es versagt aber auch der weitere (sinngemäße) Einwand des Beschwerdeführers, seine Vorgangsweise sei "durch die Bestimmungen des ABGB über den Finderlohn" gerechtfertigt gewesen, womit er der Sache nach (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) die Urteilsfeststellung, er habe mit dem Vorsatz gehandelt, sich unrechtmäßig zu bereichern, bekämpft. Damit verkennt er aber, daß sich die Höhe des Finderlohnes nach dem gemeinen Wert der verlorenen und aufgefundenen Sache richtet (§ 391 ABGB). Für Urkunden, die keinen Verkehrswert haben (wie fallbezogen ein Führerschein, ein Zulassungsschein und eine Kfz-Steuerkarte), besteht sohin kein Anspruch auf Finderlohn; der Eigentümer ist nur verbunden, dem Finder die Auslagen zu vergüten (§ 391 ABGB). Daß aber der Angeklagte allenfalls rechtsirrig angenommen habe, ihm stehe ein Finderlohn - den er übrigens infolge Verstoßes gegen die Bestimmung des § 389 ABGB, wonach der Finder verbunden ist, den ihm bekannten Verlustträger die Sache zurückzugeben, gemäß dem § 393 ABGB zur Gänze verwirkt hätte - in der Höhe von 3.000 S zu (was einem Verkehrswert der gefundenen Sachen von ca. 60.000 S entspräche), wurde im Verfahren erster Instanz nicht behauptet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 144 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und sah diese gemäß dem § 43 Abs 1 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.
Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den relativ geringen Schaden, den Umstand, daß es (im Verbrechensfaktum) beim Versuch blieb, die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten sowie die Tatsache als mildernd, daß die strafbaren Handlungen in auffallendem Widerspruch zu dessen bisherigem Verhalten stehen.
Mit seiner Berufung strebt Andre de L*** unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.
Dem Begehren kommt Berechtigung zu:
Hält man dem Angeklagten im Sinn der diesbezüglich zutreffenden Berufungsausführungen als zusätzliche Milderungsgründe noch sein fortgeschrittenes Alter in Verbindung mit seinem ersichtlich beeinträchtigten Gesundheitszustand sowie den Umstand zugute, daß das Tatopfer wieder in den Besitz der unterdrückten Urkunden gelangte, dann überwiegen die Milderungsgründe den einzigen Erschwerungsgrund sowohl der Zahl, als auch dem Gewicht nach beträchtlich. Im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers besteht überdies begründete Aussicht, daß er auch bei einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Damit liegen aber alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 StGB vor.
Dem Obersten Gerichtshof erschien daher bei sorgfältiger Abwägung der korrigierten Strafzumessungsgründe im Wege der außerordentlichen Strafmilderung eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf das tatschuldadäquate Ausmaß von drei Monaten als geboten. Von der Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 StGB) wurde nach Lage des Falles aus Gründen der erforderlichen Effektivität Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)