OGH 11Os180/08t

OGH11Os180/08t20.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Safet D***** und Senad S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 21. August 2008, GZ 405 Hv 2/08a-55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass werden der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen 3./ und 5./, den Eventualfragen 2./ und 3./ sowie das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen B./I./ und II./ sowie C./I./ und II./, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese teilkassatorische Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten zurückgewiesen.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurden beide Angeklagte des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A./) und des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und 15 StGB, Senad S***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (B./ und C./) schuldig erkannt.

Danach haben bzw hat am 3. April 2008 in Wien

„A./ Safet D***** und Senad S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) den Goran Z***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), indem Safet D***** ihn unter Anhaltung einer geladenen Schusswaffe an die Stirn und der Äußerung: „Wenn du mir kein Geld gibst, dann werde ich dich erschießen", zur Herausgabe von Bargeld aufforderte, während Senad S***** Aufpasserdienste leistete und im Fluchtauto wartete, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld mit dem Vorsatz abzunötigen versucht (§ 15 StGB), sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübten, Goran Z***** jedoch kein Bargeld herausgab;

B./ Safet D***** den Goran Z***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, durch Drohung mit dem Tod, indem Safet D***** äußerte, vor dem Haus würden zwei Albaner und ein Türke auf ihn warten, welche ihn erschießen würden, falls er kein Geld herausgeben würde, wobei er eine Pistole in seiner Hand hielt, während Senad S***** Aufpasserdienste leistete und im Fluchtauto wartete, die Telefonnummer von Goran Z***** preisgab und mit Safet D***** zum vereinbarten Übergabetreffpunkt fuhr, zu einer Handlung, die diesen am Vermögen schädigen sollte

I./ genötigt, nämlich zur Übergabe von 130 Euro,

II./ zu nötigen versucht (§ 15 StGB) nämlich zur Übergabe von 870

Euro;"

C./ Senad S***** dadurch, dass er Aufpasserdienste leistete und im Fluchtauto wartete, die Telefonnummer von Goran Z***** preisgab und mit Safet D***** zum vereinbarten Übergabetreffpunkt fuhr, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, zu der unter Punkt B./ genannten Tathandlung, durch die Safet D***** den Goran Z*****

I./ zur Übergabe von 130 Euro genötigt und II./ zur Übergabe von 870 Euro zu nötigen versucht hat

beigetragen.

Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagte mit - gesondert ausgeführten - Nichtigkeitsbeschwerden, wobei von Safet D***** die Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO, von Senad S***** jene des § 345 Abs 1 Z 6, 8, 11 lit a und 12 StPO geltend gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt bloß teilweise Berechtigung zu.

Zum Schuldspruch A./:

Ausgehend von den Verantwortungen der beiden Angeklagten sowie unter eigenständiger Interpretation der Aussage des Zeugen Goran Z***** kommt Safet D***** zu dem Ergebnis, die Annahme eines einheitlichen Erpressungsgeschehens sei indiziert. Die den Angeklagten im Wahrspruch zur Hauptfrage 1. (nach versuchtem schweren Raub) angelasteten Tathandlungen wären nur ein Teilakt der (zum Teil versuchten) Erpressung, weswegen eine Eventualfrage in diese Richtung gestellt hätte werden müssen. Dabei legt er jedoch in seiner Fragenrüge (Z 6) in keiner Weise dar, weshalb unter Zugrundelegung eines einheitlichen - als Erpressung zu beurteilenden - Tatgeschehens zusätzlich zu den Hauptfragen 3. und 5. (nach vollendeter bzw versuchter Erpressung) auch noch die Stellung einer entsprechenden Eventualfrage zur Hauptfrage 1. erforderlich gewesen sein sollte. Mit der Tatsachenrüge (Z 10a) versucht der Erstangeklagte, unter Erörterung und anderer Auslegung der Aussagen des Tatopfers Goran Z***** die Annahme des Raubversuchs in Frage zu stellen und damit die Richtigkeit der Erwägungen der Geschworenen in Zweifel zu ziehen, unternimmt damit aber nur eine zur Darlegung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds ungeeigneten Angriff auf die Lösung von Tatfragen nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung. Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zugrunde liegenden Feststellungen vermag er damit nicht aufzuzeigen (RIS-Justiz RS0117446), zumal die exakte Formulierung der verbalen Drohung angesichts der an den Kopf des Opfers angehaltenen Waffe und der somit gegebenen Gegenwärtigkeit des bevorstehenden Übels nicht von Bedeutung ist.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen.

Zu den Schuldsprüchen B./ und C./:

Safet D***** kritisiert zur Hauptfrage 3. - ebenso wie der Zweitangeklagte Senad S***** zur Hauptfrage 4. bzw zur Eventualfrage

2. - (jeweils nach vollendeter Erpressung bzw der Beteiligung daran) unter Hinweis auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Polizeibericht (insbesondere ON 5 S 51) das Fehlen einer Eventualfrage wegen versuchter Erpressung, weil sich daraus ergebe, dass der Hinterlegungsort des vom Tatopfer deponierten Geldes von der eingeschalteten Polizei überwacht und der Erstangeklagte beim Abtransport des Geldes festgenommen worden sei. Es wäre somit zu einer Vermögensschädigung nicht gekommen.

Wird - wie im gegebenen Fall aufgrund des in der Hauptverhandlung verlesenen Polizeiberichts ON 5 (insbesondere S 51) indiziert (§ 314 Abs 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42f) - Geld vom Erpressungsopfer an dem vom Täter gewünschten Ort deponiert, dieser Ort aber durch die vom Opfer eingeschaltete Polizei überwacht und der Täter, nachdem er das Geld an sich genommen hat, wenige Meter vom Ort der Geldübergabe entfernt festgenommen, liegt kein Vermögensschaden im Sinn des § 144 Abs 1 StGB vor; ein solcher ist nur bei einem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz gegeben (vgl Eder-Rieder in WK2 § 144 Rz 22;

Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 144 Rz 39; BGH 4 StR 191/00 mwN;

Kindhäuser in Nomos-Komm2 § 253 dStGB Rz 45).

Demnach zeigt sich bereits bei nichtöffentlicher Beratung das Erfordernis einer Neudurchführung des Verfahrens zu B./I. und C./I./ sowie im Zusammenhang (§ 289 StPO) auch hinsichtlich B./II./ und C./II. (§§ 344 zweiter Satz [285e erster Satz], 349 Abs 1 StPO), woraus die Aufhebung des Strafausspruchs folgt.

Eines Eingehens auf die inhaltlich nur gegen die aufgehobenen Schuldsprüche gerichteten Instruktions-, Rechts- und Subsumtionsrügen des Angeklagten Senad S***** bedarf es somit nicht. Im zweiten Rechtsgang werden - sollte die Anklage nicht entsprechend modifiziert werden - auch zu den Hauptfragen 3. und 4. sowie zur Eventualfrage 2. entsprechende (weitere) Eventualfragen gemäß § 314 Abs 1 StPO nach versuchter Tatbegehung zu stellen sein. Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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