Spruch:
Das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 6.August 1987, GZ 10 a E Vr 579/87-13, verletzt das Gesetz
1./ durch den Schuldspruch des Markus Mario E*** (auch) wegen des Vergehens der fahrlässigen (schweren) Körperverletzung (der Andrea K*** und des Karl S***) nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (erster Fall) StGB in dieser Gesetzesstelle; 2./ durch den Zuspruch eines Betrages von 20.000 S an die Privatbeteiligte Andrea K*** in der Bestimmung der § 369 Abs. 1 StPO (in Verbindung mit § 1 Abs. 1 AmtshaftungsG). Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (erster Fall) StGB, im Strafausspruch sowie im erwähnten Zuspruch eines Betrages von 20.000 S an die Privatbeteiligte Andrea K*** aufgehoben (womit auch alle auf den aufgehobenen Teilen des Urteils beruhenden Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 7.August 1987 !S 145 im Akt 10 a E Vr 579/87 des Kreisgerichtes Wels sowie der Beschluß vom 20.Oktober 1987, GZ 10 a E Vr 579/87-20, über die Bestimmung der Kosten der Vertretung der Privatbeteiligten Andrea K*** dahinfallen, sodaß die gegen den zuletzt erwähnten Beschluß erhobene Beschwerde des Verurteilten Markus Mario E*** !ON 21 des Bezugsaktes gegenstandlos ist), und es wird gemäß dem § 292 StPO in der Sache selbst erkannt:
Markus Mario E*** wird für das ihm nach dem unberührt verbliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Vergehen der fahrlässigen Gemeingefährdung nach dem § 177 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 (sechzig) Tagessätzen zu je 200 (zweihundert) S, im Nichteinbringungsfall zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Die Kostenentscheidung wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.
Gemäß dem § 366 Abs. 2 StPO wird die Privatbeteiligte Andrea K*** mit den geltend gemachten Ersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem in einem Vermerk gemäß den §§ 458 Abs. 2, 488 Z 7 StPO (aF) beurkundeten, in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 6.August 1987, GZ 10 a E Vr 579/87-13, wurde der am 15.August 1967 geborene Kraftfahrer der Post- und Telegraphendirektion Linz Markus Mario E*** des Vergehens der fahrlässigen Gemeingefährdung nach dem § 177 Abs. 1 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (gemeint: erster Fall) StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt dieses Schuldspruchs - bei dem der Einzelrichter in sachverhaltsmäßiger Beziehung auf den Strafantrag (ON 3) verwies (AS 142), abweichend hievon jedoch die tatsächlichen Voraussetzungen der Qualifikation nach dem § 88 Abs. 4, zweiter Fall (§ 81 Z 1), StGB verneinte - liegt dem Verurteilten zur Last, am 27.Jänner 1987 in Waizenkirchen als Lenker des LKWs mit dem Kennzeichen PT 25.238 dadurch, daß er mit diesem Kraftfahrzeug unter Nichtbeachtung einer angebrachten Stoptafel sowie unter Einhaltung einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h auf einem Übergang die Schienen der Lokalbahn "Stern & Hafferl" zu überqueren trachtete und in der Folge gegen den Triebwagen eines mit ca. 50 bis 60 Fahrgästen besetzten Personenzuges stieß, welcher dabei aus den Schienen geworfen wurde, fahrlässig 1./ anders als durch eine der in den §§ 170, 172 und 174 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für Leib und Leben einer größeren Anzahl von Menschen (von denen fünf Personen - leichte - Verletzungen davontrugen) herbeigeführt und überdies 2./ Andrea K*** und Karl S*** am Körper schwer verletzt zu haben.
Markus Mario E*** wurde hiefür nach dem § 177 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB (sowie der nicht zitierten Bestimmung des § 37 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 200 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 30 Tagen verurteilt:
Weiters wurde ausgesprochen, daß er gemäß dem § 369 Abs. 1 StPO der Privatbeteiligten Andrea K*** einen Betrag von 20.000 S zu bezahlen hat (AS 142).
