OGH 11Os191/78

OGH11Os191/7827.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schifter als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens des schweren Diebstahles nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und anderer Delikte über die von Johann A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Oktober 1978, GZ. 5 b Vr 8580/78-77, erhobene Berufung, nachdem dessen Nichtigkeitsbeschwerde bereits mit Beschluß vom 23.1.1979 in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen worden war, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Witt, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO im Schuldspruchfaktum 2 (Verbrechen der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. Juli 1937 geborene Dachdecker Johann A unter anderem des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Spruches) schuldig erkannt. Nach den dazu getroffenen Urteilsfeststellungen gab der Angeklagte im Bewußtsein der Unrichtigkeit seines Vorbringens bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 16. Dezember 1977 an, er habe sein Geständnis (zu Urteilsfaktum 3) am 15.10.1977 vor dem Bezirkspolizeikommissariat Meidling nur deshalb abgelegt, weil er während der Einvernahme vom Kriminalbeamten Wolfgang B geschlagen worden sei (S 341 f d. A).

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde, die bereits mit dem in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß vom 23. Jänner 1979, GZ 11 Os 191/78-5, als offenbar unbegründet zurückgewiesen wurde, konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Urteil im vorerwähnten Schuldspruch an einer ungerügt gebliebenen materiellen Nichtigkeit leidet. Der (Grund-)Tatbestand des § 297 Abs. 1 StGB verlangt auf der subjektiven Seite Wissentlichkeit in Ansehung des Umstandes, daß die Verdächtigung falsch ist, und darüber hinaus den (wenn auch nur bedingten) Vorsatz, den also Verdächtigten der Gefahr behördlicher Verfolgung auszusetzen.

Während im angefochtenen Urteil die Wissentlichkeit der Falschbeschuldigung klar zum Ausdruck kommt ('Obwohl dem Angeklagten bei dieser Verantwortung bewußt war, daß sie nicht stimmt ...' - S 342 d. A), fehlen Feststellungen über einen Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Gefährdung des Verleumdeten. Nur dann nämlich, wenn der Angeklagte über die Wissentlichkeit der Falschbezichtigung hinaus - zumindest - die Gefahr behördlicher Verfolgung des anderen als Folge seines Handelns ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB) könnten die gesetzlichen Erfordernisse zur inneren Tatseite einer Verleumdung als erfüllt angesehen werden.

Schon dieser Feststellungsmangel läßt das Urteil in diesem Punkt des Schuldspruches mit Nichtigkeit nach der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO behaftet erscheinen, weswegen in amtswegiger Wahrnehmung der unrichtigen, dem Angeklagten nachteiligen Gesetzesanwendung gemäß den § 288 Abs. 2 Z 3 zweiter Satz, 290 Abs. 1 StPO wie im Spruche zu erkennen war.

Mit seiner durch die Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Nur der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt, daß die erstgerichtliche Annahme, das inkriminierte Verhalten des Angeklagten unterfalle deshalb dem höheren Strafsatz des § 297 Abs. 1 StGB, weil der verleumderische Vorwurf das Vergehen der Nötigung unter Ausnützung einer Amtsstellung nach den § 105 Abs. 1, 313 StGB beinhalte, rechtlich verfehlt ist, weil die Strafschärfungsnorm des § 313 StGB (gleich jener des § 39 StGB) keine Veränderung des jeweils anzuwendenden Strafsatzes bewirkt (ÖJZ-LSK 1977/334) und die Strafdrohung des § 105 Abs. 1 StGB nur bis zu einem Jahr reicht. Daß der Falschbezichtigung aber - trotz ihres insoweit neutralen Wortlautes - der Sinn beizumessen wäre, der Gendarmeriebeamte habe dem Angeklagten vorsätzlich ein unwahres Geständnis abnötigen wollen (was als Vorwurf des Amtsmißbrauches nach dem § 302 StGB die Heranziehung des höheren Strafsatzes rechtfertigen hätte können), wurde dem Beschwerdeführer gar nicht zur Last gelegt.

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