OGH 11Os186/82

OGH11Os186/8222.12.1982

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mangi als Schriftführers in der Strafsache gegen Anton A und andere wegen des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Anton A, Josef B und Kurt C gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom 13.August 1982, GZ. 16 Vr 9/81-56, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Anton A und Josef B wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch dieser Angeklagten und gemäß dem § 290 Abs. 1 zweiter Fall StPO. auch des Angeklagten Kurt C wegen des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 StGB., demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich Vorhaftanrechnung), im Privatbeteiligtenerkenntnis und in dem die Angeklagten Kurt C und Josef B betreffenden Kostenausspruch aufgehoben;

die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Anton A, Josef B und Kurt C, letzterer auch mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, auf diese Entsheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 30.Juni 1954 geborene Anton A, der am 5.März 1948 geborene Kurt C und der am 29.Juli 1943 geborene Josef B des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen sowie gemäß dem § 366 StPO. zu Zahlungen an die Privatbeteiligten verurteilt, weil sie - laut Urteilsspruch, S. 51/II. Band - in Gesellschaft des gesondert verfolgten Fritz D am 13.September 1981 in Esch, Gemeinde Hallwang, an einer Schlägerei oder an einem Angriff mehrerer teilgenommen und dabei Anton E, Josef F und Josef G leicht sowie Andreas H infolge einer Verletzung am Kopf, einer Prellung der rechten Hand und Abbruches des ersten und zweiten Schneidezahnes oben schwer verletzten. Darüber hinaus wurde der Angeklagte A des am 9.Juli 1981 in Salzburg an Johann I begangenen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB. schuldig gesprochen.

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten A, C und B im Schuldspruch wegen des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 StGB. mit Nichtigkeitsbeschwerden. Der Schuldspruch des Angeklagten A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB. ist demnach - da der öffentliche Ankläger, welcher den Vorwurf der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB. erhoben hatte, die von ihm angemeldeten Rechtsmittel zurückzog - in Rechtskraft erwachsen.

Der Angeklagte Anton A stützt seine Nichtigkeitsbeschwerde auf den § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt er zutreffend die Abweisung (S. 48/II. Band und 60/II. Band) des durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis für die Unzurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt (gemeint am 13. September 1981) wegen Volltrunkenheit (S. 47/II. Band) als seine Verteidigungsrechte beeinträchtigend:

Der Angeklagte A gab bei der Gendarmerie, beim Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung, in welcher die Ergebnisse des Vorverfahrens verlesen wurden (S. 48/II. Band), an, 'sehr stark' (S. 29/I. Band) bzw. 'stark' (S. 96/I. Band und 9/II. Band) betrunken gewesen zu sein, es fehle ein Großteil der Erinnerungen (S. 9/II. Band; siehe auch S. 96/I. Band), er habe - obwohl an Magengeschwüren leidend - in den 36 Stunden vor der Tat ca. 20 Magenbitter, mindestens 10 Flaschen Bier und sehr viele Cola-Rum sowie noch viele andere 'harte Sachen' getrunken (S. 96/I. Band). Die vom Schöffengericht für die Abweisung des Beweisantrages auf überprüfung des Alkoholisierungsgrades durch einen Sachverständigen gegebene Begründung, der Angeklagte A habe beim Gendarmeriepostenkommando Eugendorf und vor dem Untersuchungsrichter klare Angaben machen können, sodaß von einer Volltrunkenheit nicht gesprochen werden könne (S. 60/II. Band), ist zur einwandfreien Klärung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zur Zeit des inkriminierten Raufhandels nicht ausreichend, zumal auch andere Beweismittel zur Beurteilung der Bewußtseinslage A bzw. zur Unterstützung der wiedergegebenen, vom Schöffengericht beweiswürdigend getroffenen Annahme nicht herangezogen wurden. Lag aber eine (vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführte) volle Berauschung vor, wäre der zuletzt wiederholt genannte Rechtsmittelwerber bei Vorliegen des objektiven Tatbestandes nach dem § 91 Abs. 1 StGB. (nur) des Vergehens nach dem § 287 Abs. 1 StGB. schuldig, woraus sich die Relevanz des in Rede stehenden Beweisantrages ergibt.

Aber auch die Mängelrüge, mit der sich der Angeklagte A gegen das Fehlen einer Begründung für die Annahme wendet, die bei Andreas H eingetretenen (schon einleitend wiedergegebenen) Verletzungen seien schwer, ist berechtigt:

Die Beurteilung des Eintrittes einer an sich schweren Verletzung oder Gesundheitsschädigung ist eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage, jedoch unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Medizin. Es kommt auf die Erheblichkeit des am Körper - unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Verletzungen - zugefügten Nachteile, vor allem die Wichtigkeit des verletzten Organs oder Körperteils, und der herbeigeführten wichtigen, wenn auch nur kurzen Schädigung an der Gesundheit an (vgl. die bei Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 6 zu § 84 StGB., zitierte Judikatur). Der Verlust von Zähnen bzw. deren Verletzung - hier: der Abbruch von zwei Schneidezähnen (siehe hiezu die Verletzungsanzeige S. 13/I. Band) - wird somit insbesondere dann als schwere Verletzung zu werten sein, wenn das Gebiß des Verletzten eine Funktion, die es bis zur Verletzung noch zu erfüllen vermochte, infolge der Beschädigung nicht mehr erfüllen kann, wenn also beispielsweise die zuvor noch vorhandene Kaufähigkeit einer Gebißseite durch die Verletzung verlorengeht; in einem solchen Fall ist ein schwerer gesundheitlicher Nachteil gegeben. Es wird aber auch in Betracht zu ziehen sein, welche zahnärztlichen und zahntechnischen Maßnahmen zur Beseitigung der Folge der Verletzung erforderlich waren (SSt. 28/11).

So besehen handelt es sich bei der vom Erstgericht gewählten Argumentation, daß der Abbruch von zwei oberen Schneidezähnen eine schwere Verletzung darstelle und keiner weiteren Erörterung bedürfe (vgl. abermals S. 60/ II. Band), um eine Scheinbegründung in Ansehung eines entscheidungswesentlichen Umstandes, liegt doch dem Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 91 StGB.

(nur) eine (einzige) schwere Verletzung zugrunde. Die vom Erstgericht festgestellten leichten Verletzungen mehrerer Personen reichen schon in objektiver Hinsicht nicht zur Tatbestandsmäßigkeit im Sinn des § 91 StGB. aus.

Mithin erweist sich das Urteil auch unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. als nichtig.

Insoweit der Angeklagte Josef B die gleiche Rüge wie A zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. erhebt, kommt auch seiner Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigung zu, ohne daß auf sein weiteres, auf die Z. 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestütztes Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

Im Fall des Angeklagten Kurt C, der in seiner auf § 281 Abs. 1 Z. 3, 5 und 9 lit. a StPO. bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde diese Rüge nicht erhob, war wegen des eben erörterten Begründungsmangels gemäß dem § 290 Abs. 1 zweiter Fall StPO. vorzugehen. Er war mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde darauf zu verweisen.

Auch sämtliche Berufungen erweisen sich infolge der Aufhebung des Schuldspruches wegen des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 StGB. als gegenstandslos, sodaß insoweit gleichfalls mit einer Verweisung auf das gemäß dem § 285 e StPO. geschöpfte kassatorische Erkenntnis vorzugehen war.

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