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil steht in zweifacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
A/ Zunächst erweist es sich als verfehlt, daß Markus Mario E*** die Herbeiführung schwerer Körperverletzungen bei Andrea K*** und Karl S*** auch als Vergehen nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (erster Fall) StGB zur Last gelegt wurde. Denn nach dem § 177 Abs. 2 StGB führt - wie auch bei einer Reihe anderer in ähnlicher Weise erfolgsqualifizierter Delikte des StGB (vgl. insbes.
§ 170 Abs. 2 StGB, worauf § 177 Abs. 2 Bezug nimmt, aber auch § 169 Abs. 3 StGB ua) - erst der Eintritt bestimmter, qualifizierter Folgen, darunter schwerer Körperverletzungen (§ 84 Abs. 1 StGB) einer größeren Zahl von Menschen, zur Anwendung eines höheren Strafsatzes. Daraus folgt, daß der Eintritt weniger weitreichender Folgen (hier schwere Verletzungen von nur zwei Personen) lediglich als Erschwerungsgrund zu berücksichtigen ist (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 8, 9 zu § 170 StGB sowie EvBl. 1977/91). Das überdies nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohte Vergehen der fahrlässigen (schweren) Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, erster Fall, StGB kann daher mit der ua gleichfalls die körperliche Unversehrtheit schützenden, zudem eine strengere Strafe (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) androhenden Strafnorm des § 177 Abs. 1 StGB nicht eintätig zusammentreffen.
Da der schwere Verletzungserfolg somit rechtsrichtig lediglich als Erschwerungsgrund zu berücksichtigen gewesen wäre, wirkte sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten aus. B/ Das vorliegende Erkenntnis des Kreisgerichtes Wels verletzt aber auch noch insoweit zum Nachteil des Verurteilten das Gesetz, als damit der Privatbeteiligten Andrea K*** gemäß dem § 369 Abs. 1 StPO ein Betrag von 20.000 S zugesprochen wurde. Markus Mario E*** verschuldete nämlich den gegenständlichen Unfall als Postbediensteter (Kraftfahrer der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung) während einer Dienstfahrt mit einem Kraftfahrzeug der Post- und Telegraphendirektion Linz (nach der Aktenlage handelte es sich dabei um eine Zustellfahrt mit verschiedenen Poststücken, darunter auch mit Briefsendungen). Da die Beförderung von Sendungen durch die Post im Rahmen der Hoheitsverwaltung stattfindet, handelte der Verurteilte hier als Organ der Postverwaltung in Vollziehung der Gesetze (vgl. insbesondere SSt. 53/19 und 77). Für die bei einer derartigen Tätigkeit wem immer schuldhaft zugefügten Schäden am Vermögen oder an der Person haftet aber gemäß dem § 1 Abs. 1 AmtshaftungsG nicht das Organ, sondern ausschließlich der Rechtsträger, als dessen Organ (Organwalter) der Schädiger tätig wurde. Es durfte daher Markus Mario E*** zur Bezahlung eines Schadenersatzbetrages an die Privatbeteiligte Andrea K*** nicht einmal dann verurteilt werden, wenn er den Ersatzanspruch anerkannt haben sollte, was im Hinblick auf den (durch den Protokolls- und Urteilsvermerk bedingten) Mangel eines Hauptverhandlungsprotokolls nicht auszuschließen ist (vgl. insbes. Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 7 und 9 zu § 365 StPO). Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher stattzugeben und zu Gunsten des Verurteilten wie im Spruch zu erkennen.
Bei der Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof den Umstand, daß mehrere Personen - darunter zwei schwer - verletzt wurden, sowie den sehr hohen Sachschaden als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Wandel des Angeklagten, dessen Alter unter 21 Jahren und die von Markus Mario E*** selbst erlittenen schweren Verletzungen als mildernd.
Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erschien ungeachtet der geänderten materiellrechtlichen Einordnung (neuerlich) eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 200 S, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen, tatschuldadäquat und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten entsprechend. Eine weitere Milderung konnte in Anbetracht der schon vom Erstgericht im untersten Bereich der möglichen Sanktionen ausgemessenen Geldstrafe nicht mehr Platz greifen.
Die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB kam nicht in Betracht, weil es nach der Lage des Falles der Vollstreckung der Geldstrafe bedarf, um die Strafzwecke zu erreichen.
Die Kostenentscheidung war aus dem angefochtenen Erkenntnis zu übernehmen.
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